Nóstimon Hêmar

Telefonsex mit ECHTEN Frauen: Zusätzlich mit Kamera Funktion möglich!

Nóstimon Hêmar — oder der rettende Hafen

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Zur Übersicht für die geneigte Leserin und den geneigten Leser — es gibt ja deren einige, denen meine Geschichten gefallen — hier noch einmal eine chronologische Übersicht meiner bisherigen Geschichten:

VOREHELICHES

[Der Unterschied]

[Die Grundbegriffe]

EIS Werbung

Das Obligatorische

[Über einen starken Typ]

[Ferienspaß I]

PennälerInnenfeten

Lernen fürs Abitur

[Ferienspaß II]

Erstes „Eheleben“

ERSTE EHE NEBST NEBENBESCHÄFTIGUNGEN

Auf Schlingerkurs in den Hafen (mit Ferienspaß III)

Der weltberühmte Pianist hat heute nicht seinen besten Tag

Auf der Durchreise

Der Wanderclub

Die Ernennung

[Hinter unverschlossenen Türen]

Vetternwirtschaft

Vom anderen Ufer

An der Ostsee hellem Strande …

Wenn der Herr außer Haus ist, tanzt das Mäuslein im Bette

Die Sportskanone

Rameaus Geburtshaus

Die Rettung aus der Gosse

Die Tröstung

NACH DER SCHEIDUNG: FREI FLOATEND

Gartenarbeit

Das Cembalo

Urlaub mit Mama

Als Scheidungswitwe — Ehevermittlung die erste

Nachgeholte Schülerliebe — oder Ehevermittlung die zweite

Heldenzeugen

Die Viererbande

Nachhutgefecht

AUSFLUG INS HORIZONTALE GEWERBE

Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt

Der Rußlandheimkehrer

Fast, aber nur fast

Der Ausstieg

Der Segeltörn

WEITER WIEDER ALS „NORMALE“ SCHEIDUNGSWITWE

Spanische Tage und Nächte und ein Abend in Frankfurt

Kontakte mit der freien Wirtschaft

Kuchen und Pizza — aber bitte mit Sahne

Es ist viel zu beichten

Verführung eines Unschuldigen

Saturnalia

Photokunst

Telephone und Handys

Jenaer Straße dreiundsiebzig

Manchmal gibt's auch Schläge

Frust ersäuft man am besten im Alkohol

Verbotenes

ZWEITE UND VORERST LETZTE EHE — MIT NEBENBESCHÄFTIGUNGEN

Nóstimon Hêmar — oder der rettende Hafen

Die mit [] markierten Texte sind nicht in ### zu finden, denn sie handeln von Jugenderlebnissen, bei denen einige der handelnden Personen noch keine achtzehn Jahre alt sind, oder sie sind kürzer als 750 Wörter.

Wer auch diese Texte oder mein Gesamtwerk in seinem gegenwärtigen Zustand lesen möchte, melde sich bei mir, möglichst per E-Mail.

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Nach dem Ende meiner Beziehung mit dem unmöglichen Martin und seiner Doppelmoral war ich ziemlich down. Alfred hatte eine Freundin gefunden, und meine Beziehung zu diesem Jungen war ja auch etwas ganz Unmögliches. Stefan hatte sich seit Monaten nicht mehr gemeldet, Mike war mit den meisten seiner Photos abgedampft, Willy war ja lieb, aber wann würde er mal wieder nach Hamburg kommen, ebenso Peter, ebenso Theo.

An Martin hatte ich gesehen, daß längst nicht alle Herren, die gern und schnell in eine Sex-Beziehung einsteigen und auch gern Liebesdienste von Damen des Gewerbes in Anspruch nehmen, eine entsprechende beziehungsweise analoge Haltung auch bei ihren Partnerinnen akzeptieren. Und Kollegen aufreißen, mich von Schul- und Stadtteilfesten abschleppen lassen: Da denkt man bei Frauen meines Alters meist doch: „Die hat es aber nötig“, und so wollte ich auch nicht angesehen werden; man hat ja seinen Stolz! Und dann ganz im Verborgenen die wunderbare Zeit mit Hans.

Da fiel in einer sehr seriösen Wochenzeitung mein Blick auf eine Bekanntschaftsanzeige. Man liest als neugieriges Weib diese Anzeigen ja gern und macht sich innerlich lustig über die Formulierungen, die man da zu lesen bekommt, aber diese klang irgendwie anders. Gekürzt wiedergegeben lautete sie etwa: „Witwer, noch nicht 50 Jahre, mit erwachsener Tochter, sucht eine intelligente Partnerin, die mit ihm Musik von Bach hört, aber auch zarter Intimität nicht abgeneigt ist.

„Noch nicht fünfzig Jahre“: Das konnte alles bedeuten, bedeutete aber wahrscheinlich achtundvierzig oder wahrscheinlicher neunundvierzig Jahre. „Intelligente Partnerin“, „Bach“, „zärtliche Intimität“: das klang alles sehr verlockend!

Aber als Mensch, der etwas auf sich hält, sucht man seine Freunde, Bekannte oder Lebenspartner doch nicht über eine Anzeige! So jedenfalls das fast noch allgemeine Vorurteil. Allerdings gibt es in meiner Familie den Fall einer sehr glücklichen Ehe, wo sich die Partner über eine Heiratsanzeige gefunden hatten, wie immer wieder in etwas abfälligem Ton erwähnt wurde, wenn von diesen Leuten die Rede war, ja, selbst wenn über ihre inzwischen erwachsenen, sehr wohlgeratenen Kinder gesprochen wurde.

Der Herr, der diese Anzeige aufgegeben hatte, interessierte mich schon sehr, aber ich traute mich nicht, auf die Chiffre-Anzeige zu antworten. Ich ließ drei Wochen verstreichen, dann vertraute ich mich mit meinen Zweifeln Trudi an, und die sagte sofort:

„Mensch, Melanie: Das könnte der Mann deines Lebens sein. Da mußt du unbedingt antworten — eigentlich ist es schon zu spät. „

Sie zerrte mich an ihren Schreibtisch, und wir verfaßten eine Antwort:

„Sehr geehrter Herr! Mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige vom … gelesen.

Besonders hat mich Ihr Interesse an Bachs Musik angezogen, aber auch zärtliche Intimität sollte Teil einer Beziehung sein, wie ich sie suche. — Ich bin vierundvierzig Jahre alt oder jung, Studienrätin für Deutsch und alte Sprachen, in deren Literatur ich vor allem die vielen Berührungspunkte mit unserer heutigen Zeit suche. — Wenn Sie, geehrter Herr, an weiteren Kontakten und einem Kennenlernen interessiert sind, dann rufen sie mich an unter der Nummer …, am besten nachmittags.

— Mit besten Grüßen Melanie Knaack. „

„Den Namen“, meinte Trudi, „kannst du ruhig unter den Brief setzen — den kriegt der Kerl nach der Telephonnummer sowieso raus!“

Brief in Umschlag, Umschlag in größeren Umschlag, diesen nicht der Post anvertraut, sondern mit dem Auto zur Redaktion gefahren und den Brief beim Pförtner abgegeben!

Als wir wieder bei Trudi zurück waren, sagte sie:

„So, jetzt setzt du dich ans Telephon und wartest den Anruf dieses Herrn ab! Wenn er wirklich ein solcher Gentleman ist, wie die Anzeige sich anhört, dann muß er dich anrufen, auch wenn er eine andere Frau gefunden hat!“

Ich gehorchte Trudi aufs Wort, setzte mich am nächsten Tag, nachdem ich vom Dienst nach Hause gekommen war, ans Telephon und wartete — und wartete — und Punkt 15:01 Uhr, genau nach der amtlichen deutschen Mittagsruhe, während derer man ja schicklicherweise niemand anruft, klingelt das Telephon:

„Hier Knaack.

„Hier Waldemar Schröder — darf ich fragen, haben Sie gestern auf meine Anzeige geantwortet?“

„Ja, das hab ich — ist es nicht schon zu spät?“

„Nein, Frau Knaack — ich hatte zwar viele Zuschriften, aber die meisten völlig unseriös und nicht in Betracht kommend. Über Ihre Antwort habe ich mich besonders gefreut. „

„Und warum das, wenn ich fragen darf?“

„Weil sie so nett auf alle Punkte meiner Anzeige eingegangen sind.

„Auf alle Punkte bin ich nicht eingegangen: Ihre Tochter hab ich nicht erwähnt. „

Immer mußte ich widersprechen!

„Die wohnt ja auch nicht mehr bei mir! — Frau Knaack, wollen wir uns nicht einmal an einem neutralen Ort treffen — hätten Sie was dagegen?“

„Nein, überhaupt nicht! Gern!“

„Schlagen Sie etwas vor?“

„Wie wäre es übermorgen nachmittag im Café Buchner in Eppendorf, so gegen siebzehn Uhr?“

„Das paßt mir sehr gut, Ich geb Ihnen noch meine Telephonnummer und auch das Handy, damit Sie mich erreichen können, wenn Ihnen was dazwischen kommt oder Sie es sich doch noch anders überlegen.

„Das ist nett von Ihnen! — Also, ich hab hier was zum Schreiben, schießen Sie los!“

Herr Schröder gab mir seine zwei Telephonnummern und fuhr dann fort:

„Wenn ich früher da bin: Ich werde in der ZEIT lesen –„

„Und wenn alle Gäste im Café die ZEIT lesen?“

„Dann bin ich schon leicht ergraut“, sagte Herr Schröder lachend, „kurzgeschnittener Vollbart, ziemlich starke Minus-Brille.

— Und woran könnte ich Sie erkennen?“

„Schwarze lange Haare, Lesebrille, auch die ZEIT lesend. Was ich übermorgen anziehen werde, weiß ich noch nicht, das hängt vom Wetter ab. „

„Das soll schön werden!“

„Dann wahrscheinlich ein beiges Kostüm. „

„Ich freu mich, Frau Knaack!“

„Ich mich auch — hoffentlich nicht verfrüht!“

„Ich werd mein bestes tun! Tschüs, Frau Knaack!“

Beim ersten Gespräch das familiäre „tschüs“– eigentlich etwas unverschämt, aber doch sympathisch!

Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte das Telephon schon wieder.

Es war — natürlich Trudi. Sie hatte sich ja wohl zehn Minuten lang das Besetztzeichen angehört und platzte jetzt vor Neugier.

„War er das?“, fragte sie gleich.

„Ja, das war er. „

„Und wie ist er?“

„Nett. „

„Und?“

„Was, ,und`“

„Worüber habt ihr geredet? Was hat er gesagt? Wie alt ist er?“

„Wir haben über Allgemeines geredet; wie alt er ist — zu solchen Intimitäten sind wir noch nicht gekommen.

— Wir treffen uns übermorgen nachmittag. „

„Und wo?“

„Das sag ich nicht — nachher setzt du dich incognito als Mäuschen in das Café und beobachtest uns. „

„Würde ich doch nie tun, das weißt du doch! Wahrscheinlich hast du Buchner vorgeschlagen. „

„Woher weißt du das?“

„Weil das dein Lieblingscafé ist, ich kenn dich doch! Und willst du nicht noch was erzählen — ihr habt doch mindestens eine Viertelstunde geredet.

„Wir haben wirklich nichts Besonderes geredet. Bohr doch nicht so!“

„Ich hör ja schon auf! Aber du mußt gerade reden: Wie hast du mir Löcher in den Bauch gefragt, als ich Bernd kennengelernt hab. „

„Das ist doch was ganz anderes — ich muß doch etwas auf dich aufpassen — denk an Paul!“

„Und ich fühl mich auch ein bißchen für dich verantwortlich — denk an Martin!“

„Du hast ja recht! Sobald sich was ergibt, stell ich ihn dir vor!“

„Okay! Dann tschüs!“

Jetzt hatte ich zwei Tage minus die Stunden in der Schule Zeit, mir zu überlegen, was ich zu dem großen Moment anziehen sollte.

An das „beige Kostüm“ fühlte ich mich nicht gebunden. Ich machte eine Inventur meines Kleiderschrankes. Fast alles paßte mir noch — aber paßte dieser Rock zu jener Bluse? Hatte dieser Pullover nicht zu grelle Farben für eine Vierundvierzigjährige? Und überhaupt die Rocklänge! „Bach“ klang nach Kultur — aber „intime Zärtlichkeit“, das klang nach — na ja! Aber nein: Waldemar — nennst du ihn für dich schon „Waldemar“, Melanie? — also: Es war andersherum: Herr Schröder hatte „zarte Intimität“ geschrieben — was war da der Unterschied? Darüber mußte ich als Deutschlehrerin mal nachdenken! Sollte ich Herrn Schröder schon beim ersten Mal mit dem Anblick meiner wunderbaren Knie aufheizen, oder sollte ich einen meiner wenigen langen Röcke anziehen, die die Knie auch beim Sitzen verläßlich bedecken? Allerdings würde Herr Schröder bei züchtigem Sitzen am Caféhaustisch von meinen Knien sowieso nichts zu sehen bekommen.

Oder lange Hosen — oder Jeans, in denen ich immer noch viel jünger aussah, als ich wirklich war?

Ich machte Häufchen, Kategorie A: würde passen, B: vielleicht, C: kommt jetzt nicht in Frage, D: endlich zum Roten Kreuz, E: zerrissen, weg. Von Kategorie A mußte eine ganze Menge zur Reinigung. Und so nahm ich diese Stücke sowie den Haufen D, fuhr erst meinem jahrelangen Vorsatz entsprechend zum Roten Kreuz und lieferte Haufen D bei der Kleiderspende ab, dann mit den Sachen von Haufen A zur Reinigung:

„Wird das bis morgen fertig — oder höchstens bis übermorgen um drei?“

Es würde alles fertig werden.

Am nächsten Tag holte ich die Sachen aus der Reinigung und probierte wieder fast den ganzen restlichen Tag — oder wenigstens zweieinhalb Stunden lang — meine verschiedenen in Frage kommenden Kleider an — dann gab ich es auf und rief Trudi an:

„Trudi, kannst du nicht mal kurz kommen und mir helfen?“

„Um was geht es denn?“

„Ich weiß nicht, was ich morgen zu dem Treffen anziehen soll.

„Das beige Kostüm natürlich! In dem siehst du super aus, und zieh hochhackige Schuhe an, dann betörst du mit deinen Wanderbeinen jeden Mann!“

„Aber ich weiß doch nicht, ob ich schon beim ersten Mal so viel Bein zeigen soll. „

„Da hast du doch sonst keine Bedenken, Melanie!“

„Ach, Trudi, komm doch bitte mal kurz vorbei!“

Trudi kam, besah sich die Sachen auf meinem Haufen A, und brachte genau die Gedanken vor, die ich gestern und heute auch schon gewälzt hatte.

Sie kam nach immerhin nur anderthalb Stunden auf dieselbe Rock-Blusen-Kombination, die mir auch am besten gefiel — „oder aber zieh doch das beige Kostüm an! Du, ich muß jetzt gehen, Bernd wartet schon, und wir sind dann bei seinen Eltern eingeladen. „

Also auch nicht viel schlauer. Immerhin lief alles auf den blauen Rock mit einer der weißen Blusen hinaus — da erhob sich dann wieder die Frage, wieviele der Knöpfe ich auflassen sollte — und vielleicht gar den BH weglassen?

Am Morgen vor der Schule legte ich mir Rock, Bluse — und BH! — zurecht, dazu passende Pumps, und begab mich zum Dienst.

Den ganzen Vormittag dachte ich fast nur an das Treffen am Nachmittag, so daß mich sogar ein Kollege fragte:

„Sie sind ja heute mit den Gedanken ganz woanders, Frau Kollegin!“

Nach der Schule würgte ich ohne jeden Appetit einen Imbiß hinunter — ich konnte Herrn Schröder doch nichts mit meinem Magen vorknurren! –, zog mir sehr rechtzeitig die Bluse und den Rock an und hatte dann noch etwas Zeit bis zum Losfahren.

Aber als ich eigentlich schon hätte losfahren müssen, riß ich mir meinen Dress vom Leibe und zog das beige Kostüm mit passenden Pumps an, raste die Treppe runter, schmiß mich ins Auto und fuhr nach Eppendorf. Verdammt! An der Parklücke bist du vorbeigefahren, Melanie! Rückwärts zu fahren geht in dieser vielbefahrenen Straße nicht, also einmal um den Block. Ich fand einen Parkplatz ziemlich weit vom Café entfernt und parkte ein — man konnte ja nicht wissen, ob näher am Café noch was frei war! Ich raffte mein Handtäschchen und eilte zum Café, und als ich um die Ecke kam, sah ich, wie ein großer weißer Mercedes in die Lücke einparkte, an der ich vorbeigefahren war.

Dann sah ich, wie dem Wagen ein mittelalterlicher Herr entstieg, auf den die Beschreibung paßte, die Herr Schröder von sich gegeben hatte. Der Herr bückte sich noch einmal und holte etwas Kleines, Weißes aus dem Wagen — eine Blume oder so was. Ich versuchte mich in einem Hauseingang zu verstecken, aber der Herr hatte mich beim Umherblicken schon gesehen, die Beschreibung, die ich von mir gegeben hatte, mit mir verglichen — und sein Gesicht strahlte, er eilte auf mich zu und sagte:

„Entschuldigen Sie, sind Sie Frau Knaack?“

„Ja, die bin ich — und Sie sind Herr Schröder?“

„Sie haben es erraten! Kommen Sie auch erst jetzt?“

„Was heißt ,erst jetzt`? Es ist erst drei Minuten vor fünf.

— Ich steh da hinten, weil ich genau an der Parklücke vorbeigefahren bin, wo Sie jetzt stehen. „

„Das tut mit aber furchtbar leid, Frau Knaack, das konnte ich doch nicht wissen, entschuldigen Sie bitte vielmals! Sehen Sie, das machen wir so: Ich setz mich in den Wagen, Sie kommen her und geben mir ein Zeichen, ich fahr raus, sie rein in die Lücke und ich such mir einen anderen Parkplatz — und wenn es in Groß Borstel ist, nehm ich mir ein Taxi!“

„Das ist ganz lieb von Ihnen, daß Sie das vorschlagen — aber das ist doch wirklich nicht nötig — ich brauch von hier höchstens zwei Minuten zu meinem Auto — man sieht es ja von hier — das rote da hinten! Gehen wir doch lieber ins Café!“

Wir setzten uns an einen leeren Tisch im Hintergrund, und als erstes winkte Herr Schröder eine Kellnerin herbei:

„Bringen Sie doch bitte eine kleine Vase mit Wasser!“

Und zu mir:

„Ich hab Ihnen hier zur Begrüßung diese Rose mitgebracht — aus dem Garten bei meinem Haus — eine wilde Rose, die gefallen mir besser als die gezüchteten.

„Danke, Herr Schröder, da haben sie sehr genau meinen Geschmack getroffen!“

„Und was sollen wir jetzt bestellen?“, fragte Herr Schröder.

„Ich schlage vor: Zitronenomelett, das ist deren Spezialität hier, solange ich denken kann. „

„Kennen Sie das?“

„Seit ich ein Kind bin. „

„Ich auch — ich bin hier in der Nähe großgeworden. — Und was sollen wir trinken: Tee oder Kaffee?“

„Erst einmal Kaffee und später vielleich noch ein Gläschen Samos — ich bin ein süßer Typ — verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich meine, beim Essen!“

„Ich verstehe Sie schon nicht falsch, Frau Knaack — und Sie haben auch, wie ich sehe, überhaupt keine Probleme mit Ihrer Figur — anders als ich, ich bin nämlich auch von der süßen Truppe — aber was soll's: Genießen wir unser Zitronenomelett und den Samos, was soll das schlechte Leben nützen?!“

Die Kellnerin kam, nahm die Bestellung auf und fragte zuerst mich:

„Tasse oder Kännchen?“

„Bitte für mich ein Kännchen — ich hab ziemlichen Durst!“

„Für mich bitte auch“, sagte Herr Schröder.

Als die Kellnerin gegangen war, setzte Herr Schröder eine ernstere Miene auf und sagte:

„So, und nun zum Geschäftlichen!“

Ich sah Herrn Schröder entgeistert an, und er sagte:

„Entschuldigen Sie bitte, Frau Knaack, ich mache oft so Bemerkungen, die die Leute vor den Kopf stoßen, besonders wenn ich meine Gefühle verbergen will. „

„Wieder eine Gemeinsamkeit: Ich mache auch gern solche Art Sprüche — und welche Gefühle wollten Sie eben verbergen, Sie Supergeschäftsmann?“

„Daß ich Sie getroffen hab! Sie müssen wissen, ich hab mich in den Wochen seit der Anzeige ja mit manchen Damen getroffen — man soll es von Frauen ja nicht sagen, aber es war viel Schrott dabei — ich hätte wohl nichts von der Zärtlichkeit schreiben sollen — darauf sind viele abgefahren und hatten es wohl auf mein gutes Gehalt abgesehen — und die meisten von den Kandidatinnen hatten wohl auch gedacht, wir hören uns dabei romantisch murmelnde Bäche an.

„Waren denn überhaupt keine Damen dabei, die irgendwie in Frage kamen? Ich meine — Ihre Anzeige war doch so schön formuliert — Zärtlichkeit an murmelnden Bächen — darauf muß man erstmal kommen!“

„Das ist lieb, wie Sie das sagen — von den zwei ernsthaften wollte eine erst einmal ihre Scheidung durchziehen, und die andere war ganz lieb, aber recht doof — entschuldigen Sie. „

„Sie müssen sich doch bei mir nicht dafür entschuldigen, wenn Sie Ihre Kandidatinnen wahrheitsgemäß beurteilen! — Und Sie suchen eine Partnerin, mit der Sie Bach hören wollen.

Verstehen Sie überhaupt etwas von Bach? Kleiner Test: In welchen Tonarten stehen die Orchstersuiten?“

„Zweimal C-Dur, D-Dur, h-moll — wunderbare Stücke!“

„Und wie sind Sie zu Bachs Musik gekommen?“

„Als Junge haben mich meine Eltern mit manchem ,gequält`, unter anderem auch mit Klavierstunden. Damals fand ich das blöd und hab nie richtig geübt. Als ich einsah, daß das ein dummer Fehler war, war es zu spät, ich war schon im Beruf — Maschinenbauingenieur, sagte ich noch gar nicht — aber die Kombination Ingenieur–Mathematik–Bachs Musik ist, glaub ich, gar nicht so selten.

Der beste Musiklehrer an unserer Schule gab auch Mathematik. — Und wie war es bei Ihnen?“

„Durch meinen Vater. Der konnte auch Orgel spielen und hat manchmal in unserer Gemeinde im Gottesdienst ,geörgelt`, wie man hier im Norden manchmal sagt. Ich hatte auch Klavierunterricht, und durch meinen Vater bin ich vor allem auf die alte Musik gekommen. Und dann — um es gleich zu sagen — ein Tief bei der Klassik, ich mag dann wieder mehr die Romantik — vor allem Schubert und Brahms — und dann manche der Modernen: Bartók, Krenek, Hindemith, Ligeti, … — jetzt hab ich mich ziemlich geoutet –„

„Haben Sie vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Offenheit — also Sie haben gefragt, was ich suche, und Sie haben natürlich einen Anspruch, von mir sozusagen ,alles` zu erfahren.

Sie müssen wissen: Ich hab meine Frau vor eineinhalb Jahren durch einen Unfall verloren — und ich will nicht den Rest meines Lebens allein leben — das ist auch im Sinne meiner Frau. „

„Haben Sie über so was gesprochen?“

„Ja, das haben wir. Ganz am Anfang unserer Ehe, als wir noch frisch verliebt waren, hat meine Frau einmal gesagt: ,Waldemar`, hat sie gesagt, ,wenn ich mal nicht mehr sein sollte, dann such dir eine andere liebe Frau, damit du nicht allein bist.

Versprichst du mir das?` Und ich hab ihr das versprochen. „

„Und Sie wünschen eine Verbindung für immer — eine Ehe?“

„Ich wünsche mir das, aber ich weiß auch, daß so ein Wunsch nicht unbedingt in Erfüllung gehen muß. Ich weiß auch, daß man sich heute oft eine lange Zeit prüft, ob man zueinander paßt, daß man oft — ja fast normalerweise — erst einmal eine Ehe auf Probe führt, ohne Trauschein — meine Tochter macht das ja auch gerade — und mein nicht angeheirateter Schwiegersohn ist ein ganz lieber Kerl — wir verstehen uns blendend — also, kurz gesagt, ich bin für alles offen und für jede menschliche Nähe dankbar.

