Schutzpatron in Leder Teil 01

Telefonsex mit ECHTEN Frauen: Zusätzlich mit Kamera Funktion möglich!

[Wer schon die eine oder andere Story von mir gelassen hat, weiß, dass ich Wert auf eine Einleitung lege und mir die Geschichte wichtig ist. Das ist bei „Schutzpatron in Nieten“ sehr ausgeprägt. Wer eher ungeduldig ist, kann zum zweiten Teil vorspringen. ]

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Ein Truck fuhr vor und öffnete seine Ladeluke. Behände sprangen zwei Männer ins Innere und zogen Eisenträger soweit heraus, dass weitere Männer diese ganz aus dem LKW ziehen und auf die Bühne tragen konnten.

Dort standen bereits Männer mit Werkzeugen bereit, die aus den Trägern das Gerüst für die Beleuchtung und Bühnendekoration aufbauten. Parallel arbeitete ein Trupp an der Verkabelung und dem Aufbau der Steuerung über das Monitorpult im Zuschauerraum.

Es war laut und hektisch. Der Geräuschpegel war durch die an- und abfahrenden Trucks, Bohrmaschinen und Hammerschläge sehr hoch. Die Männer, durchgehend von kräftiger Statur, in Jeans, Leder und T-Shirts gekleidet, riefen sich grobe Befehle und Erwiderungen zu.

Ein ungeübter Beobachter hätte das Geschehen als chaotisch beschrieben. Wer sich aber die Zeit nahm, das Treiben länger zu beobachten und wer dazu den Vergleich mit anderen Aufbautrupps von Showbühnen hatte, war sich bewusst, dass er Zeuge einer sehr effizienten Mannschaft war, die genau wusste, wie sie vorzugehen hatte.

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Dies lag vor allem an einem Mann, Roland Alt. Vor knapp 15 Jahren hatte er, damals noch mehr Jugendlicher als Mann, bei einer lokalen Band seinen ersten Job als Rowdy angetreten.

Er fand schnell Gefallen an dem turbulenten, von Auftritt zu Auftritt eilenden Leben, an der körperlichen Arbeit und an den Menschen, die sich im Umfeld einer solchen Show tummelten: einfache, manchmal auch grobe, aber grundehrliche Typen. Roland Alt hatte beste körperliche Voraussetzungen mitgebracht: 1,90 groß und durch viele Jahre Bodybuilding geprägter Körper. Er war sehr zuverlässig, robust und lernfähig und fand bald Anstellungen in großen Trupps, die die Shows von internationalen Stars begleiteten. Dem Management fiel mit der Zeit auf, dass Roland Alt eine natürliche Autorität unter den Rowdys zukam: durch seine ruhige Art, seine Übersicht, sein bestimmtes Auftreten hörten die anderen auf ihn.

Abgesehen von einem Bier und ein paar Zigaretten, wenn es hektisch wurde, hielt er sich von Alkohol und Drogen fern und war so nie Auslöser von Ärger sondern häufig Schlichter, wenn es unter den rauen Typen in der Mannschaft einmal zu Streitigkeiten kam. So widersprach niemand, als nach einigen Jahren das Management ihn offiziell als Leiter der Gruppe einsetzte.

Seitdem waren der Status und die Popularität von „Rol“, wie ihn alle nannten, unter den Rowdies sowohl in der eigenen Mannschaft als auch bei anderen Shows noch gestiegen.

Die Kollegen vertrauten ihm und fast jeder hatte eine Geschichte parat, wann Rol ihm einmal aus der Patsche geholfen hatte: sei es bei Ärger mit Polizei oder den Behörden, bei Trouble in der Beziehung oder einer handfesten Schlägerei mit betrunkenen Fans. Und wenn es nötig war, konnte Rol auch mal kräftig „zulangen“. Das Management teilte das Vertrauen in ihm, denn er hatte ein einzigartiges Talent, noch unter größtem Zeitdruck mit klaren Anweisungen aus einer verfahrenen Situation eine Lösung herbeizuführen.

Rol war mit sich und seinem Job rundum zufrieden. Er hatte seinen Platz gefunden.

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Das konnte man von Johannes Mindermann nicht behaupten, beim besten Willen nicht. Dessen Bilanz sah am Tag seines 18. Geburtstags nicht sehr rosig aus. Wenn er sich im Spiegel betrachtete, sah er einen schmalen, schlaksigen Jungen, mit dünnen Haaren und noch etwas Akne im Gesicht. Seine Haut war trotz der Jahreszeit, August, recht blass.

Das lag an dem Asthma, das er seit seiner frühsten Kindheit hatte und das ihn von sportlichen Aktivitäten und zuviel Sonne abhielt.

Mit etwas Geschick hätte man auch aus diesen Gegebenheiten optisch etwas machen können, doch leider hatte niemand Johannes dieses Geschick anerzogen. Weil er im innersten überzeugt war, nicht gut auszusehen und mit diesem Pech einfach leben zu müssen, schenkte Johannes seiner Kleidung und Erscheinung keine Aufmerksamkeit und zog immer noch das an, was seine fürsorgliche Mutter ihm kaufte und jeden morgen ins Bad legte.

Unglücklicherweise war der Geschmack der Mutter nicht mit der Mode mitgegangen und so trug Johannes immer noch gestrickte Westen auf karierten Hemden zu Buntfalthosen, während seine Klassenkameraden jede Modewelle auslebten und immer den neusten Schick hatten.

Aber Johannes war es gewohnt, etwas abseits und häufig außen vor zu stehen. Er war eine Frühgeburt und die ersten Lebensjahre viel schwächer als seine Altersgenossen gewesen. Als er häufiger Atembeschwerten hatte, diagnostizierte man Asthma.

All dies bewog seine Mutter, allzu fürsorglich über ihren Sohn und seinen Gesundheitszustand zu wachen. Wenn die anderen Kinder im Winter Schlitten fuhren, durfte er kaum das Haus verlassen. Im Frühjahr rissen sich die Kinder bei den ersten Sonnenstrahlen die Jacken und Mützen vom Leib, während Johannes getrimmt wurde, ja den Schal und die Wollmütze anzulassen. Beim Fußballspielen musste er zuschauen, da er weder die Kondition hatte noch seine Mutter „diesen Sport mit seiner immensen Verletzungsgefahr“ je erlaubt hätte.

Schon in der Grundschule hatte er eine Ausnahmegenehmigung, die ihm vom Sport freistellte.

Das machte es Johannes natürlich sehr schwer, Freunde und Anerkennung bei den anderen Kindern zu finden. Er wurde zumeist kaum beachtet, schließlich machte es wenig Sinn, ihn zum Spielen oder fürs Schwimmbad einzuladen. Während sich die anderen „aktiven“ Kinder abwechselnd zu Geburtstagsfeiern einluden, verbrachte Johannes seine Geburtstage mit seinen Eltern. In Konsequenz führte er als Kind ein zurückgezogenes Leben.

Um seine Freizeit zu füllen, entdeckte er für sich etwas, wo ihm seine körperlichen Schwächen nicht einschränkten: das Lesen. Schon als Kleinkind hatte er Bilderbücher geliebt. Mit Fünf hatte er angefangen, erste Wörter zu lesen. Und als er in die Grundschule kam, sog er den Schreib- und Leseunterricht wie auch alle übrigen Fächer wie ein Schwamm in sich auf. Viel früher als seine Klassenkameraden konnte er flüssig lesen und entdeckte eine neue Welt: Bücher! Zunächst las er begeistert Kinderbücher und Märchen, dann verschlang er bald alles, was er in die Hände bekam und verstand: Geschichtsbücher, Tier- und Naturbeschreibungen, Länderberichte, alles über Ägypten, Griechenland, die Römer, die Naturwissenschaften und und und.

Bald reichte ihm nicht mehr aus, was er in den Regal seiner Eltern fand oder er geschenkt bekam und wurde einer der jüngsten und häufigsten Besucher der städtischen Bibliothek. Und weil sein Aktionsradius so eingeschränkt war und er sonst kaum Freizeitaktivitäten hatte, trainierte er unbewusst sein Gedächtnis und konnte sich fast alles merken, was er las. In der Schule schrieb er nur Einser, auch wenn er sich im Unterricht zurück hielt. Schnell hatte er mitbekommen, dass es die anderen Kinder nicht sehr lustig fanden, wenn er auf alle Fragen der Lehrerin Antworten kannte, die sie kaum verstanden.