„Es soll aber auch die Intimität nicht fehlen?“

„Wir sind doch erwachsene Menschen –„

„Das sag ich sonst immer!“

„Sehen Sie! Und als erwachsene Menschen wissen wir doch, daß sich in jeder Beziehung unter erwachsenen Menschen recht bald die Frage der Intimität stellt — und daß diese Frage meist mit ,ja` beantwortet wird. Ja: Ich wünsche mir auch nach einer angemessenen Prüfungszeit eine zarte Intimität, wie ich es ja auch in der Anzeige geschrieben habe — nicht nur intime Zärtlichkeit — wenn Sie verstehen, was ich meine.

„Danke dafür, wie Sie mir das erklärt haben — jetzt ist mir klar, warum Sie ,zarte Intimität` und nicht ,intime Zärtlichkeit` geschrieben haben. — Wollen Sie mir noch etwas von Ihrer Frau erzählen — ich sollte ja wissen, an wem ich gemessen werde. „

„Ich erzähle Ihnen gern von meiner Frau — aber ich habe nicht vor, eine etwaige Partnerin an meiner Frau zu messen — ich weiß auch, daß alle Menschen verschieden sind — ich bin jetzt auch verschieden von dem Waldemar Schröder vor zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren.

„Sie suchen also menschliche Nähe, möglichst mit einem weiblichen Wesen, das auch zu ,zarter Intimität` geneigt ist, und Sie suchen kein kurzes Abenteuer. „

„So könnte man das ausdrücken. — Ich hoffe, ich trete ihnen mit diesen Wünschen nicht zu nahe. „

„Nein, das tun Sie nicht, Herr Schröder! — Genehmigen wir uns noch ein Stück Kuchen?“

„Gern!“

„Dann bringen Sie uns noch ein Éclair“, sagte ich zur Kellnerin, „und auch noch eine Crèmeschnitte — Sie auch, Herr Schröder?“

„Ja, bitte für mich dasselbe! — Wollen Sie nicht auch etwas mehr von sich erzählen, Frau Knaack? Was suchen Sie?“

„Ich — ich such eigentlich auch — wie jeder Mensch — mein ganzes Leben lang menschliche Nähe.

Und hab sie bisher auch nur selten vermissen müssen. Allerdings war ich nicht sehr stetig in meinen Beziehungen — und ich hatte viele Beziehungen. Das ist meine Vergangenheit, daran kann ich nichts ändern. Würde Sie das stören?“

„Nein, das würde mich nicht stören!“

„Bestimmt nicht?“

„Nein, Frau Knaack: bestimmt nicht. Ich habe nicht das Recht, über Ihr Leben zu urteilen, auch dann nicht, wenn wir uns näher kennenlernen sollten — was ich sehr hoffe.

Wenn da Punkte in Ihrem Leben sein sollten, bei denen ich versucht wäre zu sagen, das hätten Sie nicht machen sollen — dann haben Sie es sich sicher schon selber gesagt. „

„Da haben Sie sicher recht. „

„Wollen Sie nicht ein bißchen erzählen, was Sie damit meinen — ,viele Beziehungen`? Sie sollen mir keine Einzelheiten erzählen — nur ganz summarisch, wie Sie Ihre Beziehungskisten aufeinandergestapelt haben. „

„Das haben Sie schön gesagt! — Aber nur, wenn Sie dasselbe auch von sich erzählen.

„Natürlich tue ich das! Soll ich anfangen?“

„Ja — aber ich fang schon an. Ich hab meine Beziehungskisten wirklich teilweise aufeinander gestapelt und nicht einfach nebeneinander gestellt und nacheinander aufgemacht. — Mit zwanzig hab ich geheiratet –„

„Also praktisch von der Schulbank weg?“

„Nach dem zweiten Semester. Und sechs Jahre später begann mein unstetes Leben, als ich gemerkt hatte, daß sich mein Mann Freundinnen hält.

Den ersten außerehelichen Freund hab ich selbst verführt — aus Rache — bei den nächsten Beziehungen hab ich nicht ,nein` gesagt, als es sich zu Intimitäten entwickelte, und allmählich wurde es zur Gewohnheit, daß ich Freunde hatte, mit denen ich fremdging –„

„Und Ihr Mann hat nichts gemerkt?“

„Ich weiß bis heute nicht, wann mein Mann etwas gemerkt hat — geredet darüber hat er erst, als wir uns scheiden ließen, und da auch ohne Vorwürfe.

Scheiden lassen haben wir uns auch nicht wegen unserer ehelichen Verfehlungen, sondern weil mein Mann nach Sachsen versetzt wurde und ich meine Stelle behalten wollte. Wir haben uns, wie man so sagt, in Freundschaft getrennt. Und danach habe ich meine Freiheit genossen, aber um genau zu sein: Es war nicht viel anders als während der letzten Jahre meiner Ehe. — Ich hab übrigens angefangen, damit ich mir selbst darüber klar werde, wie das alles gekommen ist, Erinnerungen über mein Liebesleben aufzuschreiben.

Wenn wir uns näher kennenlernen, geb ich es Ihnen mal zu lesen. — Das war's in großen Zügen, und wie war's bei Ihnen?“

„Ach, ich hatte kein ganz so bewegtes leben — aber ein Mönch war ich auch nicht! Ich hab mit vierundzwanzig — im letzten Studienjahr — geheiratet, ein Jahr darauf kam unsere Tochter. Im fünften Jahr meine Ehe hatte ich eine heftige Affäre mit einer jungen, auch verheirateten Frau — wie das kam, kann ich auch einmal erzählen — meine Frau hat es gemerkt und still gelitten, wie sie später sagte, in der Gewißheit, daß ich bald zurückkommen würde — und so war es: Nach eineinhalb Monaten, nach der zweiten Zwangspause wegen der Tage meiner Freundin, haben wir uns zwar noch getroffen, aber nicht mehr intim — die Vernunft siegt doch manchmal — und sonst war ich manchmal auf Dienstreisen in einem Club, aber nicht sehr oft — und auch, nachdem ich verwitwet war, hatte ich einmal gedacht, ich hätte eine passende Partnerin gefunden und eine wiederum heftige Affäre mit ihr, aber das ist dann auch auseinandergegangen –„

„Und Clubs?“

„Nachdem meine Frau gestorben ist, manchmal — genauer gesagt: ziemlich oft — man hat ja als Mann –„

“ — so seine Bedürfnisse.

Das hab ich schon oft gehört — aber so ist es ja auch. Da erhebt sich natürlich die Frage, wie Sie sich in unserem Alter eine Partnerschaft vorstellen — ich könnte zum Beispiel eigentlich noch ein Kind bekommen, hab das aber eigentlich nicht mehr geplant — es soll ja auch bei Frauen meines Alters oft zu behinderten Kindern kommen. „

„Ich hab eigentlich auch nicht mehr an Kinder gedacht — und eine Partnerschaft — also, schwören, daß ich nie mehr das Prickeln einer, sagen wir, Kurzaffäre erleben möchte, das könnte ich nicht — also eine gewisse Offenheit –„

„– eine gewisse Offenheit — männliche Bedürfnisse — Clubbesuche — ich, gerade ich, hab eigentlich keinen Grund, allzu sehr dagegen zu sein –„

„Ich war ja auch meiner Frau im Großen und ganzen treu — würde ich sagen –„

„Ich auch — jedenfalls treuer als ich.

„Und wie würden Sie sich ein Leben zusammen vorstellen?“

„Ich würde wohl auf meine alten Tage das Fremdgehen und die Zahl meiner Liebhaber sehr einschränken — allerdings wäre da eines –„

„Und das wäre?“

„– um was ich meinen Lebenspartner doch bitten würde: mein Jugendfreund Peter, mit dem ich bis vor meiner Heirat zusammen war — der hat mich in den zwanzig Jahren danach noch dreimal besucht, einmal — nein: zweimal –, als ich noch verheiratet war — und beide Male haben haben wir schöne Tage — und das dritte Mal auch Nächte — zusammen verbracht.

Da würde ich meinen Lebenspartner bitten, zu gestatten, daß ich bei zukünftigen Besuchen auch wieder einige Nächte mit ihm verbringen darf –„

„Sie haben aber Wünsche –„

„Ist das so ungewöhnlich? Ich will auch in einer neuen Partnerschaft nicht mit meinem ganzen Vorleben brechen! — Und wie ist es bei Ihnen mit Jugendfreundschaften?“

„Ja, da ist meine erste große Liebe — noch aus der Schulzeit — gerade als wir –„

„– als Sie sich nähergekommen sind?“

„Ja“, antwortet Herr Schröder kaum hörbar.

„Haben Sie mal versucht, mit der Dame wieder Kontakt aufzunehmen?“

„Nein, das hab ich nie. „

„Dann suchen Sie sie doch mal, zum Beispiel im Internet. Auch ich hab da noch einem Jugendfreund, mit dem es auch nichts geworden ist — den müßte ich auch mal wieder ausfindig machen. Das sind doch unsere schönsten Erinnerungen!“

„Sie würden mir also erlauben, wieder Kontakt mit Conny — so heißt meine Jugendfreundin — aufzunehmen?“

„Wenn Sie mir erlauben, wieder Kontakt mit Rolf aufzunehmen, mit Peter auch — ich sagte es ja schon.

„Natürlich — Sie sind sehr großzügig. „

„Das muß man doch — wir waren uns doch einig: Wir sind doch erwachsene Menschen — und so auseinandergegangene Jugendlieben — das beschäftigt einen doch das ganze Leben — das kenne ich doch auch. — Und nun, glaube ich, haben wir erst einmal genug über die ,zarte Intimität` geredet, kommen wir mal zur Musik. Ich hab da einen Vorschlag: Treffen wir uns nicht am Freitag in der Wellingsbütteler Kirche, da wird die Kunst der Fuge gespielt mit verschiedenen Besetzungen — hätten Sie Lust?“

„Ja, das ist eine gute Idee! Und ich muß Ihnen noch einmal sehr für Ihre Offenheit danken –„

„Ich Ihnen auch, Herr Schröder — und da ist noch etwas, was ich Ihnen gleich sagen sollte — vielleicht ist es dann ja auch gleich wieder aus zwischen uns.

„Und was sollte das sein, Frau Knaack?“

„Ich habe das eigentlich nie so am Anfang einer Bekanntschaft gesagt, aber das letzte Mal bin ich damit böse reingefallen. Also: Ich hatte nicht nur recht viele Liebhaber, sondern hab auch einmal fast fünf Monate in einer Sauna gearbeitet. „

„Als Animierdame — oder –„

„Genau: Es war ein als Saunaclub getarnter Edelpuff — wirklich edel — und ich war in diesen fünf Monaten für drei Tage in der Woche eine der Mädchen, die die Kunden sich aussuchen konnten.

„Haben Sie das aus Not getan?“

„Nicht eigentlich — ich bin für meine Cousine eingesprungen, die sich den Fuß gebrochen hatte und ihrerseits das aus Not machte — und, ehrlich gesagt, ich war auch etwas neugierig — meinen Freunden mußte ich ja jedes Wort über das Gewerbe einzeln aus der Nase ziehen. „

„Und fühlten Sie sich da nicht als Sexobjekt mißbraucht?“

„Ein bißchen schon, aber ich glaube, ich habe keine dauerhaften Schäden davongetragen, weder psychisch noch physisch.

Schlimmer war das mit dem Nur-Objekt-Sein bei einem Segeltörn, an dem ich nach der Sauna teilgenommen habe — eigentlich eine vierzehntägige Dauerorgie mit vier Männern und fünf Frauen — ich hatte mir das so dauergeil nicht vorgestellt und mitgemacht, weil ich nach der Sauna auf einen Segelurlaub hoffte. Ist es aber nicht so, Herr Schröder, daß wir Frauen in unserer Gesellschaft in fast jeder kurzen oder langen Beziehung auch Sexobjekt sind — mal sind wir Subjekt, sehr oft sind wir Objekt, auch in einer guten Partnerschaft — wer will das auseinanderhalten — ich kann damit leben.

„Und ich kann stolz sein, wenn wir zueinander finden, daß Sie mich unter Ihren vielen Liebhabern und ich weiß nicht wievielen Saunakunden als Partner wählen — wenn –„

„Ich finde das schön, wie Sie mir das sagen — so schön hat mir das noch kein Freund nach meiner Saunazeit gesagt, auch Peter nicht. — Wollen wir nicht noch das Glas Samos bestellen?“

„Ja, tun wir das!“

Als der Samos serviert worden war, stieß ich mit Herrn Schröder an und sagte:

„Auf unsere Freundschaft!“

„– unsere Freundschaft?“

„Ja, Herr Schröder: Wir haben hier und heute den ersten Tag einer Freundschaft erlebt — wir sind doch keine Feinde, oder? Und es sieht mir nicht so aus, als ob dies der einzige solche Tag bleiben würde — zumindest zu einem zweiten haben wir uns ja schon verabredet — nächstens in Wellingsbüttel bei der Kunst der Fuge!“

Nachdem wir den Wein ausgetrunken hatten, verabschiedeten wir uns züchtig und wünschten uns alles Gute bis Wellingsbüttel.

Zu Hause angekommen rief ich gleich Trudi an. Ich erzähle lieber dann, wenn mir danach ist, als daß ich ausgefragt werde.

„Wie war es? Wie war er?“, fragte Trudi gleich.

„Es ist ein sympathischer Herr von neunundvierzig Jahren, wie ich richtig geschätzt habe, und wir haben uns in großen Zügen unser Leben erzählt. „

„Auch Intimes?“

„Andeutungsweise — das heißt doch ziemlich ausführlich — ich hab auch die Sauna erwähnt –„

„Bist du wahnsinnig? Glaubst du, der Bach-Freund will mit einer Sauna-Dame anbandeln?“

„Dieser Bach-Freund hat mir diesen Teil meines Vorlebens mit noch netteren Worten verziehen als zum Beispiel Peter.

Ich wollte nicht wieder so was erleben wie mit Martin — darum hab ich mir vorgenommen, das allen etwaigen Freunden schon gleich am Anfang zu sagen. „

„Na, ich weiß nicht — aber wenn es diesmal gutgegangen ist. Habt ihr euch wieder verabredet?“

„Ja, Freitag in der Wellingsbütteler Kirche bei der Kunst der Fuge. „

„Willst du nicht noch ein wenig zu mir kommen, dann können wir noch etwas weiterschnacken?“

„Nein, laß mal heute, ich will nach diesem Treffen etwas allein sein — ein andermal!“

„Es ist nämlich wieder –„

„Na, was denn, Trudi?“

„Bernd ist noch nicht zurück — ich glaub, er hat wieder was mit einem seiner Modelle.

„Das kennen wir doch bei ihm — und er ist doch immer wieder zu dir zurückgekommen — er ist doch noch nie eine ganze Nacht weggeblieben?“

„Nein, das ist er nie. „

„Na, dann wird er auch an diesem Abend nach Hause kommen — siehst du — hörst du — ich höre es ja bis hier — da geht die Tür bei dir! — Also dann: tschüs!“

Die zwei Tage bis Freitag waren wieder einmal von der Art, wo ich mich nur mühsam auf meinen Dienst und das allernötigste Einkaufen konzentrieren konnte.

Eine Einladung von meiner Mutter zu einem Kaffee mit Tante Klara konnte ich abwimmeln. Am Freitag kam ich gerade noch rechtzeitig zu dem Konzert und sah gleich: kein weißer Mercedes auf dem Parkplatz. Hatte mich Herr Schröder schon bei der zweiten Verabredung hängen lassen?

Nein, er hatte nicht! Er wartete hinter dem Eingang auf mich, und während wir einen Platz suchten und uns setzten, erklärte er mir:

„Ich bin heute mit meinen kleinen Auto hier, der große ist ein Firmenwagen, den ich auch privat nutzen darf, aber deswegen muß ich jeden Kilometer aufschreiben — nicht gerade ,Treffen mit Frau Knaack`, aber trotzdem.

Außerdem ist der kleine leichter zu parken. „

Bei den letzten Worten begann schon die Musik, eine Aufführung der Kunst der Fuge mit verschiedenen Instrumenten und Gruppierungen: Cembalo oder Orgel solo, Streichquartett, auch einige Fugen gemischt mit Cembalo und Orgel, je zwei Stimmen auf jedem Instrument. Wie immer, wenn ich gute Musik höre, besonders Bach, kamen mir die Tränen, vor allem im Choral „Wenn wir in höchsten Nöten sein“, der meist nach der unvollendeten letzten Fuge gespielt wird, obwohl er eigentlich nicht zur Kunst der Fuge gehört.

Beim zweiten Mal, als Herr Schröder das merkte, nahm er zart meine Hand in seine.

Nach dem Konzert fragte Herr Schröder:

„Setzen wir uns noch etwas zusammen, zum Beispiel bei Remmel?“

„Ja, sehr schön — Sie wissen, wo das ist?“

„Ja, natürlich! Wir treffen uns dann gleich da auf dem Parkplatz. „

Bei Remmel bestellten wir uns etwas Leichtes zum Essen und sprachen über das Konzert.

Uns beiden hatte die Kombination des Cembalos mit der Orgel nicht gut gefallen, denn die Orgel übertönte das Cembalo völlig, so daß man eigentlich nur zwei Stimmen hörte: den Alt und den Baß, was ja dann sehr unvollständig klingt.

„Ihnen geht diese Musik sehr nahe“, fragte Herr Schröder schließlich.

„Ja, seit ich zum ersten Mal den Klavierauszug der Kunst der Fuge entziffert habe, kommen mir bei diesem letzten Werk noch immer die Tränen.

Und da ist noch etwas: Als mein Vater gestorben ist, hab ich mich mit unserem Pastor gestritten: Ich wollte unbedingt, daß dieser letzte Choral gesungen wird, und zwar mit dem anderen Text: „Vor deinen Thron tret ich hiermit“, aber der Pastor sagte, das gehe nicht, das Lied stehe nicht mehr im Gesangbuch. Ich hab mich aber durchgesetzt, hatte auch den Organisten auf meiner Seite, und so haben wir auf der Beerdigung dieses Lied gesungen, und der Organist hat dieses Choralvorspiel gespielt.

Es paßt ja auch hierher, denn Bach hat es auch in seinen letzten Tagen komponiert. „

„Das ist eine schöne Idee, auf die Sie da gekommen sind — darauf hätte ich bei der Beerdigung meiner Frau auch kommen können. „

„Haben Sie in jedem Fall Dank, daß Sie mir die Hand gehalten haben“, und ich fuhr in dieser weichen Stimmung fort: „Sie sind zwar der etwas ältere, aber ich bin eine Frau — wollen wir uns nicht über Bachs letztem Choral duzen?“

„Das würde mich sehr freuen, Frau Knaack — Melanie — vielen, vielen Dank –„

„Im Sinne von menschlicher Nähe, wie Du sagtest! Mit was wollen wir anstoßen?“

„Das ist doch eine heidnische Sitte und paßt jetzt nicht hierher.

Ich meine, wir als ,erwachsene Menschen` können uns doch auch ohne Alkohol duzen. „

„Aber mir wäre es jetzt nach einem Gläschen, sagen wir Kaiserstühler — machst du nicht mit?“

„Mit einem Gläschen, ja!“, sagte Waldemar und bestellte uns die Gläser Ihringer.

„Ich muß Dir übrigens bei dieser Gelegenheit beichten: Ich hab mich mit falschem Namen vorgestellt: Ich heiße gar nicht Melanie, sondern eigentlich Kerstin — aber seit meinen Schülerinnentagen, seit wir das Wort ,melas` ,schwarz` gelernt haben, nennen mich alle Melanie außer meiner Mutter, wenn es ernst wird.

„So was gibt es doch in jeder Familie: Ich hab einen Vetter, der heißt Peter, wird aber, seit ich denken kann, Jens genannt — ich glaube, niemand weiß mehr warum!“

Nachdem wir auf das „Du“ angestoßen hatten, fragte ich Waldemar:

„Wie hast du eigentlich deine Frau verloren, oder willst du nicht darüber sprechen?“

„Durch einen Unfall. Sie ist unachtsam auf die Straße getreten, und der Audifahrer hat beim Abbiegen nicht auf sie geachtet und sie so unglücklich angefahren, daß sie noch am Abend an inneren Blutungen gestorben ist.

„Konntest du noch mit ihr sprechen?“

„Ja und nein. Sie war bei Bewußtsein und eigentlich auch in guter Stimmung, aber sehr schwach — ich hab nicht alles verstanden, was sie gesagt hat, aber unter anderem das: ,Es wird schon wieder!`“

Jetzt kamen Waldemar die Tränen. Ich nahm seine Hand und sagte:

„Du mußt nicht weiter reden. Wir können ja auch ein andermal mehr über deine Frau sprechen.

Wir tranken schweigend unseren Wein, und schließlich fragte Waldemar:

„Und wo gehen wir das nächste Mal hin?“

„Ich schlage vor: Am Sonntag ist in der katholischen Kirche auf Sankt Georg ein Bach-Orgelkonzert. „

„Und ich weiß, daß in Jork im Alten Land ein Kirchenkonzert mit verschiedenen alten und moderneren Komponisten gegeben wird. Ich schlage vor: Bei gutem Wetter Jork, bei schlechtem Sankt Georg! In Jork können wir auch davor oder danach unter den Obstbäumen spazieren.

„Okay, Waldemar — telephonieren wir vorher?“

„Ja, aber sollen wir uns nicht vorher treffen und mit nur einem Auto fahren?“

„Ich weiß nicht, ob das klappt, ich müßte zum Mittagessen meine Mutter besuchen, und ich weiß nicht, wie lange das dauert. Ich geb dir ihre Nummer, dann kannst du auch da anrufen, und wir können das Weitere besprechen. „

Eigentlich war das aber eine Notlüge.

Ich hätte wirklich mit meiner Mutter zu Mittag essen sollen, aber ich wollte es in diesem frühen Zustand meiner Beziehung zu Waldemar nicht provozieren, daß einer den anderen nach Hause fährt und es dann schon nach weniger als einer Woche zu einem Wohnungsbesuch kommt. Wie bei allen meinen wichtigen Beziehungen, wie zum Beispiel mit Dieter, zögerte ich die Schritte des Kennenlernens eher hinaus. Ich hätte mich, gleich nachdem ich das Waldemar gesagt hatte, dafür ohrfeigen mögen.

Aber so trafen wir uns am Sonntag nachmittag an der Jorker Kirche, denn es war strahlendes Wetter. Das Konzert war nicht sehr doll, viel schöner der Spaziergang danach. Wir gingen auf dem weichen Gras unter den Obstbäumen einer Bauernfamilie, die ich kannte und von der ich immer wieder Obst kaufte, ich hatte ein luftiges Sommerkleid an, Waldemar einen eleganten hellen Anzug, und nach gar nicht langer Zeit fanden sich unsere Hände, und wir gingen händchenhaltend weiter.

Wir sprachen wieder über unser Vorleben, und irgendwann sagte Waldemar:

„Ich wollte dir nur noch einmal sagen, Melanie, daß Deine Saunazeit — wie soll ich es ausdrücken — also — die will ich dir überhaupt nicht ankreiden –„

Statt einer Antwort gab ich Waldemar nur einen spontanen Kuß auf die Stirn.

„Und wie ist deine Cousine zu dem Job gekommen — wenn ich das fragen darf.

„Ihr Männer wollt auf dem Gebiet auch alles wissen! — Gudrun hat mit ihrem Ex-Mann ziemlich unüberlegt ein Haus gekauft und dann erst gemerkt, was er für ein Ekel ist. Bei der Scheidung konnte sie immerhin das Haus behalten, mußte aber ihren Ex auszahlen. Und da fand Gudrun, es sei am einfachsten, sich etwas zurückzulegen — kennst du dieses Bonmot?“

„Mit ,sich zurücklegen`?“

„Ja!“

„Nein!“

„Fragt die Bardame ihren gutbetuchten Gast: ,Wie bist du denn so reich geworden?` ,Ich hab gut verdient und dabei etwas zurückgelegt.

` ,Und ich hab mich etwas zurückgelegt und dabei gut verdient. ` — Also, Gudrun ist wohl durch eine Ex-Kollegin auf die Idee gekommen, man könne so leicht ganz gut verdienen. Dann hat sie eine Zeit mit dieser Dame in einer Wohnung ,gearbeitet` und ist dann in diesem Saunaclub angekommen. „

„Wie ging das so zu in diesem Club?“

„Das hab ich alles für mich aufgeschrieben. Wenn wir uns näher kennenlernen, kannst du das einmal lesen.

Reden wir doch nicht hier in der schönen Natur immer wieder von dem Club! Ich hab das nicht in allzu schlechter Erinnerung, möchte aber auch nicht immer darüber reden. — Sag mal, wann treffen wir uns wieder? Nächsten Mittwoch ist ein interessantes Debutkonzert junger PianistInnen im Konservatorium. Wollen wir da nicht hingehen?“

„Das ist ganz blöd: Wir haben die ganze nächste Woche auswärtige Gäste in der Firma, die ich auch betreuen muß inclusive Abendessen.

Ich könnte erst wieder nächsten Samstag. „

„Na, dann sehen wir, was wir dann machen! Wir telephonieren! Essen wir in dem Restaurant am Deich noch ein Eis — oder essen zu Abend?“

„Nur ein Eis! Ich muß dann noch zu meiner Schwester fahren, die hat meine Anzüge für nächste Woche gebügelt, und bei denen werde ich wohl auch zu Abend essen. „

Wir waren inzwischen beim Restaurant angekommen uns setzten uns auf die Terrasse.

Ich fragte Waldemar:

„Von deiner Schwester hast du noch gar nichts gesagt!“

„Marianne, in der Familie immer noch Mausi genannt, eineinhalb Jahre älter als ich, geschieden, lebt seit langem mit ihrem Freund Heiner zusammen, Marianne ist begeisterte Chefbuchhalterin, Heiner Sozialpädagoge — du wirst sie bei Gelegenheit kennenlernen. Seit meine Frau gestorben ist, hilft sie mir bei anspruchsvolleren Sachen wie Anzüge bügeln. Könntest du so was auch?“

„Zur Not ja.

Aber nicht gut, und eigentlich hasse ich so was. Die Anzüge von Dieter, meinem Exmann, hab ich meistens zum Aufbügeln getragen, und mit meinen Kleidern mach ich das auch so — allerdings hab ich in der letzten Zeit meinem Bruder Hans mit seinen Sachen geholfen. — Wie hieß eigentlich deine Frau?“

„Anne. — So, Melanie, ich sollte jetzt losfahren, Marianne erwartet mich in zwanzig Minuten — sie ist streng, auch mit mir — aber eine ganz liebe — das merken nur viele nicht gleich! — Wir telephonieren!“

„Noch eine Frage, wo wir dabei sind: Hast du noch mehr Geschwister, und leben deine Eltern noch?“

„Eltern hab ich nicht mehr, aber noch einen fünf Jahre älteren Bruder, Kasimir — die Mutter meines Vaters war Polin — der ist in Frankreich und Professor für deutsche Sprache und Literatur in Montpellier — der wird sich für dich interessieren — nicht so, sondern fachlich! — darf ich ihm von dir schreiben?“

„Ja, natürlich — nochmal tschüs!“

Ich blieb noch etwas sitzen und schmiedete Pläne — erst einmal nur Ausgeh-Pläne! Donnerstag mußte ich also allein zu dem Konservatoriums-Konzert gehen oder mir einen anderen Begleiter oder — wahrscheinlich — Begleiterin suchen, ich würde eine Musiklehrerin an meiner Schule fragen — aber am Sonntag war in der Musikhalle ein Klavierkonzert mit Werken unter anderem von Beethoven und Bartók — ich wollte einfach zwei Karten besorgen und hoffen, daß Waldemar mitkommt.

Für das Klavierkonzert bekam ich noch gute Plätze. In das Konzert im Konservatorium ging ich allein, da meine Kollegin keine Zeit hatte, und lehnte auch nach dem Konzert die abschlepp-artige Einladung zu einem Gläschen Wein eines Ex-Kollegen ab, der von früher Anderes von mir gewohnt war.

Als ich wieder zu Hause war, rief ich Waldemar an — keine Antwort. Das wiederholte ich etwa alle halbe Stunde bis um ein Uhr nachts, da meldete sich Waldemar.

„Hallo Waldemar, hier ist Melanie. Na, wie war's?“

„Anstrengend und langweilig. Und bei dir?“

„Bei dem Konzert hast du was versäumt. Solche Konzerte sind eigentlich immer viel interessanter als die großer Pianisten. Aber ich hab da was für dich, rat mal was!“

„Woher weißt du — aber was soll ich raten — ein Buch — ein neues Hütchen zum Spazierengehen — mein altes von Sonntag ist ja schon ziemlich hinüber –„

„Auf dein Hütchen hab ich am Sonntag am allerwenigsten geachtet — nein, du rätst es wahrscheinlich nie — es ist auch extrem schwierig: Ich hab uns zwei Karten für das Konzert am Sonntag in der Musikhalle besorgt — du kommst doch mit — es gibt Beethoven und Bartók und noch was — ich weiß gar nicht mehr was — ein kurzes Stück, damit man zwei Stunden Musik für sein Geld bekommt.

„Ja, das ist eine sehr gute Idee — ich komme gern!“

„Das ist ja schön — aber was hast du gemeint mit ,woher wußtest du`?“

„Ich dachte, du hättest herausbekommen, daß ich am Montag Geburtstag hab, und du hättest dafür etwas für mich — dann kann ich dich ja gleich für Montag abend einladen. „

„Danke! — Es ist doch nicht etwa der fünfzigste?“

„Nein, das ist nächstes Jahr, erst 7 mal 7 — wie diese Sexführer!“

„Du wirst frech, mein Lieber — ihr habt wohl einiges getrunken — diese Sexführer heißen übrigens nicht 7 mal 7, sondern von 7 bis 7, aber was macht das für ein Unterschied! — Also nochmal vielen, vielen Dank für die Einladung — und wünscht du dir was Besonderes?“

„Nein! Bring nur gute Laune mit!“

„Ich werde mir Mühe geben! — Gute Nacht, schlaf schön!“

„Danke, du auch — tschüs! Dann kannst du auch Marianne und Heiner kennenlernen.

„Ich freu mich! Dann nochmal tschüs, aber wir sehen uns ja noch am Sonntag. „

Da ich allmählich das deutliche Gefühl bekam, daß es mit Waldemar etwas Längeres und Ernsteres werden würde, wurde ich unsicher in der Kleiderfrage. Und so rief ich Waldemar am Sonntag nachmittag an:

„Hallo, Waldemar, hier Melanie. Sag mal, was ziehst du heute abend an: elegant oder sehr elegant. „

„,Elegant` genügt doch, Melanie.

Du weißt doch auch: Heutzutage kann man alles anziehen, von Jeans bis zum Frack beziegungsweise langem Kleid mit Schleppe. „

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich etwas ,sehr Elegantes` anzöge?“

„Nein, überhaupt nicht! Zöge gern etwas besonders Schönes an — ich freu mich schon darauf. „

Und so wählte ich ein langes, enges schwarzes Samtkleid, das ich wieder anziehen konnte, nachdem ich in den letzten Monaten — wohl wegen des Reinfalls mit Martin — wieder etwas abgenommen hatte.

Waldemar war etwas füher als ich — wie ich mit dem Taxi — zum Konzert gekommen, und ich traf ihn im Foyer. Auch er war ,sehr elegant` erschienen, in schwarzem Anzug mit Fliege. Wir waren schon ein Blickfang im Konzertpublikum, und mich sah auch ein Kollege — der würde mir morgen neugierige Fragen stellen, aber auch nichts weitererzählen, zu dem er nicht ausdrücklich befugt worden war.

Das Konzert war hinreißend, nur in der Pause gestand mir Waldemar, mit „so neumodischem Zeug“ wie Bartók könne er nichts anfangen.

„Daran mußt du dich gewöhnen, wenn du ab und an mit mir in ein Konzert gehen willst — und Bartók, und gerade dieses Klavierkonzert — ist nun auch nicht mehr als neumodisch zu bezeichnen — und du hast den Bartók doch noch gar nicht gehört, der kommt doch erst nach der Pause!“

„Ich weiß: Man sagt dazu ,klassische Moderne`, aber trotzdem. „

Während des Konzerts drückte ich an Stellen, die mir besonders gefielen, Waldemars Hand, um ihm das anzuzeigen.

Und er verstand mich wohl auch, denn nach dem Konzert sagte er zu mir:

„Dank deiner lieben Führung durch das Konzert hab ich das viel besser verstanden als jemals so moderne Musik. „

„Na, siehst du — du gewöhnst dich sicher auch an solche Musik!“

Wir tranken dann noch ein Gläschen Wein, aßen auch eine Kleinigkeit dazu und besprachen den morgigen Geburtstag.

„Ich feier den Geburtstag diesmal nur in kleinem Kreise, nächstes Jahr steht dann etwas ganz Großes an.

Es kommen nur Marianne und Heiner und ein Arbeitskollege mit Frau, Herr und Frau Prinz, die mir nach Annes Tod auch sehr geholfen haben. Du brauchst also keine Angst zu haben! Und wenn die gute Marianne am Anfang etwas s-trenge zu dir ist, laß dich davon nicht stören, sie ist nun mal so!“

„Wo feierst du eigentlich?“

„Na, wo wohl? In meiner Wohnung — du hast doch die Adresse?“

„Ja, die hast du mir gegeben.

Und was soll ich anziehen?“

„Also, Melanie, wirklich, du kannst doch anziehen, was du willst, du siehst immer blendend aus. Wie ich die Leute kenne, wird sich Marianne was Schönes anziehen, Heiner kommt in Freizeitlook oder sogar Räuberzivil, und die Prinzens werden normal kommen, er im sportlichen Anzug oder Rollkragenpullover und sie entsprechend. „

„Und du — was ziehst du an?“

„Das verrat ich dir heute noch nicht!“

„Badehose?“

„Möglich, aber unwahrscheinlich! Sei nicht so neugierig, Melanie! — nehmen wir zwei Taxis, oder lassen wir eines den Umweg fahren — ach, nehmen wir eins, und du steigst bei dir aus.

„Aber wie teilen wir die Fahrt?“

„Ich bezahl bei mir alles, und wir teilen dann später nach der Entfernung von hier — oder gleich halbe-halbe. „

Waldemar bestellte an der Theke das Taxi und bezahlte unsere Zeche, und als der Fahrer mich vor meinem Haus aussteigen ließ, warf Waldemar doch sehr neugierige Blicke auf das Haus, in dessen siebtem Stock meine Wohnung lag.

Zu Hause packte ich noch Lion Feuchtwangers Roman „Erfolg“, von dem ich zwei Exemplare besaß, in Geschenkpapier, überlegte acht mal hin und her und rief dann doch Waldemar noch einmal an, der inzwischen zu Hause angekommen sein mußte, wenn er nicht — noch etwas Undenkbares unternommen haben sollte! Aber Waldemar nahm ab, und ich sagte:

„Ich wollte nur sehen, ob du gut zu Hause angekommen bist.

„Bin ich, danke!“

„Und legst du dich jetzt schlafen?“

„Wo denkst du hin? Ich richte schon so viel wie möglich für morgen abend — für Marianne bleibt dann am Nachmittag noch genug zu tun. „

„Na, dann entschuldige bitte diese völlig unnötige Störung — und bis morgen Abend!“

„Störung — ich höre nur: ,Störung` — wenn du anrufst, ist das doch keine Störung! — So, jetzt muß ich weitermachen, und morgen früh um sieben raus — ich Blödmann hätte mir ja auch frei nehmen können! — Tschüs bis morgen abend!“

„Tschüs, Waldemar!“

Zum Geburtstag kam ich genau zur verabredeten Zeit in einem weißen sommerlichen Kostüm — und kam als Letzte, was mir eigentlich nicht so gefällt.

Aber die anderen kannten Waldemar ja schon viel länger, und auch Prinzens hatten ihm wohl schon geholfen, denn der lustige Herr Prinz hatte noch eine Küchenschürze um.

Eine formvollendete Vorstellung ließ Waldemar vermissen, er nuschelte nur etwas von „Frau Melanie Knaack — ihr macht euch sicher selbst miteinander bekannt!“ Das tat ich dann auch herzlich mit den „Prinzen“, wie sie sich auch selbst nannten; Marianne und Heiner werkelten im Hintergrund.

Aber sobald sie einen Arbeitsgang abgeschlossen hatte, kam Marianne auf mich zu — kurzgeschnittenes Haar, stechender Blick — aber das lag an ihrer starken Kurzsichtigen-Brille, die ja immer die Augen kleiner erscheinen läßt — strenger Gesichtsausdruck — kleine, nicht sehr schlanke, aber wohlproportionierte Figur — normaler Rock-und-Blusen-Dress.

„Du“ — du! — „bist also Waldemars neue Bekannte“, sagte sie in ziemlich strengem Ton, als sie auf mich zutrat, und musterte mich von oben bis unten — nicht wie die meisten Männer umgekehrt.

„Du heißt Melanie, sagte Waldemar? Ich bin seine Marianne, seine Schwester!“

„Werden wir gute Freunde beziehungsweise Freundinnen?“, fragte ich als Antwort.

„Das will ich doch sehr hoffen“, sagte Marianne schon in freundlicherem Ton.

„Dann heiße ich wirklich Melanie!“

Daraufhin umarmte mich die s-trenge Marianne ganz fest, und während dieser Umarmung flüsterte ich ihr ins Ohr:

„Das mit den Namen laß dir mal von Waldemar erklären!“

„Willkommen in der Familie!“, sagte Marianne, als sie die Umarmung lockerte, und als ich sie verwundert ansah, fuhr sie fort: „Ja, Melanie, wir leben ja nicht mehr im vorigen, ich meine im vorvorigen Jahrhundert: Unsere nicht angeheirateten Freunde und Freundinnen muß man doch zur Familie rechnen — oder?“

„Wir kennen uns mit Waldemar doch erst einige Tage!“

„Fast zwei Wochen, wenn ich richtig informiert bin, und dabei bleibt es nicht — will ich doch hoffen!“

„Ich auch, Marianne! — Hast du eigentlich Kinder, Marianne?“

„Zwei: eins von meinem Ex und eins geerbt von Heiner.

Die sind aber beide schon ausgezogen. — Wir sehen uns noch im Laufe des Abends — ich muß weitermachen — aber einen Tip geb ich dir noch: Ich nenn meinen Bruder meistens Waldi, du kannst dir denken, seit wir Babys waren — aber du nenn ihn nie so: Er mag das nicht, du kannst dir denken warum: wau, wau! — So, und jetzt mach dich auch mit Heiner bekannt!“

Heiner war ein stiller, sympathischer Typ, der wohl ein wenig unter der Fuchtel der impulsiveren Marianne stand.

Wie sich im Laufe des Abends herausstellte, war Heiner unter uns mehr links eingestellten Menschen der einzige CDU-Anhänger, aber er wußte seine Meinung mit sehr scharfen und schlagenden Argumenten zu verteidigen — das muß man ihm lassen. Auch war er nicht militant, sondern es gab eine ganze Menge von Punkten, wo er nicht auf seiner Parteilinie lag, sondern es mit Rot-Grün hielt — ein interessanter Gesprächspartner.

Noch während dieser Vorbereitungen für das gemeinsame Abendessen sagte Waldemar, als er einmal an mir vorbeiging:

„Sieh dich gern überall in der Wohnung um — ich hab jetzt keine Zeit, dich rumzuführen.

Wenn es dir warm wird und du deine Jacke ausziehen willst: Die Garderobe ist heute da hinten im Schlafzimmer!“

Aber mir war es nicht zu warm — vorerst jedenfalls.

Das Essen verlief lustig und harmonisch, es wurde auch dem Alkohol nicht zu knapp zugesprochen, aber alles hielt sich im bürgerlichen Rahmen. Einmal fragte ich, bei wem ich mich für das gute Essen zu bedanken habe, und Marianne hob gleich wie in der Schule den Finger und sagte „Bei mir! — Aber die anderen haben ganz gut geholfen — auch du, Waldi“, worauf dieser sie mit einem ungehaltenen Blick strafte.

Auch fanden die „Prinzen“ irgendwann, daß es einfacher sei — „in unserem fortgeschrittenen Zustand“ –, wenn wir uns alle duzen würden.

„Ich fang mal an — ich bin Johanna, und dies ist Johann, genannt Hans — so passen wir gut zusammen. „

Natürlich war ich als einzige noch nicht mit allen Geduzte einverstanden, und Hans erklärte diese Quasi-Namensgleichheit:

„Wir waren beide in einer Pfadfindergruppe, und unser Gruppenleiter hat seine Listen immer nach den Vor- und nicht nach den Nachnamen geordnet — und so kamen wir immer nacheinander — und schließlich — na ja, ihr seht es ja — wir hatten im vorigen Jahr Silberhochzeit — schade, daß wir dich da noch nicht gekannt haben, Melanie!“

Kurz, es war ein sehr netter Abend, aber schon verhältnismäßig früh — so gegen halb elf — verabschiedeten sich Marianne und Heiner, nicht ohne daß Marianne in eindeutig-zweideutigem Ton gesagt hätte:

„So, wir müssen jetzt gehen, ich hab morgen einen anstrengenden Tag, und wir wollen euch noch ein bißchen allein lassen.

Dem schlossen sich Johanna und Johann an, Johanna machte aber vorher noch mit mir den Abwasch.

Nun war ich mit Waldemar zum ersten Mal in seiner Wohnung allein, und das nutzte Waldemar aus. Zuerst zeigte er mir die ganze Wohnung — „viel zu groß jetzt für mich allein“ — „aber du brauchst auch viel Platz für deine Bücher“ — „– wie wahr, wann werde ich die jemals lesen?“ –, und er zeigte mir auch das Schlafzimmer.

Auf meinen verwunderten Blick reagierte er sofort:

„Ja, du meinst das schmale Bett. Die Ehebetten habe ich in meiner Verzweiflung nach Annas Tod dem Roten Kreuz für Aussiedler gespendet und mir dies gekauft. Ehrlich: Die Matratze ist besser als die, die wir vorher hatten. Aber sonst –„

„Hier hat sich das Verhältnis abgespielt, von dem du erzählt hast?“

„Meistens bei meiner Freundin damals — die war ja auch allein — aber manchmal auch hier.

„Zu schmal für die Liebe ist es eigentlich nicht — die Enge fördert die Nähe. „

„Ja, ja, da magst du recht haben — einmal bin ich aber auch beim Zur-Seite-Rollen aus dem Bett gefallen!“

„Und jetzt willst du mich wahrscheinlich in dein Liebesnest locken?!“

„Nein, Melanie, du hast ziemlich viel getrunken — ich auch — ich will das nicht ausnutzen.

Unsere Hochzeitsnacht –„

„Hochzeitsnacht — an so was hab ich eigentlich noch nicht gedacht — wir kennen uns doch erst seit — ja, seit wieviel Tagen eigentlich?“

„Seit zwölf Tagen — nein, ,Hochzeitsnacht` nenn ich für mich seit meiner ersten Freundin das erste intime Zusammensein — das war bei mir auch nicht immer der erste Sex mit der Freundin — und auch, wenn das am hellichten Tage war.

Also, ich würde sagen, das genießen wir in nüchternem Zustand — einverstanden?“

„Das ist sehr nett von dir — aber — aber dann setzen wir uns wenigstens noch ein wenig auf die Couch, und umarm mich ganz fest — ich hab morgen auch einen schweren Tag — Schulinspektion beim Lateinunterricht — wahrscheinlich. „

So setzten wir uns auf die Couch, Waldemar tat wie ihm geheißen, und hatten wir auch nicht unsere ,Hochzeitsnacht`, so doch unsere ersten sehr intensiven Küsse.

Und ich hatte Waldemars zarte Hand auf meinem Schenkel. Und wieder einmal sagte ich — schon fast reflexartig:

„Wanderbeine!“

„Weil du so viel gewandert bist und daher so kräftige Muskeln hast — das hab ich schon bemerkt!“

„Du bist der intelligenteste meiner bisherigen Freunde — gratuliere! Aber du Wüstling siehst mir auch auf die Beine!“

„Ja, natürlich, auch — du weißt doch, als Mann –„

„Als Mann! — Als Mann stehst du jetzt auf und bestellst mir ein Taxi — und nach dem nächsten Konzert — ich weiß noch nicht wann — lad ich dich auf eine Pizza und einen Chianti zu mir ein, und du inspizierst mal, wie es dir bei mir gefällt!“

„Okay, Melanie, ich telephoniere — und wir telephonieren — danke für deinen Besuch — und ich hoffe, du verstehst dich auch mit meiner Schwester.

„Ganz bestimmt — hast du im Chaos vorhin überhaupt gesehen, was ich Dir zum Geburtstag mitgebracht habe — und alles Gute dafür und das nächste Lebensjahr hab ich dir auch noch nicht gewünscht!“

„Nein — danke — dein Angebinde liegt immer noch in der Diele! Eine Schande! Entschuldige!“

Waldemar telephonierte das Taxi und holte dann mein Geschenk ins Wohnzimmer und öffnete es. Ich erklärte ihm, worum es in diesem Roman ging, nämlich um den Aufstieg der Nazis in München.

Waldemar hatte noch nie etwas von Feuchtwanger gelesen, wohl weil diesem Schriftsteller in der „alten Bundesrepublik“ der Ruf eines Kommunisten voraus- oder hinterherging. Waldemar ließ sich den Inhalt sehr genau erklären, weil er meinte, das Taxi brauche endlos lange — aber wider Erwarten kam es nach wenigen Minuten, und wir verabschiedeten uns schnell mit noch einem saftigen Kuß.

Es näherte sich die Sommerpause, und die Gelegenheiten zu Konzertbesuchen wurden seltener.

So lud ich Waldemar „einfach so“ am darauffolgenden Samstag zum Abendessen ein. Ich besorgte Pizza und Chianti und machte etwas mehr Ordnung in der Wohnung als üblich. Den Samstagsnachmittagskaffee bei meiner Mutter sagte ich für diesmal ab, und sogar ohne falsche Ausflüchte:

„Mama, ich hab nämlich zum ersten Mal meinen neuen Freund eingeladen — und ich hab den Eindruck, das könnte etwas Dauerhaftes werden. Ich stell ihn dir demnächst mal vor. „

„Du und die Männer“, meinte meine Mutter mich warnen zu müssen, „denk doch mal, was du mit diesem — wie hieß er noch?“

„Martin!“

„Und mit Nachnamen?“

„Tut doch nichts zur Sache, wir wissen doch, wer gemeint ist — ja, mit dem, da hab ich mich auch blöd benommen — aber mit Waldemar — Schröder — ist es bestimmt was ganz anderes.

„Kommst du dann morgen nachmittag — dann kommt auch Tante Klara. „

„Ja, ich denke, das kann ich einrichten! — Tschüs, Mama!“

„Pass bloß auf dich auf, min Deern!“

„Min Deern“ — das hatte sonst fast immer nur mein Vater in seinen allerliebsten Momenten zu mir gesagt!

Auch Trudi brauchte mal einen ausführlicheren Zwischenbericht. Kaum hatte sie den Hörer abgenommen und erkannt, daß ich es war, die sie anrief, löcherte sie mich mit tausenden Fragen, natürlich auch der einen.

„Nein, Trudi“, sagte ich, als sie mit ihrem Schwall fertig war, „wir waren noch nicht. Aber heute kommt er zu mir zum Abendessen, und ich weiß nicht, was dann passiert — ich hab nichts geplant, ich lass es sich entwickeln. „

Ich erzählte Trudi dann noch weiter von den von uns bisher durchlaufenen Stationen des Kennenlernens und versprach überflüssigerweise, sie über das Weitere auf dem laufenden zu halten.

„Und wie geht es mir dir und Bernd?“

„Bestens!“

„Und habt ihr schon ans Heiraten gedacht?“

„Ob du's glaubst oder nicht: Das haben wir! Und ich würd auch gern mit meiner besten Freundin eine Doppelhochzeit feiern — wir würden ja doch ziemlich dieselben Leute einladen — aber ich will euch natürlich auch nicht unter Druck setzen, wenn ihr euch mehr Zeit lassen wollt — danach sieht es ja aus — wenn ich denke: Mit anderen von deinen Freunden warst du doch schon nach einigen Stunden so weit — und Karl war einer deiner liebsten Freunde — weißt du noch — wie lange ist das jetzt schon her?“

Ich rechnete eine Zeitlang nach, dann zur Probe noch einmal in umgekehrter Richtung, und antwortete:

„Sechzehn Jahre — das hätte ich auch nicht gedacht, daß das schon so lange her ist — aber jetzt sind wir ja älter geworden, reifer, und gehen nicht gleich mit ins Bett, wenn das erste Mal das Wort ,Sex` fällt.