Er wurde ihnen zunehmend suspekt: während die meisten Schule blöd und Hausaufgaben was Schreckliches fanden, strahlte Johannes eine Begeisterung für alles Neue aus. Die Kinder begannen nun, ihn nicht länger zu ignorieren sondern zu hänseln. Sie beschimpften ihn als Streber, Doofmann, Außerirdischen, Schwächling und ähnlichen netten Titulierungen.

Dies wurde erst in seinen Jugendjahren besser, als seine Mitschüler zunehmend den Wert dieses lebenden Lexikons entdeckten: seine „Aushilfe“ bei Hausaufgaben und in Klausurvorbereitungen war gerne gesehen.

Tatsächlich half Johannes gerne, mindestens ein halbes Dutzend Mitschüler rettete er konkret über die Versetzung. Auch merkten die anderen, dass er nicht nur über Schulstoff ein immenses Wissen hatte. Wer einen bestimmten Filmtitel suchte, musste ihm nur eine Szene beschreiben oder die Hauptdarsteller nennen, schon konnte Johannes aushelfen. Er kannte die meisten Musikgruppen, Titel und Alben. Und niemand kannte sich bei Computern und im Internet wie er aus.

Dies alles führte dazu, dass die Hänseleien überwiegend aufhörten und er ein anerkanntes Mitglied seiner Klasse wurde, anders, aber schon ok.

Er stand in der Beliebtheitsskala immer noch nicht oben, wurde selten auf eine Fete eingeladen, hatte aber seinen Sonderstatus verloren, und damit war er schon zufrieden.

Wenn ihn mal wieder Schüler, die an ihrem alten Bild festhielten, verulkten, versuchte Johannes dies, so gut wie es ging zu ignorieren und den Ratschlag seiner Mutter zu beherzigen: „Achte nicht auf die, die wissen gar nicht, was für ein tolle Junge Du bist“.

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Am heutigen Freitag half ihm diese zwecksame positive Sichtweise nicht. Er war schlecht drauf: sein 18. Geburtstag und was erwartete ihn? Keine Fete, keine große Party. Er hatte sich entschieden, seinen Geburtstag nicht zu feiern aus Angst, trotz Einladungen würde niemand kommen. Glücklicherweise hatten seine Eltern an diesem Abend eine Veranstaltung, so dass ihm wenigstens eine traute Familienfeier erspart blieb.

Der Tag verlief wie jeder andere, einige Klassenkameraden gratulierten ihm sogar, aber keiner fragte nach einer Feier oder was er vorhatte.

Niemand verband seinen Namen mit Party, Fun und wildem Treiben.

Als der Tag zu Ende ging, verspürte Johannes eine ungewohnte Unruhe. Er hatte sich darauf eingestellt, einen ruhigen Abend mit den Geschenken seiner Eltern zu verbringen: einen spanischen Gedichtsband (spanisch war sein neuestes Hobby, vier Sprachen beherrschte er schon) und einer DVD Sammlung der Beatles Filme. Aber irgendwie wollte er seinem Geburtstag eine besondere Note verleihen. Er wollte einmal raus.

Schon öfters hatte er sich überlegt, einfach mal in den „Club 5″, einer kleinen alternativen Diskothek zu gehen. Der Club 5 war bei den Schülern sehr beliebt, günstige Getränke und überwiegend ältere Musik. Johannes war noch nie dort gewesen, seine Mutter hätte angesichts der verrauchten Luft dort ihm auch jeglichen Besuch untersagt.

Aber seine Eltern waren ja heute nicht da. Die Idee gefiel ihm zunehmend. Er war zwar sehr nervös, aber heute würde er diesen Schritt gehen.

Einmal wie jeder normale Schüler in die Disco!

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„Was für ein Arschloch“. Fassungslos starrte Sabrina in den Spiegel, das Telefon noch in der Hand. Tut tut tut. Sie spürte und sah, dass ihre Backen knallrot waren. Das sah in ihrem ansonsten äußerst schönen Gesicht nicht gut aus. Sabrina kochte. Und war sehr enttäuscht. Und das ärgerte sie noch mehr. Die ganze Woche hatte sie sich auf das Wochenende gefreut.