„Und ist es zwischen euch gefallen?“

„Ja, aber nur in wissenschaftlichem Zusammenhang!“

Die Woche über fieberte ich dem Samstag entgegen, und ich fragte mich immer wieder, wie wohl der Abend und die Nacht danach werden würde. Sollte ich Feuer geben oder Waldemars Avancen abwarten? Trudi riet mir zum ersteren — „dann hast du was Interessantes zu erzählen“ –, ich aber wählte das „zweitere“ –, „dann hab ich auch was zu erzählen.

„Aber nur, ob die Pizza nicht angebrannt war!“

„Neugierige Nudel!“, schimpfte ich, gab der guten Trudi aber doch ein Küßchen durchs Telephon.

Nachdem ich am Samstag vormittag das noch Fehlende für den Abend eingekauft hatte, saß ich zu Hause und zählte die Minuten, bis es Zeit sein würde, die Pizzen zu belegen und in den Ofen zu schieben. Aus diesem unerquicklichen Wartezustand wurde ich kurz nach Mittag von einem Anruf Waldemars erlöst:

„So, endlich sind unsere Firmengäste abgereist — ich bin noch auf dem Flughafen.

Du, Melanie, es ist doch ganz schönes Wetter, wollen wir nicht noch eine kleine Wanderung machen?“

„Keine schlechte Idee — aber was meinst du mit ,klein`: zehn Kilometer, zwanzig Kilometer, …?“

„Ich würde sagen: höchstens zehn. Kannst du dir schnell was anziehen — ich bin mit den Leuten schon im Sportdress zum Flughafen gefahren?“

„Wie lange brauchst du bis hier?“

„Ohne Umwege heute am Samstag zehn Minuten.

„Gut! Ich warte unten. „

Ich mußte denken: „Wenn Waldemar immer so gute Ideen hätte, wenn ich mal wieder nicht richtig weiterweiß — dann wäre er der ideale Partner“, dabei suchte ich meine Wanderhose und -schuhe heraus, zog dem etwas durchwachsenen Wetter entsprechend einen leichten Pullover über meine Bluse, nahm statt Handtasche meinen kleinen Rucksack für meinen weiblichen Krimskrams, ging dir Treppe hinunter und stellte mich vor den Eingang.

Kein Waldemar-Auto weit und breit, aber nach wenigen Minuten bog sein weißer Mercedes um die Ecke, hielt, und Waldemar ließ mich einsteigen.

Wir küßten uns erst einmal ausgiebig, dann fragte Waldemar:

„Wo wollen wir hinfahren?“, und ich schlug vor: „Zur Wulfsmühle! Ich lots dich!“

Nach einem Kilometer mußte ich sagen:

„Das ist ja ein schickes Auto — absolut lautlos!“

„Aber unhandlich in der Stadt — und lautlos ist es nur, wenn es nicht mit zweihundertfünfzig über die Autobahn brettert.

„Schafft es das?“

„Locker! Aber nicht mit mir, nur wenn Ingo manchmal fährt. „

„Das ist dein ,nicht angeheirateter Schwiegersohn`, wie du einmal gesagt hast? Und wie heißt eigentlich deine Tochter? Sieht man die mal?“

„Meine Tochter heißt Hannelore, genannt Hanne oder auch Lore — und Ingo heißt nicht eigentlich Ingmar, sondern wirklich nur Ingo — den Fehler hab ich am Anfang mal gemacht, als wir noch förmlicher miteinander waren.

Und sehen werden wir die beiden wohl erst in den Semesterferien und nach ihrem Englandaufenthalt — da hat Hanne nämlich einen Praktikumsplatz bekommen, und Ingo will mitfahren. „

„Hast du Hanne schon von mir erzählt? — Hier nach links den schmalen Weg — keine Angst, der ist durchgehend asphaltiert. „

„Ja, diese Woche hab ich ihr von dir gesagt und den Konzerten — sie läßt dich ganz lieb grüßen — vielleicht ist sie neugierig und kommt doch schon früher für ein paar Tage — das klang so, wie sie redete.

Damit waren wir schon bei der Wulfsmühle angekommen. Waldemar parkte den Wagen, und ich führte ihn ungefähr auf dem Rundweg, auf dem ich auch mit Otto meine erste Wanderung gemacht hatte. Dabei erzählte ich auch einiges aus meiner langen Beziehung mit Otto, was Waldemar bei jeder Station dieser Beziehung zu einem zarten Kuß anregte, und am Schluß meinte er:

„Von Otto also weißt du, daß du Wanderbeine hast — und jetzt weiß ich auch, daß du große Erfahrung mit älteren Männern hast!“

„Mit zweiunddreißig Jahre älteren Männern, nicht mit so jungen, die nur vier oder fünf Jahre älter sind!“

Als wir nach zweieinhalb Stunden wieder zur Wulfsmühle zurückgekehrt waren, fragte ich:

„Sollen wir nun hier essen oder zu Hause — da warten zwei Pizze auf uns — Fertigteig, aber von mir eigenhändig belegt?“

„Dann essen wir natürlich die — aber hier können wir einen Kaffee trinken und Kuchen oder Eis essen — was meinst du?“

„Ja, tun wir das! Setzen wir uns hinten auf die Terrasse — da können wir den Enten zusehen, die haben doch zu dieser Jahreszeit sicher ihre süßen Küken.

Als unser Eis gekommen war, sagte ich zu Waldemar:

„Ich hab da einen Anschlag auf dich vor!“

„Und das wäre?“

„Ich hab doch heute meiner Mutter abgesagt und dafür für morgen zugesagt. Morgen kommt aber auch meine Tante Klara, und das wäre eine gute Gelegenheit, dich meiner Mutter vorzustellen, die ist nämlich immer grundsätzlich am Anfang gegen meine Freunde, und Tante Klara ist eigentlich immer auf meiner Seite und redet meiner Mutter gut zu.

„Und wann trinkt deine Mutter Kaffee?“

„So gegen vier, Tante Klara kommt meistens etwas früher. „

„Okay, ich komme auch, ich hol dich dann vorher ab. „

„Nein: Ich hol dich mit meinem Auto ab, sonst lästert meine Mutter gleich über das viel zu große Auto — das kriegt die fertig!“

„Gut: Kommst du dann so gegen halb vier zu mir, und wir fahren los.

Wo wohnt eigentlich deine Mutter?“

„In Fuhlsbüttel — wo es gegen Hummelsbüttel geht. „

„So, wir sollten allmählich fahren, es ist schon fünf Uhr. „

„Hast du nachher noch was vor?“

„Nein — aber –„

„Dann haben wir ja noch Zeit — es ist so schön hier im Grünen — in meiner Etagenwohnung sehen wir zwar auch ins Grüne — aber“

Ich wollte Waldemar, aber auch mir selbst, nicht eingestehen, wie unsicher ich war — wie schon seit langem nicht mehr — wie ich mich zu Hause benehmen sollte — wenn Waldemar zu forsch sein würde, das paßte mir irgendwie nicht zum Stand unserer Beziehung — oder wenn er gar kein Interesse an mir als Frau zeigen würde — oder wenn er verbale Anspielungen an heikle Dinge machen würde — oder wenn er nur würde Fernsehen wollen — oder, oder, oder.

Mir war schon klar, daß der Abend ganz anders ablaufen würde, als ich es mir in der Woche so vorgestellt hatte und mir jetzt wieder vorstellte.

Andererseits wurde mir bei dem Gedanken, daß vielleicht schon heute Nacht ein lieber Freund bei mir liegen würde, leicht feucht im Schritt — das passierte mir auch nicht mehr gar so oft — wie lange war das her, daß ich das letzte Mal solches verspürt hatte?

Dies war für mich auch der Anlaß, den Aufbruch vorzuschlagen, und in wenigen Minuten waren wir bei meinem Haus.

Ich erklärte auch Waldemar meine Fahrstuhl- und Treppenphilosophie, da aber der Fahrstuhl gerade unten ankam, fuhren wir mit ihm hoch. Waldemar spürte wohl meine Nervosität; er nahm im Fahrstuhl ganz sanft meine Hand, wohl um mich zu beruhigen.

Als wir im siebten Stock angelangt waren, klingelte ich zuerst einmal bei meiner Nachbarin. Sie öffnete sofort — natürlich war sie am Guckloch gewesen! — und sagte:

„Einen schönen guten Abend — darf ich Ihnen vorstellen: Herr Waldemar Schröder –„

„Frieda Fischer, genannt ,Frischfisch`!“, antwortete Frau Frieda wie für gewöhnlich.

„Frau Frieda, wir wollten Pizza essen, aber ich glaub, ich hab zu wenig Parmesan im Haus — könnten Sie mir etwas aushelfen, dann brauch ich nicht mehr in den Supermarkt — ich weiß auch gar nicht, ob der noch aufhat. „

„Ja, Frau Melanie, ich glaub, ich hab noch welchen — ich seh mal nach. „

Und nach kurzer Zeit kam der „Frischfisch“ mit einem noch fast vollen Streuglas zurück.

„Hier: Das können Sie gerne aufessen, Frau Melanie. Dann wünsch ich Ihnen noch einen schönen Abend — und wenn noch was fehlt, dann klingeln Sie einfach!“

Ich schloß dann meine Wohnung auf, ließ Waldemar höflich den Vortritt, und als die Tür ins Schloß gefallen war, umarmte ich ihn stürmisch, küßte ihn und sagte:

„Willkommen in meinem Reich!“

Dann klärte ich Waldemar über meine liebe Nachbarin auf:

„Du hast es wohl gemerkt: Frischfisch ist fürchterlich neugierig und beobachtet den ganzen Flur durch ihr Guckloch.

Aber voriges Jahr hat sie einmal die Polizei gerufen, als sie ein verdächtiges Subjekt auf dem Flur gesehen hat. Der war zwar schon weg, als die Polizei kam, aber noch irgendwo im Haus. Die Bullen haben ihn festgenommen, und es stellte sich heraus, daß er und seine Bande in der ganzen Stadt Serieneinbrüche gemacht hatte. Seitdem denk ich jedenfalls anders über Frischfisch ihre Neugier — sie ist auch ganz diskret, was Besucher wie dich angeht — sie hat einen verheirateten Freund, der sie manchmal besucht.

— So, und nun sieh dich mal um — Arbeitszimmer — Wohnzimmer — da hinten geht's zum Bad und Schlafzimmer — keine Bücher klauen! Ich schieb schon mal die Pizzen in den Ofen. „

Und wartete auf das „Wow!“ oder Ähnliches aus dem verspiegelten Schlafzimmer. Aber nichts dergleichen. Stattdessen versuchte sich Waldemar an der bekannten F-Dur-Invention am Cembalo.

„Das ist ja toll, daß du ein Cembalo hast — deswegen deine Liebe zu Bach!“

„Umgekehrt: Das Cembalo hab ich wegen meiner Liebe zu Bach! — Spiel ruhig, beim Spielen kann man nichts kaputtmachen.

„Es müßte aber mal gestimmt werden!“

„Da hast du recht; dazu komme ich so selten, aber das gute Stück hält die Stimmung sehr lange. Du bist doch Ingenieur: Hier ist das Stimmgerät mit Beschreibung, hier der Stimmschlüssel — ich stimme es nach Werckmeister und einen Halbton tiefer als Kammerton a. Versuch es mal, solange ich die Pizzen fertig mache und den Tisch decke — essen wir hier oder in der Küche? — ach, essen wir hier zur Feier des Tages!“

Der praktische Waldemar hatte es bald heraus, wie man das Cembalo stimmt, und als der Tisch fertig gedeckt war, hatte er schon eineinhalb der drei Register durchgestimmt.

„Den Rest mach ich dann nach dem Essen, wenn du abwäschst. „

„Falsch: Du wäschst ab, und ich stimme fertig!“

„Ist mir fast noch lieber: Mit Abwaschen kenn ich mich aus, an das Cembalo muß ich mich noch gewöhnen. „

Wir saßen friedlich beim Essen, da ging das Telephon, und Trudi war am Apparat.

„Das hab ich ja gut abgepaßt, daß ihr gerade beim Essen seid.

Wir wollten euch nämlich, Bernd und ich, für Montag abend zum Essen einladen. „

„Danke — da muß ich mal Waldemar fragen. — Du, Waldemar, hier ist Trudi am Apparat — sie lädt uns für Montag abend zum Essen ein. Könntest du da?“

„Sag Trudi“, antwortete Waldemar, „Dienstag abend wäre viel besser — am Montag wollten wir doch zu deiner Mutter gehen. „

Ich sprach wieder ins Telephon: „Hast du gehört, Trudi: Waldemar hat recht, Montag will ich Waldemar meiner Mutter vorstellen, darum würde es besser am Dienstag passen — geht das nicht auch, paßt das auch Bernd?“

Ich hörte, wie Trudi wiederum Bernd fragte, dann antwortete sie:

„Dienstag ist perfekt — dann euch noch einen schönen Abend — und –„

„Trudi!“, sprach in warnendem Ton und legte auf.

„Wer ist eigentlich Trudi?“, fragte Waldemar, als ich wieder am Tisch saß.

„Ach, von der hab ich dir ja noch gar nicht erzählt! Trudi ist meine beste Freundin seit meiner Schulzeit, große Menschenkenntnis, großes Einfühlungsvermögen, meine beste Trösterin und beste Ratgeberin in Liebesdingen, eine ganz liebe Person — nur etwas neugierig, aber so sind wir Frauen nun mal!“

„Wir Männer auch, um ehrlich zu sein! — Und Bernd?“

„Bernd ist ihr Mann, mit dem sie seit fünf oder sechs Jahren zusammenwohnt — ohne amtlichen Segen — er ist auch eine Seele von Mensch.

„Und du hast Trudi wahrscheinlich von mir erzählt?“

„Ja, das bin ich ihr nach all den Jahren, die wir uns kennen und uns alles erzählt haben, schuldig — aber ohne Einzelheiten. Ohne sie hätte ich wohl nicht auf deine Anzeige geantwortet, sie hat mich dazu aufgestachelt. „

„Was nimmt man Trudi mit?“

„Gute Laune — und sag auch du ihr mal, daß sie eine schöne Figur hat.

Sie meint immer, sie sei zu pummelig, und es haben sie deshalb auch Freunde verlassen, aber in Wirklichkeit ist sie eine wahre Liebesgöttin, Bernd ist zu beneiden — vom Rest der Männerwelt. „

„Dann kann ja am Dienstag nichts mehr schiefgehen — und morgen gehen wir zu deiner Mutter?“

„Ja, wenn du Lust hast!“

„Ich hab Lust — wenn du mich mitnimmst!“

„Wirst du dich denn anständig benehmen?“

„Wie meinst du jetzt das? Soll ich mehr auf Distanz gehen — dich nicht küssen — sollen wir uns vielleicht pro forma wieder siezen — das mach ich alles mit, wenn es sein muß!“

„Nein, viel elementarer: Weißt du, wie man eine Kaffeetasse hält — mit welchem Winkel man den kleinen Finger abspreizt?“

„Du machst Witze?!“

„Das wenigstens hast du erkannt! — Hat es dir geschmeckt?“

„Ausgezeichnet!“

„Eine gute Firma aus dem Niedersächsischen! Soll ich uns von derselben Firma aus dem entsprechenden Pulver einen Vanillepudding oder eine Götterspeise machen?“

„Das wäre nicht schlecht — dann kann ich so lange weiterstimmen!“

„Dann mußt du aber nachher auch mehr abwaschen!“

„,Das bißchen Abwasch ist doch kein Problem, sagt mein Mann` — kennst du den Schlager?“

„Ja, ein wunderbarer Text, und wie die das singt!“

Ich also begab mich an das Kochen eines Vanillepuddings, und aus dem Wohnzimmer erklang das nervtötende jaulende halbtonweise Stimmen.

Waldemar hatte den Bogen jetzt völlig heraus und war eher fertig als mein Pudding inclusive Abkühlen.

„Darf ich mir auch einmal das Klavier hier ansehen?“, rief Waldemar aus dem Wohnzimmer.

„Ja, natürlich, es ist nicht abgeschlossen, und ein Schlüssel existiert auch nicht mehr. „

Waldemar spielte schön einige Takte eines Impromptus von Schubert und rief dann:

„Das ist ja ein wunderbares Instrument, so was findet man heute gar nicht mehr, wo hast du denn das her?“

„Das hat mein Großvater meiner Großmutter vor fast hundert Jahren zu Hochzeit geschenkt und mir persönlich durch handschriftlichen Zusatz zum Testament vererbt.

„Wahnsinn! Und es klingt noch sehr schön. „

„Ich hab es vor Kurzem überholen lassen. Die Tochter eines Kollegen hat hier manchmal geübt, sie ist auf dem Konservatorium. — So, hier ist der Pudding! — Noch ein Gläschen Samos wie bei unserem ersten Treffen?“

„Aber nur ein ganz kleines Gläschen — ich muß ja nachher noch nach Hause fahren. „

„Mußt du ja nicht.

Als erwachsene Menschen, was wir ja sind, wie wir festgestellt haben, könntest du auch hier übernachten — hier oder auf der Liege im Arbeitszimmer — oder — hast du eigentlich schon einmal einen Blick ins Schlafzimmer geworfen?“

„Nein, hab ich noch nicht. „

„Dann tu das mal!“

Waldemar ging nach hinten durch, rief nicht „wow!“, und kam bald zurück.

Ich war Waldemar in Richtung Schlafzimmer nachgegangen, aber nicht weit gekommen, ehe er zurückkam, so standen wir uns gegenüber, und Waldemar umarmte mich ganz fest und sagte:

„Wie ich aus deinen Erzählungen erwartet habe, hast du ein schönes breites Bett, nicht so schmal wie meins — und die Spiegelwand — die ist wirklich super — hast du die Idee aus der Sauna? — verlangt aber auch eine gewisse Technik, wenn man sie richtig ausnutzen will.

Ich muß gestehen, selbst die nicht ganz wenigen Male, wo ich in einem Club oder bei solchen Miezen war, war ich noch nie in einem Spiegelkabinett. Das muß wirklich toll sein. — Ich freu mich — will aber heute noch nichts überstürzen — ich möchte später wirklich gern nach Hause fahren und über diesen glücklichen Tag nachdenken — du bist mir doch nicht böse, Melanie? Wir sehen uns ja schon morgen wieder!“

„Wie kann ich dir böse sein, Waldemar, wenn du das so lieb sagst?! — Wollen wir nicht den Pudding essen, oder magst du ihn lieber, wenn er ganz ausgekühlt ist?“

„Nein, ein bißchen warm ist gut.

„Oh, ich hab ja vergessen — ich hab auch noch eine Schokoladensauce zum Drübergießen — willst du, du ,süßer Typ`?“

„Ja, wunderbar!“

Ich holte noch die Schokoladensauce, den Samos und zwei Dessertweingläser und setzte mich wieder zu Waldemar an den Tisch.

Der Pudding war schnell aufgegessen; dann nahm ich mein Weinglas und setzte mich aufs Sofa.

„Waldemar“, sagte ich, „setz dich doch noch ein wenig zu mir, ehe du gehst!“

Wir stießen noch einmal auf unsere Freundschaft an und lagen uns bald, uns innig küssend, in den Armen.

Waldemar drückte mich liebevoll an sich, und bald glitt seine freie Hand an meinen Busen, den er durch Pullover und Bluse streichelte, dann auch zwischen Pullover und Bluse; auch meine Wanderbeine streichelte er zart durch die dicke Wanderhose. Weiter wollte er offensichtlich heute nicht gehen; das erinnerte mich wieder an meine ersten Abende mit Rolf auf der Wiese, und mir kamen die Tränen.

„Warum weinst du denn, Melanie?“, fragte Waldemar besorgt.

„Vor Glück! Wie du mich streichelst, da erinnerst du mich an meinen ersten richtigen Freund — bei dem ging es auch ganz langsam — und das war eigentlich meine schönste Liebe! Mach ruhig weiter, das ist wunderbar!“

Und Waldemar streichelte mich weiter, ertastete auch meine Titten durch den BH, aber weiter ging er wirklich nicht, sondern schlief nach dem anstrengenden Tag allmählich ein. Als er fest schlief, bettete ich seinen Kopf in meinen Schoß und dachte auch selbst über diesen schönen Tag nach — und wie würde es morgen bei meiner so kritischen Mutter werden?

Nach etwa einer Stunde wachte Waldemar wieder auf, wurde sich ganz allmählich seiner „unmöglichen“ Lage bewußt — sein Kopf in meinem, zwar bekleidetetn, Dreieck! — er sah mich glücklich an und sagte:

„Danke, Melanie, für diesen schönen Tag — einen der schönsten in meinem Leben — ich möchte jetzt aber wirklich gehen.

„Auch für mich war es einer der schönsten Tage — und wenn es mit uns so weitergeht, werden wohl noch einige ,schönste Tage` folgen. — Na, dann geh und schlaf schön!“

Damit gab ich ihm einen auffordernden Klaps; Waldemar stand auf, räkelte sich wach und verabschiedete sich schnell — und in der Küche sah er den Abwasch.

„Du, Melanie, ich hab doch gesagt –„

„Nun geh schon, Waldemar, für heute erlass ich dir die Arbeit!“, und schob ihn aus der Tür.

In tiefen Gedanken über diesen wunderbaren Tag merkte ich gar nicht, wie ich abwusch, und auf einmal war der ganze Abwasch weg und das Geschirr und die Bestecke im Schrank.

Ich suchte noch für den morgigen Tag dasjenige meiner weißen Sommerkostüme mit dem kürzesten Rock heraus und legte mich schlafen.

Als ich am Morgen aufwachte, fiel mir ein, daß ich mit Waldemar noch nicht ganz fest abgemacht hatte, daß wir am Nachmittag mit meinem Auto fahren sollten, und so ergriff ich die Gelegenheit, Waldemar wegen dieses unwichtigen Grundes anzurufen.

„Hallo Waldemar — schön war das gestern abend — und es bleibt doch dabei — wir fahren mit meinem kleinen Auto?“

„Ja, das war doch abgemacht — und du bist wirklich nicht böse, daß ich gestern abend abgehauen bin — hättest du gewollt, ich sollte die ganze Nacht bleiben?“

„Du bist doch nicht abgehauen — du wolltest allein sein — ich hab das auch genossen, nochmal über den gestrigen Abend nachzudenken — ich freu mich auf heute nachmittag und hol dich gegen halb vier ab, okay?“

„Gut! Bis dann! Tschüs!“

Ich korrigierte einige Aufsätze, aß zu Mittag eine Dose Ravioli, dann zog ich mich für das große Ereignis an: das zurechtgelegte Sommerkostüm, und ich ließ, was meine Mutter wahrscheinlich unangebracht finden würde, bei dem warmen Wetter Strümpfe und BH weg.

Allerdings zog ich einen dick gewebten Slip an, falls sich im Laufe des Tages bei irgendeiner Gelegenheit wieder wohlige Gefühle einstellen sollten.

Viel zu früh fuhr ich Waldemar abholen, und er stand noch nicht vor dem Hauseingang wie verabredet. Im Auto zu warten war mir zu blöd, und so klingelte ich bei Herrn „Schröder“.

„Wer ist da, bitte?“, krächzte es durch die Sprechanlage.

„Melanie.

„Schön, daß du kommst! Ich mach dir auf. „

Es surrte, ich trat in den Hausflur, holte mir den Fahrstuhl heran und fuhr zum Stockwerk, in dem Waldemars Wohnung lag. Als der Fahrstuhl hielt und ich aus der Kabine stieg, hatte Waldemar schon die Wohnungstür geöffnet und ließ mich eintreten.

„Entschuldige meinen Aufzug!“, sagte er überflüssigerweise; er war in Unterwäsche und erst halb zugeknöpftem Oberhemd.

„Fühl dich wie zu Hause — es ist ja noch sehr früh — ich will allerdings am Dammtorbahnhof einen schönen Blumenstrauß für deine Mutter kaufen. „

Ich setzte mich aufs Sofa und sah Waldemar nicht beim weiteren Anziehen zu — manche Männer mögen das nicht. Aber es dauerte gar nicht lange, da erschien Waldemar in einem eleganten hellen Anzug und setzte sich neben mich aufs Sofa.