Sie wollte ihren fünf Jahre älteren Bruder in München besuchen und mit seiner Clique durch die angesagtesten Läden ziehen. Mit seiner Clique und Patrick. Patrick studierte mit ihrem Bruder und sie hatte ihn kennen gelernt, als er ihren Bruder einmal nach Hause begleitet hatte. Er hatte ihr sofort gefallen. Groß, dunkle Haare und noch dunklere Augen. Dazu coole Klamotten. Er war sehr nett zu ihr gewesen, hatte sie nach ihre Schule und Hobbies ausgefragt und ganz offensichtlich mit ihr geflirtet.

Und zum Abschied gemeint, sie könnte doch mal nach München kommen und mit ihnen abends losziehen. Das war vor fünf Wochen gewesen. Seitdem bekam sie Patrick nicht mehr aus ihrem Kopf. Sie war sich sicher, dass da mehr in seinen Worten lag. Zu ihrem Bedauern rief aber ihr Bruder nicht an, um sie gleich einzuladen. Also hakte sie nach zwei Wochen nach und sie hatten dieses Wochenende ausgemacht. Und jetzt hatte ihr Bruder abgesagt.

Der Idiot. Er würde ganz spontan mit ein paar Freunden nach Italien fahren. Ob sie da nicht mit könnte, hatte sie gefragt. Nein, nein, kein Platz für Mädchen. Ja aber, sie wollte ihn doch mal wieder besuchen. Und Patrick hatte doch auch vorgeschlagen … Ach Patrick, der sagt so was immer schnell. Bild Dir da nichts drauf ein, der hat an jedem Finger eine, und das jedes Wochenende. Außerdem Schwesterherz, bist Du für so was noch ein paar Jahre zu jung.

Ein anders mal. Und damit hatte er aufgelegt.

Sie wollte und konnte nicht glauben, Patrick hätte das nur so dahin gesagt. Ihr blöder Bruder. Sabrina schlug das Telefon auf den Tisch. Ahhh. Alle Vorfreude verpufft. Was sollte sie jetzt nur an diesem Wochenende machen, sie hatte sich ja nichts anderes vorgenommen. Verzweifelt tippte sie die Nummer von Petra ins Telefon. Petra war ihre beste Freundin, sie würde bestimmt auch ihren Bruder verfluchen.

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Nachdem sie sich über eine Stunde über ihren Bruder, Patrick, der frechen Aussage, sie sei zu jung und dem geplatzten Wochenende ausgelassen hatten, hatte Petra Sabrina überzeugt, einfach in den Club 5 zu gehen. Besser als daheim rumzuhängen. Auch wenn Sabrina wenig Lust hatte und immer noch sehr mies gestimmt war, stimmte sie ihr zu.

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Ein Blick auf seine Uhr zeigte Roland Alt, dass es 21.

00 Uhr war. Und sie waren fertig, genau im Zeitplan. Morgen hatten sie damit ausreichend Zeit für die Feinarbeiten und den Soundcheck. Zufrieden rief er den Feierabend aus und trieb seine Rowdies vom Gelände. Morgen würde ein langer Tag werden, da sollten sich alle heute einen frühen Schluss gönnen.

Zusammen mit seinen drei besten Kumpels stieg Rol in ein Taxi. „Wo ist denn hier am Freitagabend noch was los? Einfach nette Musik und ein gutes Bier?“

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Etwas mulmig war Johannes schon zu mute.

Er hatte sich die annäherst coolsten Klamotten aus seinem Schrank gesucht, die er finden konnte, etwas Geld eingesteckt und sich zum Club 5 aufgemacht. Nun trat er in die Disco ein. Oft war er mit dem Schulbus daran vorbeigefahren, aber hatte dem Gebäude wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Inneren befand sich ein sehr großer Raum mit einer Tanzfläche in der Mitte, einer Bar, einem Bereich mit Tischen und Stühlen, eine Ecke mit drei grossen, roten Couchen sowie einem Billard- und Dartraum.

Alles nicht nobel aber sauber. In dem Bemühen, nicht aufzufallen, bewegte sich Johannes vorsichtig durch den Raum und schaute sich um. Noch war es nicht sehr voll, aber der Abend hatte ja erst begonnen.

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Rol und seine Kollegen betraten wenige Minuten später den Club 5. Er schmunzelte. Eine nette kleine Stadtdisko. Hoffentlich machte die Musik was her. Sie deckten sich an der Bar mit Bier ein und belegten einen Tisch mit gutem Blickwinkel auf die Tanzfläche.