„Fahren wir schon los“, fragte ich, „oder sitzen wir noch ein wenig und benehmen uns anständig — oder benehmen wir uns weniger anständig?“

„Weniger!“, sagte Waldemar, rückte näher an mich heran, umarmte mich und küßte mich herzlich — dieses aber auf anständige Weise.

Wir achteten nicht auf die Zeit, und als uns dieselbe wieder bewußt wurde, war es doch recht spät geworden — nicht zu spät, denn wir hatten ja keinen gänzlich fixen Termin.

Wir standen auf, strichen unsere Kleider glatt — es war nichts zu machen, mein Rock reichte nicht bis ans Knie, geschweige denn darüber — ich bereitete Waldemar vor: „Darüber wird sich Mama sicher wieder aufregen, und Tante Klara wird mich sicher wieder verteidigen, paß mal auf!“ — wir fuhren schnell ins Erdgeschoß, stiegen in mein Auto, und ich raste zum Dammtorbahnhof.

Waldemar verschwand und kam recht bald mit einem nicht kleinen, aber auch nicht protzigen Strauß roter Rosen zurück.

„Wird das deiner Mutter gefallen?“

„Ganz bestimmt wird es das!“

Und wir fuhren wieder aus der Innenstadt hinaus zum Haus meiner Mutter. Kurz bevor wir es erreichten, sah ich Tante Klara, die auch auf Mamas Haus zusteuerte. Da ich sonst nie aus dieser Richtung kam, hatte ich sie noch nie so vor einen Mama-Besuch überholt.

Ich hielt an, Waldemar drehte das Fenster herunter, und ich rief über ihn hinweg:

„Hallo, Tante Klara, können wir dich nicht ein Stück mitnehmen?“

„Das paßt ja großartig! Ich hab heute so hochhackige Schuhe an — in meinem Alter! — und geh so schlecht in ihnen — ich hab schon gedacht, ich muß sie ausziehen und auf Strümpfen zu meiner holden Schwester laufen!“

Waldemar, ganz Kavalier — stieg aus, stellte sich Tante Klara vor, krabbelte dann auf die enge Rückbank und ließ Tante Klara neben mir sitzen.

Als sie sich angegurtet hatte — „daran werde ich mich nie gewöhnen, aber es muß ja sein!“ — sagte sie noch:

„Fahr noch nicht los, Melanie, ich will mir zuerst deinen neuen Freund noch etwas genauer ansehen. — Sie sind also der Waldemar –„

„Schröder!“

„Richtig — aber ich darf doch Waldemar sagen? — Und sagen Sie mir bitte Klara — ohne Tante — auch du, Melanie, gewöhn dir das bitte endlich ab — du gehst auf die fünfzig –„

„Na, na, noch bin ich näher an den vierzig, Tante Klara –„

„Schon wieder ,Tante Klara`!“

„Ist doch wahr, Klara!“

„Siehst du, es geht doch! — Und Sie sind Ingenieur, Herr Waldemar?“

„Ja, Maschinenbau –„

„Schade, daß mein Mann das nicht mehr erlebt — der hätte sicher gern mit Ihnen fachgesimpelt, er war Meister bei Heidenreich und Harbeck.

— Na, dann fahr mal los, Melanie, sonst ißt uns unsere Waltraut den Kuchen weg! — Schick seht ihr beide übrigens aus!“

In wenigen Minuten waren wir beim Haus meiner Mutter angelangt. Mama hatte uns kommen hören und stand schon in der Tür.

„Mama“, begann ich gleich, „erstmal einen guten Tag, und dann möchte ich Dir hier meinen Freund vorstellen, Herrn Waldemar Schröder — und Klara haben wir unterwegs aufgegabelt.

„Guten Tag, Frau Knaack“, begrüßte sie Waldemar, „ich hoffe, meine Kommen derangiert Sie nicht zu sehr, und als quasi Entschuldigung hab ich Ihnen hier diesen Strauß mitgebracht. „

„Vielen Dank, Herr –“ sagte Mama in kühlem Ton.

„Schröder!“, half ihr Waldemar.

„Sag doch Waldemar zu ihm, Schwesterherz“, mischte sich Tante Klara ein, „mit dem wirst du es wohl noch eine Weile zu tun haben — hoffentlich, würde ich sagen.

„Na, dann kommen Sie — dann kommt erstmal alle rein, auch Sie, Herr — — Waldemar!“, sagte meine Mutter. „Daß Sie mitkommen, hat mir meine Tochter gar nicht gesagt, da muß ich noch ein Gedeck auflegen — und ich weiß nicht, ob der Kuchen reicht. „

„Mama, du kaufst doch immer so viel, daß vom Sonntagskaffee noch für die ganze Woche für dich übrigbleibt!“

„Aber du sagst auch immer, ich soll nicht immer zu viel kaufen, das verdirbt dann.

„Wie ich sehe, hast du dich heute noch nicht daran gehalten! — Setz dich mal an den Tisch, ich bringe den Kaffee. „

Bis ich damit in der Küche fertig war, hatte Waldemar schon geholfen, den Tisch von drei auf eine Vierer-Gesellschaft umzudecken, und als ich ins Zimmer trat, hörte ich Mama noch zu Waldemar sagen:

„Das ist lieb, daß Sie mir dabei geholfen haben.

Ungewohnte Töne von Mama!

„Das ist doch selbstverständlich, Frau Knaack!“

„Erlaub doch Herrn Waldemar, dich Waltraut zu nennen, es ist doch sonst alles so s-teif“, mischte sich Klara wieder ein.

„Na gut, wenn ihr meint“, gab sich Mama einen Ruck. „Und was sind Sie von Beruf?“

„Ingenieur für Maschinenbau. „

„In meiner Familie waren eigentlich nur Beamte, Lehrer und Ärzte“, sagte meine Mutter.

Wenn sie solches sagte, meinte sie nur ihre und meines Vaters Familie. Klaras angeheirateter und inzwischen verstorbener Mann, der, wie gesagt, Mechanikermeister war, zählte da schon nicht mehr richtig mit. Ingenieure und verwandte Berufe galten in solchen Kreisen nicht sehr viel.

„Nehmen Sie noch, greifen Sie zu, junger Mann“, forderte Klara Waldemar auf, der durch Bescheidenheit glänzte.

„Ich bin so frei“, sagte Waldemar und nahm ein weiteres Stück Torte.

„Sehen Sie, Waldemar — ,süße Männer` sind mir sympathisch — das war mein Fritz auch — was konnte der an Kuchen essen — erinnerst du dich noch, Waltraut — und dein Ernst natürlich auch. „

„Ja, man kam ja gar nicht mit dem Backen mit!“; jetzt mußte Mama auch lachen.

Es mußte eine zweite Fuhre Kaffee aufgebrüht werden, und ich begab mich dazu in die Küche.

Meine Mutter folgte mir und fragte mich in leisem Ton:

„Der Herr Schröder –„

„Waldemar!“

„– der Herr Waldemar ist doch nicht etwa verheiratet?“

„Aber Mama“, rief ich verärgert.

„Du hattest doch aber auch verheiratete Freunde, das mußt du zugeben!“

„Mama, nun hör doch bitte mit diesen Geschichten auf! Das ist, beziehungsweise war, mein Leben! Waldemar ist verwitwet, das hab ich dir doch schon am Telephon gesagt.

Kuck doch mal richtig hin: Er trägt zwei Ringe!“

„Na ja, ich meinte ja bloß!“

„Findest du ihn nicht sympathisch?“

„Doch — ja — ganz sympathisch ist er. „

„Sooo“, sagte ich strahlend, als ob ich nicht gerade wieder ein aufregendes Gespräch hinter mir gehabt hätte, „hier ist weiterer Kaffee, wer möchte noch? Klara, trink mal aus, hier kommt heißer! — Waldemar, ich weiß, du trinkst Kaffee zu jeder Tageszeit, ich darf dir doch eingießen? — Und Mama, möchtest du noch — oder eine halbe Tasse?“

„Nein, schenk mir mal voll!“

Das war ein gutes Zeichen!

Und auch ich goß mir eine volle Tasse ein.

Die Unterhaltung floß munter weiter, am meisten sprachen Klara und Waldemar miteinander, und ich merkte, daß Klara die Unterhaltung so führte, daß sich Waldemar mit seinen Antworten in einem möglichst guten Licht präsentierte.

Es kam der Augenblick, wo Mama wie erwartet fragte, ob wir nicht zum Abendessen bleiben wollten. Ich war eigentlich für Aufbruch, aber Waldemar sagte gleich zu und fragte, was er helfen könne. Mama nahm ihn mit in die Küche, und als Waldemar sich an das Abwaschen des Kaffeegeschirrs machen wollte, sagte Mama:

„Lassen Sie das mal stehen, Herr Waldemar, das wasch ich nachher ab, wenn ihr gegangen seid, ich hab dann ja genug Zeit.

Aber schneiden Sie doch bitte das Brot und die Wurst auf!“

Als ich auch in die Küche gehen wollte, hielt mich Klara zurück und flüsterte mir zu:

„Wie ich meine kleine Schwester kenne, war das heute ein voller Erfolg mit Waldemar!“

Dann halfen auch wir bei der Vorbereitung des Abendessens mit.

Auch das Abendessen verlief ruhig und harmonisch, aber recht bald sagte Klara:

„So, ich glaube, ich sollte jetzt gehen.

Nehmt ihr mich wieder mit?“

„Ja, natürlich!“, antwortete ich.

„Ihr wollt schon gehen?“, fragte meine Mutter.

„Ja“, antwortete Klara, „es ist doch schon spät, und die Kinder“ — Kinder! — „müssen morgen früh raus zur Arbeit!“

Wir halfen noch alle beim Abräumen des Abendbrottisches, dann bot Waldemar wieder an abzuwaschen, Mama lehnte es wieder ab, es folgte beim Abschied wie gewöhnlich der Austausch der letzten Neuigkeiten, was unseren Abgang ziemlich verzögerte, aber schließlich saßen wir mit Klara im Auto, und ich fuhr zu ihrer Wohnung.

Dort fragte sie:

„Kommt ihr noch ein bißchen mit rauf?“

„Nein“, antwortete ich, „es ist ja wirklich schon recht spät. „

„Da hast du recht, Melanie, und ich alte Schachtel hätte mir ja denken können, daß ihr noch ein wenig allein sein wollt! Dann seid bedankt für das Herbringen, und besucht mich mal. — Könnt ihr Skat spielen?“

„Wie bitte?“

„Ja, du hast richtig gehört! Früher hab ich mit Fritz und seinem Bruder immer mal Skat gespielt — und ihr, könnt ihr nun Skat spielen?“

„Ich hab das vor Urzeiten von den Jungs meiner Klasse gelernt“, antwortete ich, „und seit der Schulzeit nie wieder gespielt.

„Und ich hab, nachdem Anne gestorben war, manchmal mit zwei Kollegen Skat gespielt, das hat aber inzwischen auch aufgehört. „

„Na, dann kommt mal vorbei und versucht es mal wieder! Tschüs dann!“

„Wir kommen bestimmt, Klara!“

Als wir weiter zu Waldemars Wohnung fuhren, kramte ich verschüttete Erinnerungen hervor:

„Richtig, vor Jahrzehnten, Klara, ihr Mann Fritz und dessen unverheirateter Bruder — wie hieß er noch, ich hab ihn nur einmal oder zweimal gesehen — richtig: Hubert, über die drei wurde in der Familie manches gemunkelt.

Man wußte, daß Klara auch für Hubert die Wäsche wusch und bügelte und daß die drei sich regelmäßig trafen, angeblich um Skat zu spielen. Was daneben in diesem Trio noch lief oder nicht lief, das beschäftigte die Phantasie von manchen neugierigen Familienangehörigen ungemein, es drang aber nie etwas nach außen. Als ich älter wurde, hab ich mich manchmal gefragt, wo Hubert seine ,männlichen Bedürfnisse` befriedigte, aber die beiden Male, wo ich ihn getroffen hatte — da war ich schon eine junge Frau — hat er sich völlig korrekt benommen — er war ein ebenso lustiger Kerl wie Klara und ihr Fritz.

„Es kann allen anderen doch auch völlig egal sein, ob da etwas lief“, kommentierte Waldemar meine Erinnerungen.

Damit waren wir bei Waldemar angekommen, und seine Einladung, ,noch etwas mit raufzukommen`, lehnte ich nicht ab.

Wir setzten uns mit einem Glas Wein aufs Sofa, stießen an, und Waldemar sagte:

„Danke für diesen schönen Tag. „

„Auch ich hab zu danken“, antwortete ich und rückte näher an Waldemar heran.

Wir setzten wie auf ein Kommando sie Gläser ab und fielen uns in die Arme. Wir küßten uns heiß und innig, und bald setzte Waldemar seine Forschungen vom Vortag fort und strichelte meine Beine, soweit sie unbedeckt waren, und meine Kostümjacke in der Gegend des Busens.

„Es ist auch am Abend heute so warm“, sagte ich und entledigte mich schnell dieses Jäckchens. Waldemar streichelte jetzt meine Bluse über dem Busen, und ich öffnete die Bluse etwas weiter mit einer ähnlichen Begründung, um Waldemar die weitere Forschung zu erleichtern.

Aber Waldemar sagte:

„Ich hab wohl gesehen, daß du heute keinen BH angezogen hast — und man fühlt es ja auch hier“ — damit umkreiste er einen meiner Nippel — „und dein Kostüm war einfach super: Es läßt gerade soviel sehen, wie es schicklich ist, und was es bedeckt, das regt die Phantasie der Männer an und erregt sie zum Wahnsinn. „

„Hab ich dich zum Wahnsinn erregt?“, fragte ich, stand auf und setzte mich rittlings auf Waldemars Schenkel; dabei rutschte mein ohnehin recht kurzer Rock fast gänzlich hinauf.

„Gefällt dir mein Kostüm, gefalle ich dir?“

„Du gefällst mir sehr“, antwortete Waldemar und zeichnete meinen Körper von der Brust abwärts zur Taille nach und weiter zu den wieder breiter werdenden Hüften, und das wieder und wieder, auch streichelte er den jetzt frei gewordenen Teil meiner Beine, „deine Figur, je mehr ich davon kennenlerne, macht mich wirklich wahnsinnig, aber –„

„Was aber, Waldemar, was gibt es für ein ,aber`?“

„Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, ich hoffe, du hast nicht gehofft, wir feiern heute unsere ,Hochzeitsnacht`.

Heute ist Annas Geburtstag, heute wäre sie siebenundvierzig geworden, und ich fände das irgendwie pietätlos, wenn wir gerade heute –„

„Ich bin nicht enttäuscht, Waldemar“, sagte ich, stieg von Waldemars Schoß, setzte mich wieder neben ihn aufs Sofa — und umarmte ihn gleich wieder. „Ich hatte, ehrlich gesagt, schon damit gerechnet, daß wir diese Nacht heute feiern würden, aber wenn dir nicht danach ist, verschieben wir es eben — Vorfreude ist die schönste Freude, nicht wahr, Waldemar?“

Dabei küßten wir uns unentwegt und streichelten unsere dezent bekleideten Körper an allen dezenten Stellen.

„Ich möchte dir aber doch etwas sagen, Waldemar“, fuhr ich in etwas ernsterem Ton fort, „und was ich dir jetzt sage: Faß das bitte nicht ironisch auf, ich sag dir das in aller Liebe! — Ich weiß es zu schätzen, daß du mich nicht draufgängerisch einfach so nimmst, wo du praktisch am Ziel bist, wo die ,zärtliche Intimität` so richtig anfängt, und natürlich warten wir geduldig den Moment ab, wo uns beiden danach ist.

Ich gebe nur zu bedenken: Deine Anna hat dir selbst in ihren letzten Lebenstagen gesagt, du sollst dir eine liebe Frau nehmen, und das bezog sich sicher auch auf Intimes und auf Geburtstage und auf Intimes an Geburtstagen — und außerdem hab ich in einigen Tagen meine Periode — die kommt noch ganz regelmäßig zwei oder drei Tage nach Neumond — und dann gefällt es den meisten Männern nicht, mit der Frau zusammenzusein — mir würde das nichts ausmachen.

Aber ich will dich wirklich zu nichts verführen, zu was du noch nicht bereit bist — dafür hab ich dich schon zu liebgewonnen. „

„Danke für dein Verständnis, Melanie — ich weiß auch nicht — ich bin wohl irgendwie blöd –„

„Irgendwie etwas blöd sind wir doch alle“, sagte ich wieder in munterem Ton, „komm, dann knutschen wir noch ein wenig einfach so — zieh aber doch wenigstens dein Jackett aus und bind den Schlps ab und mach dein Hemd auf — du erstickst ja noch — das wäre schade!“

Das „Ein-Wenig-Knutschen“ dauerte dann länger, als es ein ausgiebiger normaler Liebesakt getan hätte.

Wir knutschten uns Stunden und Stunden, gerieten dabei immer mehr in die Schieflage und lagen schließlich — angezogen, aber eng umschlungen — horizontal auf der engen Couch.

Dabei wurden wir immer lustiger und kamen auch auf erotische und Sex-Erlebnisse aus unserem Vorleben. Zum Beispiel diesem. Ich fragte Waldemar:

„Als du bei meiner Mutter in der Küche warst, hast du da mal aus dem Fenster gesehen?“

„Ja, da sieht man in den Garten.

„Und hast du die Bank unter dem einen Fenster gesehen?“

„Ja, und die Gartenstühle und den Gartentisch — da hätten wir heute auch Kaffee trinken können. „

„Das hätten wir! Aber du ahnst nicht, was es mit dieser Bank auf sich hat!“

„Das ist doch eine ganz normale Gartenbank. „

„Auf der Bank hat mich Mama mal mit dem Jungen der Nachbarsfamilie erwischt — in voller Fahrt.

„Nicht möglich!“

„Doch — aber was heißt ,Junge` — es war im Jahr nach meiner Scheidung, ich war — fünfunddreißig und er siebenundzwanzig. Ich hab was am Haus repariert, und weil an dem heißen Tag alles menschenleer war, hatte ich nur ein Bikinihöschen an. Da kam der Fritz vorbei — wie sich später herausstellte, von seiner Freundin — begrüßte mich höflich, fragte, ob er mir helfen könne, und ich hab irgendwann gesagt: ,Ein Wetter zum Heldenzeugen.

` Das hat Fritz dann gleich aufgegriffen — das heißt, erstmal haben wir auf der Bank im Schatten Kaffee getrunken — und dann haben wir getan, was man tun muß, um Helden zu zeugen. Dabei hat uns Mama gesehen, als sie vom Mittagsschlaf aufgewacht war und nach dem Kaffee sehen wollte. „

„Hast du noch mehr solche Geschichten auf Lager?“

„Manche! Aber die erzähl ich dir so nach und nach, wie es sich ergibt.

Außerdem hab ich sie ja, wie gesagt, aufgeschrieben, und du kannst sie lesen, wenn du willst. — Und ich hätte da noch eine Frage. „

„Und das wäre?“

„Ich richte mich ganz nach dir: Wo wollen wir unsere Hochzeitsnacht feiern — hier oder bei mir oder ganz woanders, auf einer kleinen Wochenendreise oder so. „

„Ich hab mir das in der Phantasie immer bei mir vorgestellt — aber das ist natürlich sehr eng –„

„Und ich hab an mein Spiegelzimmer gedacht — aber das ist wohl ganz natürlich, jeder von uns hat sich das da vorgestellt, wo er es kennt.

Kurz vor vier Uhr morgens sagte ich dann doch zu Waldemar:

„So, ich glaube, wir beenden für heute die Schmuse-Orgie. Ich muß mich zu Hause noch für morgen umziehen und vielleicht noch etwas schlafen. „

„Okay, dann schlafen wir noch etwas — ich muß auch um sieben raus!“

Dabei aber faßte mir Waldemar aber doch in die Bluse und sagte nur mit der Hand an meiner Brust:

„Wie weich du bist!“

„Mein lieber Waldemar: Das hättest du den ganzen Abend tun können! Und mein Busen ist ein ganz normaler, eher etwas kleiner Hängebusen.

Und meine herrlichen Beine sind recht muskulös, weil ich viel gewandert bin, umd um die Hüften hab ich etwas viel Speck — wie das wohl im Alter weitergeht — und noch was — und sag es mir ehrlich: Wie hättest du es in einer etwaigen Hochzeitsnacht gern: rasiert oder natur?“

„Wie bitte?“

„Rasiert oder natur?“

„Was meinst du damit: Ich rasier mich doch immer bis auf die schmale Friesenkrause!“

„Du liebes Dummerchen: Ich mein meine Muschi!“

„Ach so! Rasiert ist ja heute modern.

Aber ich hatte mit rasierten oder teilrasierten Damen nur in Clubs und so zu tun. „

„Dann lass ich es natur — das ist auch einfacher! Und wie ist es bei dir?“

„Auch natur“, lachte Waldemar, „aber schon etwas schütter!“

„Und wann treffen wir uns wieder?“

„Ich weiß nicht –„

„Ja, es stehen schwere Entscheidungen an, schwere Schritte in eine ungewisse Zukunft! Wir wäre es mit übermorgen, das wäre erst einmal die letzte Gelegenheit.

„Und sollen wir dann –„

„Ich würde sagen, ja — oder sollen wir erst mal mit Klara Skat spielen?“

„Nein –„

„Also Waldemar: übermorgen! Und hab keine Angst vor solchen schweren Schritten! Ich hab dich ja so lieb!“

Damit fiel ich ihm noch einmal um den Hals und küßte ihn wie wahnsinnig.

„Und noch was: nochmal die klassische Frage: bei mir oder bei dir?“

„Ich weiß nicht –„

„Ich auch nicht! Also knobeln wir!“

Zum ersten Mal hatten wir beide die Schere, beim zweiten Mal beide den Stein, dann aber Waldemar das Papier und ich wieder den Stein.

„Papier wickelt den Stein ein!“, lachte ich. „Also bei dir! Aber ich will dich nicht einwickeln — ich will dich liebhaben!“

Und nach etwa achtundsiebzig weiteren Küssen huschte ich die Treppe hinunter, in mein Auto und fuhr nach Hause.

Im Bett dachte ich selig, daß übermorgen, gerade noch vor meinen Tagen, die ,zärtliche Intimität` beginnen sollte, oder war es die intime Zärtlichkeit? Bevor ich das wieder auseinanderdröseln konnte, war ich schon eingeschlafen.

Am Tag darauf rief mich Waldemar unvermutet an:

„Du, Melanie, es ist heute ein Freiluftkonzert in Rellingen, vielleicht hast du das übersehen, wollen wir da nicht hingehen?“

„Das ist ja wunderbar — woher weißt du denn das — ja, ich zieh mir bloß was über — holst du mich oder hol ich dich ab. „

„Ich hol dich ab — ich bin in ein paar Minuten da!“

Kaum hatte ich mich fertig mit einer Sommerbluse und einem weiten luftigen Rock angezogen, hupte der freche Waldemar illegal vor meinem Haus.

Das heißt, ein Halbstarker — oder was für ein Mensch sollte es sonst sein? — hupte ein paarmal laut, und als ich auf den Balkon trat und nachsah, wer das wohl sei, vielleicht der neue Freund des Mädchens aus dem zweiten Stock, ein finster aussehender Rockertyp, der mir aber vor einigen Tagen freundlich geholfen hatte, die Einkaufstüten von meinem Auto zum Fahrstuhl zu tragen — nein, es stand ein mir unbekanntes rotes Auto vor dem Haus und gab diese schrillen Töne von sich.

Dann aber ward die Fahrertüre geöffnet, Waldemar erschien und winkte zu mir herauf. Ich mußte dann doch lachen, zeigte ihm einen Vogel und lief die Treppe hinunter.

Waldemar war wieder eingestiegen, öffnete mir von innen die Tür, und kaum hatte ich mich auf dem Beifahrersitz gesetzt, überschüttete er mich mit Küssen und sagte unverschämterweise, ohne mir überhaupt einen guten Tag zu wünschen:

„Wie bin ich froh, Melanie, daß ich dich gefunden habe!“

Waldemar war also in sehr aufgekratzter Stimmung, und er steckte mich damit so an, daß ich mit ihm das Spiel „Rote Ampel“ spielte, das ich von Theo gelernt hatte.

Waldemar begriff die Spielregeln schneller als ich damals, schon an der zweiten Ampel, und dann mußte Waldemar fast bei jeder Ampel von unserem Hintermann nachdrücklich zum Weiterfahren aufgefordert werden.