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„Komm schon, vielleicht treffen wir ja paar coole Leute“, versuchte Petra ihre Freundin vor dem Club 5 aufzumuntern. Aber sie wusste, dass das ein schweres Unterfangen war. Wenn Sabrina erstmal stinkig und schlecht gelaunt war, konnte sie über Stunden und Tage einem mit ihrer Motzlaune das Leben schwer machen. Trotzdem war Petra froh gewesen, als sie angerufen hatte. Sie hatte an diesem Abend nichts vorgehabt und wäre wohl vor dem Fernseher versackt.

Da war ein Ausflug in den Club doch interessanter.

Im Club war es schon recht voll, gerade lief der alte Grönemeyer Hit Bochum. Um Sabrina auf andere Gedanken zu bringen orderte Petra gleich zwei Cocktails und lies sich mit ihrer Freundin auf eine Couch nieder. „Möge es in Italien das ganze Wochenende regnen, blitzen und donnern“, prostete sie Sabrina zu. „Super Trinkspruch“, entrang sich Sabrina ein Lächeln, hob aber ihr Glas.

„Möge bei meinem Bruder dieses Wochenende alles schief gehen, was nur schief gehen kann!“

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Langsam wurde es immer voller. Johannes hatte eine Zeit beim Billard zugeschaut und sich dann entschieden, sich erst mal eine Cola zu holen. Dann schlenderte er zur Tanzfläche. Nicht das er tanzen wollte, oh nein. Er konnte nicht tanzen, war ganz und gar unsicher, wie man sich hätte bewegen sollen. Bei der bloßen Vorstellung, er könnte gar mit einem Mädchen tanzen, lief er rot an.

Gut, dass die Lichtverhältnisse eher düster waren und niemand sein Erröten sehen konnte. Nein, Johannes wollte einfach den anderen beim Tanzen zuschauen. Er war zwar stolz auf sich, seine Hemmungen überwunden zu haben und in den Club gegangen zu sein. Aber er fühlte sich auch verloren. Gerne hätte er sich mit jemand unterhalten, mit Freunden auf seinen Geburtstag angestoßen, gefeiert. Er seufzte tief. Kopf hoch, Junge, sagte er sich selbst. Macht doch keinen Sinn, in Depressionen zu verfallen.

Dir geht es doch ganz gut.

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Unter einem guten Abend verstand Petra etwas anderes. Sabrina schwieg die meiste Zeit und sprang auf Petras diverse Aufheiterungsversuche kaum an. Und das an einem Freitagabend! Petra lies ihren Blick über die anderen Gäste gleiten. Vielleicht konnte sie einen tollen Hecht entdecken, der Sabrina von ihrem Bruder ablenken würde. Sie musste die Stirn runzeln. Zwei Tische weiter beobachte sie eine Gruppe grobschlächtiger Typen in Lederklamotten.

Sie hätte ja Rocker gesagt, ob so was gab es in ihrer Stadt nicht. Die mussten von außerhalb sein. Es schüttelte sie innerlich. Brr, die waren nicht ihr Fall. Die müsste man erstmal gründlich waschen, ordentlich die Haare schneiden und in zivile Kleidung stecken. Sie beugte sich zu Sabrina vor. „Psst, leise. Schau mir mal unauffällig über die Schulter. Wären die schnuckeligen Typen da nicht was für Dich?“ Sabrina lies ihren Blick wandern. „Haha, sehr witzig.

Die sind doch eher Deine Kragenweite. “ Ihre Augen wanderten weiter. Dann breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht aus. „Nein, mein liebes Petrachen. Ich habe jetzt Deinen One Night Stand entdeckt. Mach Dich auf Deine Nacht der Nächte gefasst!“

„Wo?“, antwortete Petra und drehte sich um. Suchend versuchte sie zu entdecken, wenn ihre Freundin im Visier hatte. „Na, zwei Meter weiter an der Säule …“ Oh nein, dachte Petra. Streber-Johannes.