Das Konzert war wunderschön — wenig gespielte Renaissance- und Frühbarockmusik, wir hielten Händchen, und als das Konzert zu Ende war, fühlten wir beide, wie es knisterte.

Um nicht gleich vor „schwere Entscheidungen“ gestellt zu sein, beschlossen wir, erst einmal in der Wulfsmühle, die wir ja kannten und die nicht weit entfernt war, zu Abend zu essen.

Als es anfing zu dämmern und auch etwas kühl wurde, war es dann doch Zeit, um nach Hause zu fahren, und auf der Fahrt fragte Waldemar:

„Kommst du nicht noch ein bißchen zu mir rauf, es ist ja noch nicht sooo spät, und ich hab von Kasimir eine Kiste mit französischem Wein und einen Brief bekommen — den können wir zusammen lesen. „

„Ja, gern! — Was steht denn in dem Brief?“

„Er läßt auch dich grüßen, darum sollst du ihn auch lesen.

„Hast du ihm von mir geschrieben?“

„Nicht geschrieben, telephoniert. Aber ich hab nichts Schlechtes von Dir gesagt, nur daß ich dich kennengelernt hab und wir Konzerte besucht haben und spazieren gegangen sind. „

Zu Hause machte Waldemar gleich eine Flasche „Côtes du Rhône“ auf, während ich den Brief las. Kasimir freute sich für seinen jüngeren Bruder, daß er eine so liebe Frau als Freundin gefunden hatte und lud uns gleich dazu ein, ihn bei nächster Gelegenheit zu besuchen.

Auch Mireillo, seine Frau, ließ mich grüßen und küssen.

„Du hast gar nicht erzählt, daß Kasimirs Frau Mireillo heißt — dann ist sie ja eine eingefleischte Occitanerin. „

„Ja, mit der könntest du dich sicher über deine Troubadours unterhalten — ich hab die Ausgaben bei dir gesehen. „

„Ja, wann fahren wir denn nach Südfrankreich — aber das soll man ja nicht sagen — also: wann fahren wir nach Montpeslier.

„So sagt Mireillo auch immer — ich würde sagen: im nächsten Frühjahr — oder schaffen wir das noch im Herbst? — Aber warum soll man nicht ,Südfrankreich` sagen?“

„Wegen der Zerschlagung der occitanischen/provencalischen Kultur durch die Nordfranzosen — genannt Albigenserkrieg — sei es, wenn man von zum Beispiel Montpeslier oder Nemze als südfranzösischen Städten spricht, so, als ob man von Milet und Ephesos als westpersischen Städten spräche, weil sie lange Zeit unter persischer Herrschaft standen — so jedenfalls die Meinung von Walter Borchers.

„Auch das mußt du mal der Mireillo erzählen — das ist sicher Musik in ihren Ohren — und Kasimir interessiert das sicher auch — wenn die beiden das nicht schon längst wissen. — Wie findest du den Wein?“

„Sehr schön! Nicht so trocken, wie es deutscher Geschmack ist, aber mir gefällt er so. „

Wir setzten uns wieder aufs Sofa, tranken ein paar Schluck von dem guten Wein, dann umarmten und küßten wir uns wie am Tag zuvor.

Schon bald mußte ich Waldemar in strengem Ton zurechtweisen:

„Was ist mit dir heute — was hat deine Hand unter meinem Rock zu suchen?“

„Aber gestern hast du das doch gut gefunden, als ich dich hier gestreichelt hab — und ich bin doch an gar keinen unsittlichen Stellen — außerdem: Was fällt dir überhaupt ein, meinen Schlipsknoten aufzumachen?“

„Erstens sind Frauenbeine grundsätzlich unsittliche Stellen — und zweitens: nur, damit deine schöne Krawatte keine Weinflecken kriegt!“, sagte ich lachend, hatte schon die Krawatte aus dem Kragen gezogen und drei von Waldemars Hemdknöpfen aufgeknöpft — nicht den obersten, der war mir zu stramm.

Aber ich hatte eine bequeme Öffnung, um Waldemars Brust zu streicheln — und faßte in einen dichten Haarwuchs. Jetzt ging es mir auf: Deshalb trug Waldemar, auch beim Wandern, immer hochgeschlossene Hemden, weil solches bären- beziehungsweise sogar gorillaartiges Brusthaar manchen Menschen nicht gefällt.

Aber ich habe und hatte nichts gegen dicht behaarte Männer, und ich ließ das Waldemar wissen:

„Ich finde das schön, dieses Haar, dann liege ich weich, wenn ich mal auf deiner Brust einschlafe! Und von mir aus geh doch gern im offenen Hemd, wenn wir nicht gerade hochnotpeinliche Besuche machen oder in die Oper gehen!“

„Das macht mir die Kleiderfrage leichter, wenn wir wandern oder vielleicht mal Urlaub machen!“

Und zum Glück ließ sich Waldemar von meiner zuvor gespielten Strenge nicht von weiteren Forschungen abhalten.

Er war schon einmal am oberen Ende meiner Beine angelangt, hatte die beiden Höcker durch den Slip ertastet und sagte „Oh!“, als er fühlte, daß mein Slip an einer Stelle anfing feucht zu werden. Auch hatte er damit begonnen, meine Bluse systematisch von oben aufzuknöpfen, und jetzt wog er meine Brüste in seinen zarten Händen.

„Na“, fragte ich zum Scherz, welche ist schwerer, oder haben sie exakt das gleiche Gewicht?“

„Ich merk keinen Unterschied“, berichtete Waldemar von dem Ergebnis seiner Untersuchungen.

Dann umarmte ich ihn wieder, dadurch wurden meine Brüste erst einmal weniger zugänglich, und Waldemars Hand glitt wieder nach unten. Er öffnete weitere Knöpfe meiner Bluse, streichelte mich unter dem Busen am Nabel und am Bauch und war bald am Rockbund angelangt. Er suchte rings herum den Verschluß und fand schließlich den Reißverschluß hinten. Ich flüsterte ihm, da mir zu dieser Situation nichts Gescheiteres einfiel, Reklamesprüche ins Ohr:

„Du darfst! Du darfst!“

Dann flüsterte ich auch noch:

„Nimm zwei!“

Aber ich mußte sogleich hinzufügen:

„Das gilt natürlich nur, wenn du mal wieder in einen Club gehst und dir zwei Mädchen nimmst.

„Würdest du mir das erlauben?“

„Na ja, sagen wir so: Wenn ich mal längere Zeit krank sein sollte, mir ein Bein gebrochen hab oder sonst zu nichts zu gebrauchen bin, dann hätte ich nicht das Recht, dir das zu verbieten. — Aber jetzt im Augenblick steht das ja nicht zur Debatte. „

Inzwischen hatte Waldemar den Reißverschluß des Rockes aufgezippt und war mit zarter Hand in meinen Slip gelangt.

Er streichelte meinen Po, dann meine Hüftrundungen und tastete sich langsam und vorsichtig nach vorn. Jetzt war er an meinem Wäldchen angelangt, und ich flüsterte nochmals:

„Du darfst!“

Unter Waldemars tastenden und streichelnden Fingern spürte ich, daß mein Kitzler erigiert war wie selten, und die Feuchtigkeit — der Slip mußte zu Hause gleich in die Wäsche!

Erst jetzt ging mir auf, daß ich vor lauter Genießen mich außer mit Küssen gar nicht weiter mit Waldemar beschäftigt hatte.

Immer noch saß er, zwar ohne Krawatte und mit drei geöffneten Hemdknöpften, sonst aber vollständig angezogen. Ich mußte an alte Pornobilder denken, auf denen die Herren der Schöpfung ihre Triebe in fast völlig bekleidetem Zustand befriedigen und nur die Weiber mehr oder weniger nackt sind — und so löste ich die Umarmung, fummelte mit zwei Händen Waldemars obersten Hemdknopf und den Gürtel auf und fühlte, was sich in seiner Hose tat. Es tat sich überraschend wenig.

Ich fühlte einen noch nicht sehr großen und nicht sehr festen Schwanz. Ich öffnete Waldemars Hosenladen und präparierte sein gutes Stück aus dem Schlitz des Slips hervor. Es hatte wohl noch nicht einmal halbe Größe und sah mich mit der länglichen Öffnung durch die noch ganz vorgeschobene Vorhaut herausfordernd an.

„Ziehen wir uns doch ganz aus und gehen ins Schlafzimmer!“, schlug ich vor, worauf Waldemar gleich einging.

Als ich vom Sofa aufstand, fiel mein Rock zu Boden, Waldemar half mir aus der Bluse und streifte mir den Slip hinunter.

Ich ließ ihm viel Zeit, in Ruhe meinen nackten Körper von allen Seiten zu bewundern, dann half ich auch ihm aus den Kleidern. Seine halbe Erektion regte mich viel mehr an, als wenn er mir seine Lanze gezeigt hätte.

Wir begaben uns unter vielen Küssen ins Schlafzimmer —

„Laß bitte das Licht an, ich mach es gern im Hellen!“, sagte ich, und wir schmissen uns aufs Bett.

Ich kuschelte mich in der Seitenlage eng an Waldemar, fühlte sein Glied in meinem Schoß und wartete ruhig die weitere Entwicklung ab.

Aber es entwickelte sich kaum etwas. Nach einer Weile fragte ich Waldemar unter vielen Küssen:

„Hast du vielleicht heute keine Lust — hattest du Ärger in der Firma — sag es mir ruhig!“

„Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist.

„Mach dir nichts draus, das kriegen wir schon hin — wir haben ja die ganze Nacht Zeit! Ich find das wahnsinnig sympathisch, daß du das erste Mal — und überhaupt in den letzten Tagen — solche Hemmungen zeigst — aber ich will mal sehen, was ich machen kann!“

Damit beugte ich mich zu Waldemars Mitten, faßte sein Schwänzchen zart mit den Lippen, fuhr einmal mit der Zunge über die Öffnung und den Vorhautrand und spürte sogleich, wie ein Schwall Blut das Glied straffte — da ging das Telephon.

„Lassen wir es klingeln!“, sagte Waldemar.

Aber es klingelte dreimal, dann kam eine Pause, dann wieder dreimal —

„Das ist Mama mit ihrem Katastrophensignal –„

„Dann muß ich wohl abnehmen!“

Waldemar langte, wie wir so lagen, über mich nach dem Telephonhörer und sagte:

„Einen schönen Abend, Frau Knaack — Waltraut, was haben Sie denn für Sorgen?“

„Ist Melanie dort bei Ihnen?“

„Ja, ich geb sie Ihnen!“

„Hallo, Melanie!“

„Hallo, Mama, was gibt's denn?“

„Hab ich euch bei was gestört? Ihr seid doch nicht schon — es ist doch erst halb zwölf!“

„Nein, Mama, wir waren in Rellingen bei einem Konzert, haben dann in der Wulfsmühle zu Abend gegessen und dann hier noch ein Glas Wein getrunken.

„So lange?“

„Neugierig bist du, Mama — also, was hast du denn auf dem Herzen?“

„Ich glaub, im Keller ist ein Wasserrohrbruch, es spritzt in der Waschküche in die Gegend. „

„Kommt viel Wasser?“

„Es geht. Ich hab schon einen Eimer weggeschüttet — bis morgen früh kann das nicht bleiben. „

„Dann schließ den Haupthahn — du weißt doch, wo der ist — in der Waschküche, wo das blaue Rohr von außen durch die Wand kommt — den drehst du um 90 Grad, daß er senkrecht steht, und dann laß unseren guten Herrn Kretschmer kommen.

„Aber den kann ich doch jetzt nicht mehr anrufen!“

„Doch, das kannst du — er hat uns doch als jahrzehntealten Kunden gesagt, wenn was Ernstes kaputt ist, sollen wir zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. — Wir kommen auch in einer Viertel- oder halben Stunde!“

„So, Waldemar, jetzt heißt es aufstehen und zu Mama fahren! Hast du denn Mama deine Telephonnummer gegeben?“

„Ja, als wir neulich beim Kaffee waren, und ich hab ihr gesagt, sie soll ruhig anrufen, wenn sie Hilfe braucht.

„Na, das hast du jetzt davon — ich könnte euch erwürgen!“

„Aber wir können Mama“ — Mama! — „jetzt doch nicht allein lassen. „

„Natürlich können wir das nicht, Waldemar“, sagte ich und küßte ihn — „aber erst mal komm mit deiner Hand und hilf mir!“

Damit führte ich Waldemars Hand in meine triefende Muschi, und wissend-instinktiv brachte mich Waldemar in wenigen Sekunden zum Höhepunkt.

Ich huschte noch ins Bad und wusch mich notdürftig, dann zogen wir uns schnell an und fuhren zu Mama.

Mama hatte weder den Haupthahn geschlossen — sie hatte wohl Angst, dabei etwas kaputtzumachen — noch unseren Installateur Kretschmer angerufen, sondern hatte es vorgezogen, bis zu unserem Kommen noch zwei Eimer Wasser in den Ausguß zu schütten. Waldemar legte mit einem Finger den Haupthahn um, und die Fontäne versiegte auf der Stelle.

Es war auch kein Rohrbruch, sondern das Wasser trat aus, wo ein Eckstück angeflanscht war; dort mußte wohl nur die Dichtung erneuert werden.

Ich suchte die Telephonnummer heraus und rief Herrn Kretschmer an; er saß noch am Fernsehen und sagte, er komme sofort; das würde aber wohl eine halbe Stunde dauern. Währenddessen hatte Waldemar den Haupthahn noch einmal geöffnet, die Fontäne wieder mit dem Eimer aufgefangen, und die übrigen Dichtungen geprüft, soweit sie im Keller zugänglich waren.

Er meinte, alle anderen Dichtungen seien in Ordnung.

Während wir auf Herrn Kretschmer warteten, spürte ich — von meinem unsittlichen Tun mit Waldemar und natürlich auch von dem Wassergeplätscher angeregt — jedenfalls mußte ich auf kleine Mädchens. Da ja das Wasser abgestellt war, sagte ich zu meiner Mutter:

„Ich geh mal schnell in den Garten. „

Mama verstand sofort, was los war, und sagte entsetzt:

„Aber du kannst doch nicht im Garten –„

„Mama, jetzt in der Nacht sieht mich doch keiner!“

Sprach's und verschwand — und Waldemar folgte mir.

„Ich muß auch dringend“, verriet er mir flüsternd.

Die von der Straße abgewandten Gärten lagen im Dunkeln, aber die stadttypische allgemeine Helligkeit gab genug Licht, daß ich das Beet fand, das ich düngen wollte. Waldemar suchte im Finstern eine geeignete Stelle, wo er seine Stange Wasser hinstellen konnte und von wo er auch nicht in Verdacht geraten konnte, mich etwa zu beobachten. Ich rief ihm zu:

„Du brauchst nicht da im hintersten Teil rumzustolpern — du fällst noch hin, da liegt allerlei rum — bleib doch weiter vorn — ich hab auch nichts dagegen, wenn du mir zusiehst!“

Damit ließ ich es ohne Hemmungen ins Gras plätschern.

„Du läßt mich zusehen –?“, sagte Waldemar erstaunt und — sah mir dann auch zu!

„Das erklär ich dir später!“, sagte Waldemar und stellte sich selbst an einen Busch.

„Nun laß mich auch zusehen!“, flüsterte ich zurück. Und Waldemar bekam einen Anfall von Kindlichkeit und produzierte einen hohen Bogen.

„Vorsichtig!“, mußte ich ihn bremsen, “ siehst du nicht da den Tisch und die Gartenstühle!“

Und schon hörte man es auf das Holz pladdern.

„Ich hätte nicht gedacht, daß ich es noch so weit schaffe“, entschuldigte sich Waldemar.

„Gib mir lieber ein Tempotaschentuch, wenn du welche hast — meine sind drinnen in meiner Handtasche. „

Zum Glück hatte Waldemar Tempos bei sich, und ich tastete mich an einem pieksigen Rosenstrauch vorbei zu der Sitzecke und wischte die in Mitleidenschaft gezogenen Stühle ab. Dann tastete ich mich zum Komposthaufen und warf die Taschentücher darauf, und beim Zurückgehen zum Haus sagte ich zu Waldemar:

„Was bist du doch für ein kleiner, ganz kleiner lieber Junge!“, umarmte und küßte ihn leidenschaftlich.

Dann vertrieben wir uns mit Mama die Zeit mit Fernsehen, denn Herr Kretschmer ließ auf sich warten. Schließlich hörte man sein Auto vorfahren, Waldemar zeigte ihm die undichte Stelle, wir ließen ihn im Keller werkeln und sahen weiter fern. Es war eine Liebesschnulze, nicht schlecht gemacht, aber mich doch nicht gerade zu Tränen, aber zum Händchenhalten mit Waldemar rührend. Das wiederum veranlaßte Mama zu fragen:

„Wann wollt ihr“ — ihr! — „denn heiraten?“

„Ach Mama, wir kennen uns doch erst einige Wochen — und heute heiratet man doch nicht gleich, sondern sieht erst einmal, ob man zueinander paßt — und zu deiner Zeit war das wohl auch nicht so viel anders, vielleicht ließ man sich für die Prüfung nicht so viel Zeit.

„Aber schon vor der Hochzeit zusammen wohnen — das gab es zu meiner Zeit noch nicht!“

„Aber Mama, wir wohnen ja auch nicht zusammen!“

„Aber du warst doch bei Waldemar und nicht zu Hause, als ich wegen dem Wasser angerufen hab. „

„Deswegen wohnen wir doch nicht zusammen. Wir haben nach dem Konzert noch etwas zusammengesessen und haben ein Glas Wein getrunken.

„Ich will nicht wissen, was ihr sonst noch gemacht habt — ich kenn dich doch. „

„Und wenn schon, Mama — das ist doch schließlich meine Sache — und ich glaube, einen so lieben Freund wie Waldemar habe ich schon lange nicht mehr gehabt. „

„Und, Frau Knaack“, schaltete sich Waldemar in das Gespräch ein und „korrigierte“ sich gleich, „Waltraut, Sie haben doch sicher auch schon gehört, auch vielleicht von Ihrer Schwester Klara: Paare, die sich vor der Heirat lange, auch durch gemeinsames Wohnen, geprüft haben, werden später viel seltener geschieden als andere.

Die Zeiten haben sich geändert, Frau Knaack — Waltraut –, aber ich glaube nicht, daß sie insgesamt gesehen viel unmoralischer geworden sind. „

„Aber heute, die Prostitution — und was man so alles hört –„

„Aber Mama, das hat es doch schon immer reichlich gegeben, nur mehr versteckt — so hast du doch schon sicher Filme gesehen, wo die Verhältnisse in früheren Zeiten geschildert werden — mit dem Salon einer Madame Chouchou, wo sich die Honoratioren der Stadt regelmäßig trafen, und alle wußten davon — lies doch mal die Romane von Josef Roth oder auch den Mann ohne Eigenschaften von Musil: Genau alle vierzehn Tage geht der unverheiratete Held des ersten Teiles in den Salon zu seinen Damen.

— Aber du hast dich doch mit Waldemar geduzt, als wir zum Kaffee waren. „

„Ich glaube, ein andermal“, sagte Mama und lächelte doch Waldemar zu.

„Sie haben recht, Frau Knaack, es kommt doch nicht auf das ,Du` oder ,Sie` an, sondern auf die gegenseitige Achtung und Respekt. „

„Wenn Melanie es meint, dann nenn mich Waltraut! Und holen Sie — Und hol uns doch bitte aus der Kredenz Gläser zum Anstoßen — Wein findest du im Keller — und sieh auch mal, was Herr Kretschmer macht!“

Waldemar hatte schon seine Menschenkenntnis — wie er Mama zum endgültigen Duzen gebracht hat — alle Achtung!

„Ganz sympathisch ist er ja, der Waldemar — aber meinst du wirklich, er ist ein Mann für dich — Ingenieur — solche hatten wir doch noch nie in unserer Familie.

„Aber in Papas! Und es kommt doch nicht so sehr darauf an, welchen Beruf einer hat, sondern auf ganz was anderes. Sag mal ganz ehrlich: Hättest du Papa nicht damals auch geheiratet, wenn er Ingenieur oder Bauer gewesen wäre?“

„Natürlich!“

„Na, siehst du, Mama!“

Waldemar kam zurück — lustig, aber mit Tränen in den Augen:

„Hab vielen, vielen Dank für dein Vertrauen, Waltraut, du bist erst die zweite sozusagen Schwiegermutter, die mich duzt!“

Und gab meiner Mutter einen sanften Kuß auf die Stirn.

„Und zum Sachlichen: Herr Kretschmer ist gleich fertig, und ich hab uns einen Bordeaux ausgesucht. „

„Sehr schön, Waldemar — den mag ich am liebsten — wie hast du das erraten?“

„Menschenkenntnis!“, lachte ich.

Wir tranken ein Gläschen, bald kam Herr Kretschmer in die Wohnung und wurde ebenfalls zu einem Gläschen eingeladen, beim Abschied fragte er in die Runde:

„Wo ich nun mal auf bin, ist bei Ihnen schnell was zu reparieren, Frau Knaack, oder bei Ihnen, Herr Ingenieur –„

„Schröder — nein danke! Fahren Sie mal wieder nach Hause und nehmen Sie noch eine Mütze Schlaf!“

„Und wo wir das Thema schon mal angeschnitten haben“, sagte meine Mutter, als wir wieder allein waren, „denkt ihr nicht vielleicht daran, eurer alten Waltraut noch ein Enkelchen zu schenken?“

„Ich weiß nicht, Mama, Frauen sollen doch nicht in dem Alter noch ein Kind haben, und schon gar nicht ihr erstes!“

„In unserer Familie hat es noch nie ein behindertes Kind gegeben — nur die Kurzsichtigkeit ist erblich in der männlichen Linie, und du hast sie ja nicht geerbt — was meinst du zu dem Thema, Waldemar?“

„Ich hab ja eine ziemlich erwachsene Tochter — und jetzt wollte ich nicht mehr allein leben und hab bei meiner Suche die liebe Melanie — und dich, Waltraut! — gefunden — aber an Kinder hab ich eigentlich nicht mehr gedacht, und wenn Melanie auch nicht so sehr will, dann, glaub ich, lassen wir es lieber — es wäre auch für das Kleine nicht so gut, wenn die Eltern nicht voll dahinterstehen.

„Na, überlegt euch das nochmal. — Habt jedenfalls vielen Dank fürs Kommen — und das andere könnt ihr ja nachholen — ihr seid ja noch jung!“

Damit verabschiedeten wir uns um halb drei Uhr morgens von Mama, und Waldemar fuhr mich zu meinem Haus. Auf dem Weg fragte ich Waldemar:

„Was meintest du vorhin, du Bogenpinkler?“

„Damit meinte ich, daß ich Anna einmal ganz bewußt gebeten hab, ihr beim Pinkeln zusehen zu dürfen.

Ich kannte ja von meiner mehr oder weniger wüsten Jugend, wie eine Muschi aussieht, aber wo der Ausgang der Harnröhre ist, das ist ja kaum zu sehen. Und ich hatte noch nie eine Frau pinkeln sehen, und ich wollte es mal wissen. Einmal hat mir genügt, aber der positive Effekt war, daß wir in unserer Morgentoilette freier waren und nicht mehr immer fragen mußten: ,Kann ich jetzt ins Bad gehen, oder mußt du erstmal?` So konnte ich duschen und Anna währenddessen pinkeln — oder umgekehrt.

„So können wir es gerne auch halten — wenn du willst — du kannst auch durchs Badezimmer im Bogen aufs Klo zielen, wenn dir das so großen Spaß macht und du die Schweinerei selbst aufwischt! — Willst du nicht mit raufkommen, und wir machen weiter?“

„Nein, Melanie, laß es mal für heute — ich hab ja auch versagt!“

„Red doch keinen Quatsch von ,versagt`, Waldemar, ich hab mich schon lange nicht mehr so geborgen gefühlt wie in deiner Umarmung heute!“

„Nein, laß es uns wirklich auf das nächste Mal verschieben — sei mir nicht böse, irgendwie fühle ich: Dann wird es noch schöner.

Ich muß morgen vormittag noch was vorbereiten und dann einen Kunden in Schwarzenbek besuchen. „

„Wenn du meinst — ich fall auch schon um vor Müdigkeit — dann fahr vorsichtig nach Hause und schlaf nicht noch auf den letzten Kilometern ein!“

Bei den Abschiedsküssen begrapschte mich Waldemar noch einmal recht heftig, und auch ich spürte, daß Waldemar wohl durchaus noch etwas zustande gebracht hätte, aber er blieb standhaft, es gab einen allerletzten Kuß, Waldemar brauste ab, und ich stieg zu meiner Wohnung hoch.

Welcher Tag sollte uns nun die „zärtliche Intimität“ bringen — aber die hatten wir ja schon genossen, nur war unser Zusammensein von höherer Gewalt unterbrochen worden.

Und Mama hatte sich mit Waldemar geduzt — das erste Mal mit einem Freund von mir seit Dieter! Sollte mein Lebensschiff wirklich auf den Hafen einer vielleicht sogar ehelichen Zweisamkeit zusteuern?

Während meines vormittäglichen Schuldienstes am nächsten Tag versuchte ich mich mühsam zu konzentrieren, zu Hause korrigierte ich schnell die Hefte von der letzten griechischen Klassenarbeit — ein Schüler freute mich besonders, der sich in den letzten drei Klassen in meinem Lieblingsfach vom zweitschlechtesten zum zweitbesten vorgearbeitet hatte — ähnlich war es in den anderen Fächern.

Dies munterte mich auf, und ich rief spontan und zum ersten Mal Waldemar in seiner Firma an.

„Ich hätte gern mit Herrn Waldemar Schröder gesprochen. „

„Und worum geht es, Frau –?“

„Knaack!“

„– Frau Knaack?“

Fragt die blöde Gans, was ich von Herrn Schröder will! Damit hatte ich nicht gerechnet; mir mußte schnell etwas einfallen.

„Ich bin vom Bürgerverein Rahlstedt, und wir wollten Herrn Schröder bitten, bei uns einen Vortrag zu halten.

„Ich verbinde. „

„Hier Schröder. „

„Hier Melanie — kannst du halbwegs frei sprechen?“

„Ganz frei!“

„Du bist noch nicht nach Schwarzenbek gefahren?“

„Es hat sich verzögert — ich fahr in einer Viertelstunde. „

„Und wie lange hast du da zu tun?“

„Höchstens eine halbe Stunde. „

„Nimmst du mich mit — und danach sonnen wir uns auf einer Waldwiese, die ich kenne, und danach –„

„Ja, das ist großartig — die Entspannung hab ich nötig, das war ein ziemlicher Schlauch heute morgen — einfach mal sonnen — ich hol dich dann gleich ab!“

Ich packte schnell Picknicksachen und Decken zusammen, für den allergrößten Notfall auch einen Bikini, und zog meine Kamelfuß-Pants, ein T-Shirt und keinen BH an.

Damit stellte ich mich nicht auf die Straße vorm Haus, sondern sah von meinem Balkon nach Waldemars Auto, und als es angefahren kam, nahm ich den Korb und ging hinunter.

„Du siehst ja wieder zum Anbeißen aus“, sagte Waldemar –„

„Na, dann beiß an!“

Das tat Waldemar in Form vieler Küsse, dann fragte er:

„Was willst du machen, solange ich mich mit dem Kunden bespreche?“

„Ich seh mir etwas Schwarzenbek an, ich war da noch nie, nur durchgefahren.

„So?“

„Wieso: ,so`? Bei dem heißen Wetter geht doch jede zweite — na ja, jede fünfzigste Frau so!“

„Na ja, wenn du meinst. Übrigens konnte ich natürlich keine Badehose mehr mitnehmen — vielleicht kann ich mir in Schwarzenbek eine kaufen. „

„Das ist, glaub ich, nicht nötig. Auf ,meiner` Wiese hab ich noch nie jemand getroffen“, log ich ein wenig.

„Du meinst also: FKK?“

„Wenn du nichts dagegen hast.

„Und du willst mich verführen?“

„Auf die Idee würde ich nie — aber auch absolut nie — kommen. „

„Man sieht es dir an der Nasenspitze an: Du lockst mich unschuldigen jungen Mann auf die Wiese, dann verführst du mich, verhext mich aber auch, und dann rufst du alle Spaziergänger im Sachsenwald zusammen, daß sie mich auslachen. „

„Du hast wirklich eine blühende Phantasie! Nun fahr mal los, damit es nicht zu spät wird.

Waldemar brauste nach Schwarzenbek, setzte mich an der neugotischen Kirche ab — in die ich in meinem Aufzug schlecht gehen konnte — und fuhr zu seiner Kunden-Firma. Ich sollte ihm durch die gemütlichen Straßen von Alt-Schwarzenbek entgegenkommen und in einem angeblich leicht zu findenden Café auf ihn warten. In einem Bekleidungsgeschäft sah ich im Schaufenster und kaufte gleich einen sexy einteiligen Badeanzug, außerdem fand und kaufte ich ein Herbstkostüm mit konservativer Rocklänge — genau das Richtige für die Schule nach den Sommerferien.

Das Café war wirklich leicht zu finden, und Waldemar, der sich mit seinen Kunden wohl sehr unhöflich beeilt hatte, wartete schon auf mich. Wir aßen noch ein Eis, dabei fragte mich Waldemar:

„Was hast du denn da eingekauft?“

„Da ist ein gutes Textilgeschäft — ich hab einen schönen Badeanzug und ein Herbstkostüm gefunden. „

„Zeigst du mir das?“

„Aber nicht hier!“

Wir warfen uns verliebte Blicke zu, und bald drängte es uns zu Weiterem.

Ich lotste Waldemar zu dem Wald-Parkplatz und führte ihn auf dem kürzeren Weg zu „meiner“ Wiese.

„Hier ist es!“, sagte ich, als wir auf der Wiese angelangt waren. „Seit Jahrenden unverändert — die Bäume sind wohl etwas höher gewachsen — ja, soweit ich mich erinnere, war früher etwas mehr Sonne hier — aber es ist ideal: Man kann zwischen Sonne und Schatten wählen. Hier war ich — ich muß es beichten — schon mit mehreren Freunden — es ist sozusagen mein zweites Liebes-Zimmer.

„Herrlich ist es hier! Wie lange kennst du diese Stelle?“

„Laß mich nachrechnen — mit Otto war ich regelmäßig hier, er hat mir die Wiese auch als erster gezeigt, und dann hab ich meine besten Freunde hierher geführt — das müssen — kann das wahr sein? — siebzehn Jahre — ja, natürlich, ich war siebenundzwanzig, als ich Otto kennenlernte, und jetzt vierundvierzig — Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergangen ist!“

„Aber mit der Einsamkeit — ich weiß nicht“, sagte Waldemar.

Und in der Tat: Man hörte gar nicht sehr weit Waldarbeiter mit einer Motorsäge arbeiten — durch die Bäume sah man allerdings niemand.

„Für etwas Unsittliches ist es heute nicht ganz das Richtige, aber etwas sonnen können wir uns schon — auch nackig, solange niemand kommt“, und danach hörte es sich nicht an.

„Zieh doch mal deine neuen Sachen an, Melanie!“

Dies war wohl die erste Modenschau, die auf dieser Waldwiese stattfand.

Logischerweise zog ich zuerst nur meine Pants aus und das Kostüm an. Ich konnte, wie ich es schon im Geschäft anprobiert hatte, gut ohne BH tragen, allerdings würde ich es wohl normalerweise mit einem Unterhemd unterfüttern. Waldemar fand das Kostüm gut, aber etwas langweilig —

„weil du Wüstling mich schon in kürzer-rockigen Kostümen erlebt hast! Aber im Herbst bekomme ich in Latein und Griechisch eine zehnte Klasse, mitten in der Pubertät, und die Jungs sehen sonst nur auf meine Knie!“

„Und so sehen sie nur auf deine sexy Waden!“

Womit Waldemar natürlich recht hatte.

Dann zog ich mich ganz aus, um den Einteiler vorzuzeigen, lief aber vorher einmal um die Wiese und rief Waldemar:

„Komm, fang mich!“

Das gelang dem sportlichen Waldemar nach nur einer Runde, und wieder einmal wurde ich von einem lieben Mann ins Gras geschmissen — aber nicht genommen, dazu getraute sich Waldemar angesichts — genauer angehörs — der Waldarbeiter nicht, sondern „nur“ überall abgeküßt, auch — na, wo wohl!

„Mach weiter, Waldemar!“ flüsterte ich, und Waldemar küßte und leckte mich zu meinem ersten Orgasmus — nein, richtig: es war ja schon der zweite! — mit ihm — was wir beide wohl nicht so bald vergessen werden.

Nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, gingen wir zu unseren Sachen zurück. Erst jetzt breitete ich die mitgebrachte Decke richtig aus und zog den neuen Einteiler an. Waldemar fand ihn super — wohl auch wegen der Kamelfüße, die auch dieses Kleidungsstück deutlich zeigte — oder vielleicht war ich auch noch geschwollen.

„Ich sonne mich jetzt so“, sagte ich, willst du dich nicht auch ausziehen und, wenn nicht nackt, dich in der Unterhose sonnen.

„Ich schäm mich so –„

„Ist deine Unterhose nicht gewaschen?“

„Doch, aber –„

„Ach so, du hast etwas Großes — weißt du, so was kenn ich schon — deswegen brauchst du dich nicht zu schämen! Soll ich es vielleicht wieder klein machen?“

„Nein, danke! Kräfte sparen!“, lachte Waldemar.

„Ich weiß gar nicht, was du meinst“, sagte ich in scheinheiligem Ton.

„Ißt du nachher bei mir zu Abend?“

„Abendessen — ach so: Das meinst du! Ja, sehr gerne!“

Waldemar zog sich dann wirklich bis auf die Unterhose aus, die Beule war beträchtlich, aber wohl schon im Abschwellen begriffen; wir legten uns nebeneinander in die Sonne, hielten Händchen und schliefen bald ein, von der aus sicherer Entfernung herübertönenden Motorsäge in den Schlaf gelullt.

Nach einem kurzen, erholsamen Schlaf waren wir zu neuen Taten erstarkt, wollten diese aber nicht auf der Wiese tun, da es erstens doch schon kühler geworden war und zweitens der Trupp der Waldarbeiter offenbar näher gekommen war.

Wir zogen uns zurück um, ich in meine Pants, und ich führte Waldemar auf dem längeren Weg zu Auto zurück, um die Pause zu verlängern und uns Appetit auf das Abendessen zu schaffen. Dabei achtete ich darauf, daß ich Waldemar möglichst oft mit „natürlichen Bewegungen“ vorausging; dabei erzählte ich Waldemar von diesem liebenswerten Tick Ottos.

Auf dem Weg fragte ich ihn auch:

„Sag mal, Waldemar: War das nun unsere Hochzeitsnacht?“

„Das war doch keine Nacht — höchstens eine halbe — ein Hochzeits-Nachmittag oder -Abend!“

Waldemar fuhr sehr schnell nach Hause, um nicht zu sagen: Er raste, und dort angekommen nahm er ein vorbereitetes Boeuf Stroganov aus dem Tiefkühl und sagte dazu:

„Das hab ich nicht selbst gemacht, das hat schon gestern Marianne vorgekocht, ich hab ihr nur gesagt, ich hab dich zum Abendessen eingeladen und sie gebeten, uns etwas Schönes zu machen — und dies ist das Ergebnis.

Sie wünscht uns alles Gute und Schöne und guten Appetit. „

„Und du hast ihr nicht irgendwie — so — Intimitäten erzählt?“

„Nein, Melanie, bestimmt nicht! Allerdings denkt sie sich vielleicht was. „

„Wahrscheinlich!“

Waldemar deckte zum feierlichen Anlaß den Tisch in seinem Wohnzimmer — das heißt: Das meiste war schon vorbereitet, nur die Kerzen mußten noch angezündet werden. Zu dem feierlichen Anlaß, fand ich, würden meine Pants nicht passen, und so zog ich, während Waldemar in der Küche hantierte, im Schlafzimmer unbemerkt mein neues Kostüm an — dann hatte Waldemar bei dem zu erwartenden Nachtisch auch mehr zu tun.

Wir setzten uns zu Tisch, Waldemar hatte eine weitere Flasche Côtes du Rhône „geopfert“, wir wünschten uns guten Appetit, stießen das wievielte Mal auf unsere Freundschaft an — und während des Essens fragte mich Waldemar:

„Warum weinst du denn, Melanie?“

Ja, ich habe zwar ein loses Mundwerk, dann aber auch wieder nahe am Wasser gebaut, besonders wenn bestimmte gute Musik oder beim Sport die Nationalhymnen gespielt werden, und ich antwortete:

„Ich hab zwar manche ersten Male erlebt — aber keinmal war es so schön und romantisch wie mit dir — leg doch mal eine schöne Musik auf — keinen Bach, dann muß ich noch mehr heulen — Saties Musiksatiren wären jetzt das Richtige — die Seegurken — oder den Träger eines großen Steines — plumps! –„

„Hier hab ich einen Hindemith — 1922 –„

„Wunderbar! Woher hast du denn das? ,Überleg nicht lange, ob du das a mit dem 4.

oder dem 6. Finger anschlagen sollst` — das ist gut, das leg mal auf!“

Und so wurde ich wieder fröhlich. Dieser Hindemith ist zwar auch eine meiner Lieblingsmusiken, aber weniger zum Heulen!

Die Musik lief noch, als wir mit dem Essen fertig waren und uns mit den Weingläsern auf das Sofa setzten.

„The same procedure as last day?“, zitierte ich aus „Dinner for one“ in abgewandelter Form.

„Ich hoffe, nicht ganz!“, antwortete Waldemar lachend.

Die procedure begann wirklich fast wie am Vortag, aber bald fühlte ich bei meinem vorsichtigen Forschen etwas sehr Kräftiges in Waldemars elegantem Beinkleid — er hatte nach dem Wieder-Ankleiden auf der Wiese immer noch seinen Anzug für den Kundenbesuch an.

„Gehen wir nicht nach hinten?“, fragte Waldemar bald.

„Heute hast du es aber eilig!“

„Das hab ich! Heute will ich dich auffressen!“

„Woher hast du denn diesen Spruch? Den hab ich mal im Scherz einem Geliebten gesagt — es gibt doch da keine Querverbindungen?“

„Nein! Du damals und ich jetzt haben sicher im Unbewußten an so was gedacht wie: ,Ich hab dich zum Fressen gern!`“

„Gut, Waldemar, dann zieh mich vorsichtig aus — und falte das Kostüm sorgfältig zusammen!“

Das tat Waldemar mit ein paar schnellen Griffen, dann war es an mir, ihn seines Anzugs und seiner Wäsche zu entledigen, und schon während dieser Prozedur zeichnete sich ab, was dann ans Licht kam: eine Mords-Erektion, ein stramm um seine schräg aufwärts gerichtete Gleichgewichtslage pendelner Schwanz mit dicker, knallroter Eichel, von der es auf den Fußboden tropfte.

„Du hast doch nicht etwa Viagra genommen?“, fragte ich.

„Nein, nicht die Rede! Nur ,lüsterne Gedanken`, wie es warnend in früheren Büchern für die reifere Jugend hieß. „

Ich küßte Waldemar noch einmal im Stehen, fühlte sein dickes, feuchtes Ding am Bauch und flüsterte nur „Komm!“ Während wir uns nebeneinanderlegten, fügte ich noch hinzu:

„Ich nehm die Pille — hab ich dir das nicht schon gesagt?“

Waldemar posierte sich auf meinen linken Schenkel und drang vorsichtig von der Seite und von schräg oben in mich ein.

,Kein Vorspiel?`, dachte ich — aber wir hatten ja praktisch ein vierwöchiges, in den letzten Tagen und auch heute sehr intensives Vorspiel hinter uns — und ich genoß es bewußt, wie sich das dicke, gut befeuchtete Ende von Waldemars Kolben seinen Weg bahnte, bis es hinten sanft anstieß, was mich — für mich ungewohnterweise — zu einem nicht ganz leisen Aufstöhnen veranlaßte.

Dann bewegte sich Waldemar in mir mit mäßiger — genau der richtigen! — Geschwindigkeit hin und her, dabei immer die Stoßrichtung variierend und so die Nord-, Ost-, Süd- und Westseite meiner Scheide gleichmäßig reizend und damit auch den G-Punkt — aber Waldemar reizte wohl instinktiv nicht meine Scheide, sondern die Nord- West-, Süd- und Ostseite seiner Eichel.

In der Phase des tiefsten Eindringens kitzelte Waldemars zum Glück nicht rasiertes Schamhaar meinen Kitzler, der wohl auch selten so erigiert war.

Allmählich wurden Waldemars Bewegungen schneller, wir atmeten, ja keuchten heftiger, wir synchronisierten unser Atmen, ich spürte, wie Waldemars Eichel noch etwas dicker wurde, und dann entlud sich sein weißer Saft tief in meiner Muschi, und während der nur allmählich schwächer werdenden Nachspritzer hatte ich einen Orgasmus wie selten, den ich laut herausstöhnte.

Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß ich sogar froh wäre, wenn bei diesem Liebesakt die Pille nicht funktioniert hätte und ich schwanger würde. Als hätte Waldemar meine Gedanken erraten, flüsterte er mir ins Ohr:

„Sollten wir nicht doch vielleicht einmal an Kinder denken, mein Mäuschen?“

„Wie schön, daß mich wieder jemand ,Mäuschen` nennt wie meine Mutter, als ich ganz klein war. Aber Kinder — in meinem Alter — nicht daß ich so Angst hätte, ein behindertes Kind zu bekommen — aber wenn es mit vierzehn bis fünfzehn die Eltern am nötigsten braucht, bin ich fast und du über sechzig — ich glaub, dieses Thema ist für uns gelaufen — wo warst du eigentlich, als ich zwanzig war und mich in Dieter verknallt hab?“

Während dieser Reden spielte ich mit meinen Scheidenmuskeln um Waldemars immer noch in mir ruhenden nicht ganz abgeschlafften Schwanz.

„Sollen wir es nochmal versuchen?“, fragte Waldemar lächelnd. „Also damals, da muß ich ja vierundzwanzig gewesen sein — ja, da hab ich in Hannover an der TH studiert — ich wollte ja immer Ingenieur werden, und Hamburg damals ja keine Ausbildungsmöglichkeiten für solche — und, ich muß es gestehen, ich war schon fast mit Anne verheiratet. Schade, daß wir und damals nicht kennengelernt haben, jetzt müssen wir alles nachholen!“

„Alles nachzuholen wird nicht möglich sein, aber das eine oder andere schon!“

Damit begann ich nun meinerseits mit kreisenden Bewegungen meines Beckens Waldemar zu reizen, sein wieder erstarkter Liebesstab flutschte jetzt noch besser in der von seinem ersten Erguß triefenden Muschi, und sehr bald kam ich mit etwas weniger Stöhnen, während Waldemar bei konstanter Dicke und Steifigkeit ein ganzes Teil länger brauchte.

Wir umarmten uns und kuschelten aneinander, und bald waren wir eingeschlafen. Wir schliefen bis zum frühen Morgen, und als ich — natürlich zuerst — aufwachte und mir allmählich meiner Lage bewußt wurde, kuschelte ich mich selig noch einmal an Waldemar, von dem ich mich im Schlaf weggedreht haben mußte — oder umgekehrt. Davon wachte wiederum Waldemar auf, wir küßten uns wieder, dann mußte ich sagen:

„Es ist allmählich Zeit aufzustehen, aber es lohnt sich nicht, daß ich noch nach Hause gehe.

Ich ziehe das neue Kostüm an — ohne BH und Unterhemd — na ja — ich würde es aber gern noch einmal überbügeln. Hast du irgendwo ein Bügelbrett?“

„In der Küche hinter dem Schrank steht eines, aber das ist seit dem Tod von Anne nicht mehr benutzt, weil ja bis jetzt Marianne meine Sachen bügelt. Aber es müßte eigentlich noch gehen. „

„Und ein Bügeleisen?“

„Unten im linken Küchenschrank.

„So, dann geh ich mal bügeln — einfach so — in die Küche kann doch niemand reinsehen? — und du kannst schon mal ins Bad gehen. „

Ich fand das Bügelbrett und das Bügeleisen, alles funktionierte, und ich begann, nackt mein Kostüm zu bügeln. Bald hörte ich, wie sich Waldemar von hinten an mich heranschlich; er umfing meine Hüften, und ich spürte seine schon wieder aufgerichtete Keule an meinem Po.

„Waldemar“, mußte ich ihm leider sagen, „es ist jetzt wirklich keine Zeit mehr — besuch mich doch heute abend, und wir weihen für uns mein Spiegelkabinett ein. „

Aber Waldemar sah mich mit so traurigen Augen an, daß ich seinen sich mir in handlicher Höhe entgegenrichtenden Schwanz ergriff und ihm einen runterholte. Nur mußte ich Waldemar im letzten Moment herumdrehen, damit er auf den Küchentisch und den Fußboden und nicht auf mein Kostüm spritzte.

„So, nun aber ab ins Bad! Und tausend Dank für die schöne Nacht! — Und — soll ich auch für dich was bügeln?“

„Das wäre riesig nett –„

„Nimm hier ein Stück von der Haushaltsrolle und tropf nicht den ganzen Teppichboden voll, wenn du zum Bad gehst!“, mußte ich ihn unterbrechen.

„– ja, ich würde heute gern diesen Anzug anziehen.

„Ich bügel ihn schnell nochmal auf!“

Ich war mit dem Bügeln noch nicht ganz fertig, als Waldemar geduscht und Wäsche und Oberhemd angezogen hatte. In diesem Aufzug leistete er mir beim Bügeln Gesellschaft — „stell doch schon mal das Frühstück hin!“, so mußte ich ihn aus dem Betrachten meines Körpers reißen –, und wartete darauf, daß ich mit der Hose fertig würde.

„Das geht nicht so schnell, Waldemar, aber etwas Zeit ist ja noch!“

„Weißt du, daß du hinreißend aussiehst?“

„Ja, das hab ich ja gestern nacht erlebt, wie ich dich hingerissen hab! — Sag mal, hast du noch Sachen von Anna, und würden die mir passen, ich meine, vielleicht ein Unterhemd?“

„Ja, die Sachen sind fast alle noch da, ich hol dir mal was, ich glaube, das sollte dir passen.

Es paßte, und so würde ich nicht schon am ersten Tag mein neues Kostüm durchschwitzen.

Während ich duschte und mich anzog, richtete Waldemar in der Küche das Frühstück, und als auch ich mich an den Tisch setzte, entschuldigte sich Waldemar:

„Ich eß zum Frühstück immer ganz einfach: Milch mit Haferflocken und Brot mit Marmelade. Wenn du öfters hier übernachtest, dann müssen wir sehen, was wir für dich noch kaufen.

„Das werden wir sehen, ob ich öfters hier übernachte — vielleicht übernachtest du ja öfters bei mir, oder wir ruhen uns aus und schlafen getrennt — aber wenn, also: wenn — dann würde ich gern auch etwas Käse zum Brot essen. „

„Okay, morgen früh findest du hier auch Käse vor. „

„Ich dachte, vielleicht finde ich morgen früh dich bei mir vor. „

„Schon — aber deine Tage?“

„Die beginnen wahrscheinlich erst morgen — und außerdem kannst du doch deswegen bei mir schlafen.

— Hast du übrigens die Flecken von vorhin vom Tisch gewischt?“, fragte ich lachend.

„Ja, natürlich!“

„So, ich muß jetzt los, ich fahr mit dem Taxi. Kommst du dann am Nachmittag oder Abend, und was wünschest du zu essen?“

„Irgendwas genz einfaches!“

„Ich werd schon was finden!“

Ich telephonierte ein Taxi herbei und fuhr zur Schule. Es fiel auf, daß ich in einem neuen Kostüm, ohne Auto und ohne meine übliche Aktentasche kam.

„Sie strahlen ja so, Melanie, haben Sie einen neuen Freund?“, fragte mein freundlicher Kollege Claus mich in einem Moment, wo wir allein waren. Mit ihm verband mich die Erinnerung an einen one night stand nach dem letztjährigen Sommerfest, während dessen ich meinen Ärger mit Martin und Claus für eine Nacht — aber nur für diese eine Nacht — seine Frau vergaß, die bei ihrer Mutter auf Besuch war.

„Sieht man mir das so an, Claus? Dann muß ich ja ein grimmigeres Gesicht machen!“

„Das freut mich für Sie, Melanie, Ihr damaliger Freund, das war ja wohl eine ziemliche Katastrophe.

„Das können Sie laut sagen! — So, jetzt an die Arbeit!“

Man sah mir aber wohl wirklich mein Glück an der Nasenspitze an, denn auch, als ich nachmittags einkaufte, waren alle so freundlich zu mir! Freundlichkeit ist ansteckend, aber vielleicht kam es mir auch nur so vor.

Zum Abendessen machte ich „nur“ Bratwürste mit Brats-Kartoffeln, wie wir als Kinder immer gesagt hatten. Waldemar rief irgendwann an, und ich sagte ihm, wann das Essen voraussichtlich fertig sein würde.

Genau zu dieser Zeit klingelte er — und kam mit einem Köfferchen!

„Du bist dir wohl ganz sicher, daß ich dich nicht rausschmeiße“, sagte ich lachend unter den Begrüßungsküssen. Waldemar half mir, den Tisch fertig zu decken und lobte dann meine scharf gebratenen Würste.

Nach dem Essen sahen wir noch einen Krimi, und dabei begannen wir schon, uns zu entkleiden, die Hemden beziehungsweise meine Kostümjacke aufzuknöpfen, bald zog ich meinen Rock aus, um ihn nicht zu sehr zu zerknittern, und hockte mich mit nackten Beinen neben Waldemar, was ihn ziemlich vom Krimi ablenkte, aus dem gleichen Anti-Knitter-Grund brachte ich Waldemar auch dazu, seine Hose auszuziehen, ich spielte frech mit seinem Schwanz und brachte ihn zum Stehen — und kaum war der Mörder entlarvt, verschwanden wir eiligst im Schalfzimmer, um unsere aufgestaute Lust zu stillen.

Waldemar legte sich neben mich, aber mit dem Rücken zu den Spiegeln, küßte mich, leckte ein wenig auch in meiner Muschi, und als er merkte, daß ein weiteres Vorspiel nicht unbedingt nötig war, begann er mich wieder auf seine sanfte, aber doch bestimmte Art zu bearbeiten. Er selbst verschob also das Vergnügen, sich dabei im Spiegel zu beobachten, auf ein späteres Mal, ich aber konnte studieren, welche Muskeln des Mannes beim Ficken beteiligt sind.

Wieder spritzte Waldemar gewaltig, wieder erreichten wir fast gleichzeitig den Höhepunkt, aber nicht wieder machten wir es ein zweites Mal, sondern schliefen, bis uns der wohlweislich gestellte Wecker weckte.

Wir stritten uns wie alte Eheleute, wer zuerst ins Bad gehen durfte — ich brauchte länger zum Fertigmachen, aber Waldemar mußte dringender aufs Klo —

„Dann geh doch bitte aufs Gästeklo, es sieht dich garantiert keiner — oder pinkle, während ich mich dusche, ich denke, darüber waren wir uns auch schon wenigstens prinzipiell einig!“

Aber es lösten sich natürlich alle Probleme, Waldemar holte aus seinem eleganten Köfferchen einen anderen Anzug und neue Wäsche und packte die Sachen von gestern ein — um sie dann gleich seiner Schwester vorbeizubringen.

Auch beim Frühstück begann unsere Eheroutine schon nach dieser zweiten Nacht: Da wir beide Morgenmuffel sind, redeten wir nicht viel, lächelten uns immer mal wieder an und teilten ansonsten die Morgenzeitung unter uns auf.

Waldemar verließ die Wohnung zur Wahrung des Scheins ein paar Minuten vor mir, nicht ohne daß wir uns für den Abend wieder verabredet hätten. Heute wollte Waldemar für das Abendessen sorgen — „du brauchst heute mal nichts dafür zu tun!“ — und dann fuhr auch ich zum Dienst.

Dieses Abendessen war eigentlich „nur“ ein Abendbrot, zu dem Waldemar „nur“ ein besonders schmackhaftes Schwarzbrot sowie erlesene Käse- und Wurstsorten auffuhr sowie für mich als Dänenfreundin Carlsberg-Bier — „leverandör til den kongelige danske hof“ — leider bekam man aber selbst in Hamburg, hundertfünfzig Kilometer von der dänischen Grenze, nur Flaschen mit englischer Aufschrift.

In dieser Nacht geilte sich Waldemar nun doch an dem Spiegelbild unserer Aktionen auf, ich melkte ihn auch durch Reiten, aber diese Stellung gefiel ihm nicht so sehr, so daß er mich zum Abschluß noch in die normale Rückenlage wälzte — ohne Unterbrechung des Kontaktes.

Mit diesen drei Nächten begann unsere quasi-eheliche Routine insofern, daß wir nur noch selten getrennt in unseren Wohnungen schliefen, und da wir uns recht schnell darüber einig waren, daß Waldemar zu mir ziehen würde — und zwar in die größte Wohnung auf meinem Stockwerk, die ein Zimmer mehr hatte als meine bisherige Wohnung, in der also auch Waldemar ein Arbeitszimmer haben würde und die im kommenden Herbst oder Winter frei werden sollte, so brachte Waldemar so nach und nach seine Anzüge, Pullover uns sonstige Sachen zu mir, was mich endlich dazu brachte — bringen mußte, mich von jahrzehntelang nicht getragenen Kleidern, Röcken, Hosen und Blusen zu trennen.

Bei der Kleiderspende des Roten Kreuzes wurde ich Stammkundin und durfte in den für „normale Menschen“ abgesperrten Hof fahren.

Und auch darin zog eine normale eheliche Routine bei uns ein, als daß wir schon in der fünften gemeinsamen Nacht keinen Sex hatten, sondern „nur“ händchenhaltend einschliefen und sich auch unsere Hände bei irgendwelchen Drehungen im Schlafe trennten.

Und es war wohl etwa zwei Wochen nach unserem sexuellen „Einstand“, daß ich nachts aufwachte und spürte, daß sich neben mir etwas bewegte.

In dem schummerigen Licht, das von den Straßenlampen hereindrang, sah ich, daß Waldemar auf dem Rücken lag; er hatte sich in der Mitte frei gemacht, und sein erigiertes Glied zeigte Richtung Nabel und fiel leicht zur linken Seite. Das Geräusch rührte daher, daß Waldemar sich als ordentlicher Mensch ein Tempotaschentuch tischdeckenartig auf seinem Bauch ausbreitete. Sofort wurde mir klar, daß Waldemar onanieren wollte. Wir hatten uns zwar auch an diesem Abend vor dem Einschlafen geliebt, aber Waldemar verspürte wohl heute noch überschüssige Energien, die ihn nicht einschlafen ließen.

Ich stand nun vor der Frage: „Soll ich, oder soll ich nicht?“ Doch: Ich sollte — man soll doch über alles offen reden. Und so tastete ich mit zarter Hand nach Waldemar. Er bekam einen fürchterlichen Schreck, sagte dann aber doch lächelnd:

„Hast du mich also erwischt, Melanie!“

„Mach ruhig weiter und schäm dich nicht, Waldemar! Nur das wollte ich dir sagen — das machen doch alle Männer und wohl auch fast alle Frauen.

— Soll ich dir helfen, oder machst du es jetzt lieber allein?“

„Wenn es dir nichts ausmacht, dann mach du es!“

„Und soll ich nicht das Licht anmachen, daß du dir beim Spritzen zusehen kannst — das mögen doch die meisten Männer und machen es sich deshalb auch gern vor einem Spiegel. „

Auch das gefiel Waldemar, und so machten wir wieder Licht, Waldemar legte sich auf den Rücken, die Schußrichtung war also Richtung Bauch, und weil ich doch wollte, daß es schnell ging und wir noch genug Schlaf bekämen, feuchtete ich meine Fingerspitzen mit Spucke an und rieb direkt Waldemars Eichel.

Waldemar stöhnte bei diesem Diektangriff und dem typischen wohligen Eichel-Schmerz auf, seine rote Sptze wurde sofort noch dicker und nach wenigen Sekunden spritzte Waldemar über seinen Nabel hinweg. Ich nahm das Tempotaschentuch, wischte die weiße Freude weg, legte meinen Kopf auf Waldemars Brust, und wir waren eingeschlafen, bevor wir das Licht löschen konnten und bevor ich Waldemar bitten konnte, mich nächstens beim Wichsen zusehen zu lassen, damit ich lerne, wie er es gern hat.

Das holte ich am Morgen nach, und zu meinem maßlosen Erstaunen sagte Waldemar:

„Dann sieh mal gleich zu!“

Er deckte sich auf und begann sogleich, sich wieder einen runterzuholen.

„Was ist mit dir — das dritte Mal in einer Nacht?“

„Ich weiß es auch nicht, warum ich seit vorgestern so spitz bin — ich glaube — ich hab das irgendwo gelesen — daß Männer auch eine Art Periode haben.

Jedenfalls stand Waldemars gutes Stück alsbald wieder, und er zeigte mir, daß er, der mit einer ziemlich langen Vorhaut gesegnet war, immer noch am liebsten mit der Vorhaut über der Eichel wichste.

„Dann hab ich es ja gestern Nacht falsch gemacht!“

„Hast du nicht! Das war ein tolles Crash-Verfahren — wir kleinen Kinder mußten ja auch wirklich schlafen! — Du mußt mir aber auch einmal deine Methode zeigen!“

„Dafür ist heute morgen wohl keine Zeit mehr — bei uns Frauen dauert das ja meistens etwas länger — aber heute Abend zeig ich dir ein Live-Porno!“

Das hatte der Wüstling von Waldemar nach dem Abendessen keineswegs vergessen, sondern forderte mich nachdrücklich auf:

„Du hattest heute morgen gesagt, du wolltest mir heute abend was Heißes zeigen!“

„Hatte ich das?“

„Das hast du!“

„Hast du das schriftlich — kannst du das beweisen?“

„Ja natürlich!“, antwortete Waldemar lachend zu meiner Verwunderung.

Aber der „Beweis“ bestand in einer wahren Kußorgie! Also mußte ich ja wohl ran und Waldemar etwas Obszönes vorfingern — was mir aber nichts ausmachte, nur —

„Waldemar, ich möchte aber auch heute gern die Tagesthemen sehen — danach dann! — gedulde dich also bitte noch etwas!“

Wir ließen also Uli Wickerts Berichte über das Skandal- und Katastrophenland Deutschland über uns ergehen, und danach fragte Waldemar:

„Darf ich mich auch ausziehen beim Zugucken?“

„Ich würde mich an deiner Stelle schon vor dem Zugucken ausziehen!“

„Du drehst mir wieder das Wort im Munde rum — du weißt doch ganz genau, was ich meine.

Ich küßte Waldemar lachend und antwortete:

„Und ob ich das weiß — wahrscheinlich willst du auch wieder unsittlich Hand an dich legen. „

„Vielleicht — wenn es mir kommt — aber vielleicht will ich nur einfach in die vorbereitete Grotte nachstoßen!“, sagte Waldemar lachend in gespieltem obszön-machohaftem Ton.

Ich legte mich also nach der Abendtoilette ebenfalls auf den Rücken, spreizte die Beine, winkelte auch eines an, und begann mit der Fingerarbeit in der Muschi und am Kitzler.

Ich spürte, wir ganz allmählich meine Schamlippen anschwollen und sich wohl auch röteten, auch wie mein Kitzler sich erigierte und sogar die Eichel etwas sichtbar wurde, wie ich ertastete.

„Sieh gut hin! Hast du schon mal eine Kitzler-Eichel gesehen? Auch ich bin nicht so oft so stark erregt. „

Ich reizte meine Eichel ganz zart weiter — immer zwischen wohligen Gefühlen und dem Eichel-Schmerz balancierend — und kam nach untypisch kurzer Zeit, was ich für mich und andere wie gewöhnlich durch Schließen der Schenkel anzeigte.

Waldemar dankte — tief ergriffen, wie er später scherzhaft sagte — mit einem Kuß auf das Äußere meiner Scham, dann ging er vor wie ein Vergewaltiger, daß heißt, er versuchte, meine Schenkel mit Hand-, Armes- und sogar Beineskraft zu öffnen, aber ich hielt sie eine ganze Weile fest geschlossen, und so verlegte sich Waldemar — anders als ein Vergewaltiger — erst einmal aufs Küssen, und als ich mich von meinem heftigen Orgasmus erholt hatte, gewährte ich Waldemar den ersehnten Einlaß, und jetzt stieß er, wie er zuvor angekündigt hatte, kraftvoll in die vorbereitete Grotte und entlud seine beim Zusehen aufgestaute Lust nach wenigen Stößen, die aber auch mir zu einem zweiten Höhepunkt ausreichten.

Diese Kombination von Selbst- und Fremdbefriedigung wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben, und wir haben sie später des öfteren wiederholt, aber nie wieder so intensiv erlebt wie bei diesem ersten Mal.

Allmählich ging auch die Sorge um Waldemars Kleidung von Marianne auf mich über. Dabei gab mir seine gute Schwester viele Tips und erklärte mir liebevoll bei fast jedem von Waldemars Kleidungsstücken, was im Besonderen bei ihm zu beachten sei.

Ein Höhepunkt im Aufbau unserer Beziehung war der Tag, als ich zum ersten Mal mit Waldemar einen Anzug für ihn kaufte. Wieviel Jahre war das her, daß ich solches nicht mehr gemacht hatte! Waldemar war wie Dieter recht ungeduldig und hätte sicher den ersten oder höchstens zweiten anprobierten Anzug gekauft, wenn ich nicht dabeigewesen wäre und ihn noch weitere Anzüge hätte anprobieren lassen, bis wir ein elegantes, gut sitzendes Stück gefunden hatten.

Und wir mußten unseren Familien einander als unseren neuen Lebenspartner vorstellen. Das war eine harte psychologische Arbeit. So hatte Waldemars Tochter Hanne zwar ihre Mutter als Konkurrentin in ihres Vaters Gunst akzeptieren gelernt — über die Jahre der Kindheit und des Heranwachsens akzeptieren lernen müssen –, aber jetzt eine fremde Frau an seiner Seite, das war ganz etwas anderes. Ich mußte es ihr mühsam klarmachen, als sie einmal in Hamburg zu Besuch war, wohl um mich zu beschnuppern:

„Ich hab nicht vor, dir deinen lieben Papa abspenstig zu machen.

Du kannst nicht Waldemars — reden wir offen — Waldemars Geliebte sein, aber was er sonst für dich tun kann oder vielleicht einmal muß — sei versichert — davon werde ich ihn nicht zurückhalten — auch wenn wir vielleicht einmal heiraten sollten. Und — reden wir weiter offen — sei versichert, daß ich als später vielleicht angeheiratete Frau keinen Anspruch auf Waldemars Reichtümer erhebe — seine Eigentumswohnung und sein Ferienhaus, von dem er mal geredet hat — wo ist das eigentlich?“

„In Nieblum auf Föhr — aber das gehört zur Hälfte auch Tante Marianne.

„Wie auch immer — später wird es dir und nicht mir gehören — darüber muß ich mit Waldemar mal reden. „

Nach Beginn der Sommerferien nahm sich auch Waldemar drei Wochen Urlaub, zu denen er mich in sein und Mariannes Ferienhaus einlud. In der letzten dieser Wochen kamen auch Marianne und Heiner, die dann noch zwei Wochen bleiben wollten — das Haus war groß genug und reichte dann auch für drei Paare.

Das war nicht so geplant, Hannelore und Ingo wollten in diesem Jahr in Österreich Ferien machen, planten dann aber Richtung Nordsee um. Das Haus lag in einer Siedlung von Ferienhäusen, die sich gut Betuchte in den siebziger Jahren zwischen Wyk und Nieblum gebaut hatten und die unter Einheimischen nur die „Millionenhäuser“ heißen.

Diese Ferien waren, wir es sich für ein Paar noch in der ersten Verliebheitsphase gehört, eine einzige Liebesorgie — unterbrochen von Strandaufenthalten mit sportlichen längeren Schwimmübungen.

Zu Anfang besuchten wir den Nieblumer Textilstrand, bald aber konnte ich Waldemar auch dazu bewegen, mit mir zum Gotinger FKK-Strand zu gehen — und an einem warmen Abend gingen wir nach dem Abendessen noch einmal an den Strand, um den herrlichen Sternenhimmel zu bewundern — und bei dieser Gelegenhait konnte ich Waldemar sogar zu einem Liebesakt am Strand verführen, wie es sich ja wohl für ein frisch verliebtes Paar während eines Urlaubs an der See gehört.

In unserer letzten Woche, als auch Hanne und Ingo gekommen waren, organisierten wir einen zyklischen Koch- und Küchendienst — und gingen alle sechs zum FKK-Strand — „das machen wir schon seit drei Jahren“, klärte Heiner seinen Schwager auf, „und dein hoffnungsvoller Schwiegersohn, glaub ich zu wissen, auch. „

„Ich wußte ja gar nicht, daß mein Schwesterherz, die Chefbuchhalterin, FKK-Urlaub macht!“

„Du hast uns ja auch nicht gefragt, wie wir unseren Nordseeurlaub verbringen!“

Heiner genoß sichtlich den Anblick schöner Weiblichkeit ringsum, der nicht FKK-gewohnte Waldemar war da schamhafter, sie selbst waren, wie auch Hanne und Ingo, als moderne FKK-Menschen rasiert wie fast alle Männlein und Weiblein um uns herum und, und sie wunderten sich, wie Waldemar und ich so schamlos unsere Wälder zeigten, Waldemar auch an Bauch und Brust — „dafür sieht man bei mir nicht, was man bei dir so deutlich sieht, Hanne!“

Im Ganzen war es eine sehr harmonische letzte Ferienwoche, und Marianne und ich sind uns sehr nahe gekommen — nicht, was der Leser jetzt vielleicht denkt.

Nach den Ferien schlief Waldemar fast jede Nacht in meiner Wohnung, und wir wurden uns einig, daß er nicht nur fünfundneunzig-, sondern hundertprozentig zu mir ziehen würde, wenn die große Wohnung auf unserem Flur frei würde. Er nutzte es aus, daß seine Wohnung nun praktisch leerstand, und ließ sie gründlich renovieren, um sie dann günstig vermieten zu können — oder Hanne und Ingo zur Verfügung zu stellen, wenn sie vielleicht doch zurück nach Hamburg kommen wollten.

Waldemar war auch ein guter Hausmann; es machte ihm Freude, fürs Essen zu sorgen — durch Einkaufen, aber auch durch Kochen, wenigstens einfacher Gerichte, und er machte nach dem Abendessen meist den Abwasch.

Wir waren aber noch so heiß verliebt, daß es uns noch recht oft ins Bett zog und wir uns sagten: „Den Abwasch kann ja auch einer von uns morgen früh machen, oder er bleibt bis morgen, das wäre auch keine Katastrophe.

“ Als sich auf diese Weise über ein Wochenende einmal der Abwasch von drei Tagen in der Küche türmte, beschloß Waldemar, eine Geschirrspülmaschine anzuschaffen. Von so einem Ding habe ich in den Jahren, in denen ich allein gelebt habe, immer gesagt: „Nicht brauche sie ich“ — ein Zitat aus der sehr anregenden Parodie von Robert Neumann auf den unmöglichen Stil von Kayserling. Und Waldemar hatte nach Annes Tod seine Spülmaschine Hanne und Ingo geschenkt: „Die jungen Leute haben abends sicher was Besseres vor als abzuwaschen — und sie sind ja auch zu zweit und ich allein.

Die Spülmaschine, unsere erste gemeinsame größere Anschaffung, wird uns hoffentlich auf ewig aneinanderschweißen!

Ein schönes Erlebnis hatte ich im Herbst bei einem Konzert in unserer Gemeindekirche. Bei der Gelegenheit dieses Konzertes lernte auch Waldemar die Kulturinteressierten meines Stadtteils beziehungsweise meiner Gemeinde kennen. Und eine Ärztin aus der Nachbarschaft, die ich immer bei solchen Anlässen treffe, sagte mir später:

„Ihr Mann, der Herr Schröder, ist ja sehr sympathisch — hoffentlich kommt er öfter zu unseren Konzerten und Vorträgen.

„Ihr Mann“ hat die liebe Dame gesagt, nicht „Ihr Bekannter“, „Ihr Lebensgefährte“ oder ähnliche fürchterliche Ausdrücke. „Ihr Freund“ wäre auch ein schönes Wort gewesen — „Lebensabschnittspartner“ wird ja wohl nur humoristisch gebraucht, obwohl es genau genommen auf alle Arten der Partnerschaft zutrifft.

In den Spätherbst fällt auch der Geburtstag meines älteren Bruders Hans. Er hielt sich an den von meiner Mutter vorgegebenen Komment, mich ohne Freund einzuladen, aber ich nahm den etwas widerstrebenden Waldemar einfach mit und stellte ihn der Familie vor.

Das letzte Mal, daß ich mit einem nicht mit mir verheirateten Mann zu einer Familienfeier erschienen war, das war vor „Urzeiten“ mit Dieter kurz vor meiner Heirat. Und jetzt mit einem Mann, mit dem ich nicht einmal verlobt war!

Hans nahm die Sache, wie erwartet, locker, zumal er ja auch mit seiner neuen Freundin Annemarie die Heirat erst plante. Er freundete sich gleich mit Waldemar an und war nach zwei Sätzen per Du mit ihm.

Meine Mutter gab ihm nur kühl die Hand — immerhin! — und sagte:

„Guten Abend, Herr –?“

„Schröder, Mama, ich hab dir Waldemar doch schon vorgestellt, und du hast dich sogar mit ihm geduzt, als du damals die Überschwemmung im Keller hattest und wir nachts zu dir gefahren sind!“

„Guten Abend, Waldemar!“

Das waren fast die einzigen Worte, die meine Mutter an dem Abend mit Waldemar wechselte.

Und auch mein jüngerer Bruder Walter war sehr kühl zu Waldemar, aber wohl aus Neid. Ich war jetzt meist nicht allein zu Haus, wenn er kam und mit mir über seine momentane Ehekrise reden wollte. Nein, nicht etwas Intimes! Aber er hatte ein günstiges Stellenangebot nach Hannover bekommen, und für seine Frau, eine gebürtige Lübeckerin, ist das schon tiefstes Süddeutschland. Ich kann ihr das etwas nachfühlen, andererseits sollte der gute Walter wegen seiner lieben, aber etwas trampeligen Katrin nicht auf die gut bezahlte und auch von der Arbeit hochinteressante Stellung verzichten.

Aber zum Glück war es ja „Hans sein Festtag“, und so hatte er das Sagen, welcher Gast willkommen war und welcher weniger. Genau deshalb hatte ich mir schon lange vorher vorgenommen, Waldemar bei dieser Gelegenheit dem Rest meiner Familie vorzustellen.

Und so hab ich auch bezüglich meiner Familie dieses „Po-blem“, wie ich als kleines Kind immer gesagt habe, gelöst.

Ende November war es dann so weit: Die Mieter der großen Wohnung zogen in ihr neues Domizil, die Crew, die Waldemars Wohnung renovierte, machte sich auch über diese Wohnung her, und nach einer Woche kam der große Umzug, das heißt, mit Hilfe dieser Crew und netter Kollegen schafften wir meine Möbel über den Flur in die große Wohnung — natürlich mußten vorher die schweren Bücherregale ausgeräumt und nach dem Rüberschaffen wieder eingeräumt werden — das war noch die schwerste Arbeit — und um seine Sachen, vor allem auch die Bücher, herzuschaffen, hatte Waldemar eine türkische Möbeltransportfirma engagiert.

„Türken!“, sagte einer meiner Kollegen im Lehrerzimmer, als ich von dem Ganzen erzählte, „da können Sie aber warten, die verspäten sich bestimmt!“

Aber nein! Wie Waldemar mir am Abend erzählte, kamen die Türken auf die Minute pünktlich, machten ihre Arbeit schnell und professionell, ohne einen einzigen Schaden anzurichten, und als sie fast fertig waren, kam meine Nachbarin Frieda mit gebratenen Hähnchen zu uns rüber und sagte:

„Sie haben ja sicher keine Zeit gefunden, den Türken was anzubieten, und da hab ich diese Hühnchen gebracht — keine Currywurst — die essen ja kein Schweinefleisch!“

Ich umarmte die gute Frieda mit Tränen in den Augen und schwor mir, nie wieder über sie zu lästern, wenn sie den Flur durch ihr Guckloch beobachtet.

Nach diesem anstrengenden Tag fiel die eigentlich geplante zünftige Einweihung meiner verspiegelten Schrankwand nicht ins Wasser, aber in Waldemars und meinen tiefen Schlaf.

„Willkommen in unserer ersten gemeinsamen Wohnung!“, begrüßten wir uns am Morgen, fielen uns in die Arme und küßten uns „wol tûsentstunt“.

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