„Was macht der den hier??? Lassen die jetzt jeden rein!?“ „Der hat bestimmt bei Dir daheim angerufen und Deine Mutter hat ihm erzählt, dass wir im Club 5 sind“, feixte Sabrina. „Gleich kommt er und fordert Dich zum Tanz auf!“ „Wäh“, protestierte Petra, „dann wandere ich aus. “ „Quatsch“, antwortete Sabrina, „so ein paar Zungenküsse und ein bisschen fummeln schaden doch nicht. “ „Du spinnst total“, lachte Petra auf und schlug ihrer Freundin gespielt böse auf den Arm.

„Bloß weil Du nicht an Deinen Himmel-toll-Patrick kommst, musst Du mich nicht in die Hölle schicken:“ Aber Sabrina hatte Gefallen gefunden an ihrer Idee. „Also, ich finde, ihr zwei gebt ein tolles Paar. Allein Euer Stil ergänzt sich prima. “ „Du dumme Nuss. Gleich hetzte ich Strebi Joe auf Dich!“, drehte Petra den Spieß rum. „Hey Johannes“, sprach sie betont leise, „meine Freundin hier würde Dir gerne einen blasen. Und das Du sie von hinten nimmst.

“ Sabrina sprang fast auf und presste Petra ihre Hand auf den Mund. „Wenn er das hört“. Dann mussten beide sehr laut lachen. Sie bekamen sich fast nicht mehr ein. „Blasen und von hinten, die beste Idee des heutigen Tages“, gluckste Sabrina. „Hey Johannes, wenn Du das gut schaffst, darfst Du Petra anal entjungfern. Steht schon lange an!“ „Hahaha“, antwortete Petra, halb verärgert, halb am totlachen. „Ich hab Dir schon oft gesagt, ich steh nicht auf so'n Schweinkram.

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Johannes hörte lautes Lachen und typisch weiberhaftes Kichern hinter sich. Er drehte sich um. Oh nein!! Sabrina und Petra! Wenn Vampire Knoblauch und Weihwasser fürchteten, dann fürchtete er diese beiden! Sie gehörten zu den ewig gestrigen, die ihn immer wieder hänselten, verulkten, runtermachten. Er hatte noch nie erlebt, dass sie ihn wie einen Gleichberechtigten behandelt hätten. Und wieder hatte er das unangenehme Gefühl, ihr heftiges Lachen könnte etwas mit ihm zu tun haben.

Schnell drehte er sich weg. Vielleicht hatten sie ihn gar nicht gesehen. Sein erster Instinkt war, schnell wegzugehen, vielleicht ganz den Club zu verlassen. Aber eine innere Stimme drängte ihn zu bleiben. Es war sein Abend und er wollte hier sein und die Anwesenheit dieser beiden Hyänen sollte ihn doch nicht so verunsichern.

Angestrengt in die andere Richtung schauend erinnerte er sich an einige peinliche Momente. Biologieunterricht. Der menschliche Körper.

Dr. Wiedemann hatte gerade die menschlichen Geschlechtsorgane erläutert, als er sich am Tuscheln und Kichern von Sabrina und Petra störte. „Dürfte ich die Damen bitten, ihre Aufmerksamkeit der Stunde und nicht ihrem Tratsch zu widmen“, hatte er sie angefahren. Johannes wollte sich gerade freuen, dass die beiden einen Anschiss erhielten, da schossen die beiden zurück. „Wenn hier einer aufpassen sollte, dann Johannes. Wir haben schon mal Geschlechtsorgane gesehen. “ Die ganze Klasse hatte gelacht.

Geprustet. Sich nicht mehr eingekriegt. Viele fanden es zwar ein bisschen gemein, Johannes so bloß zustellen, fanden es aber pfiffig, wie Sabrina und Petra Dr. Wiedemann hatten abblitzen lassen. Nur Johannes hatte gar nicht lachen können. Oder die Jahrgangsfahrt nach Paris. Alle waren ausgelassen gewesen. Besonders Sabrina und Petra. Es war schon im Zug losgegangen. „Hey Baby Joe“, hatten sie quer durch das Großraumabteil gerufen. „Bist Du schon aufgeregt? Bald siehst Du lauter Pariser.

Überall. “ Schallendes Gelächter. Als kurz vor Paris de begleitenden Lehrer nach dem Recht schauten, kam der nächste Schlag. Sabrina wand sich laut und deutlich an Dr. Schöller: „Eine Frage vorab: Dürfen wir auch ins Moulin Rouge?“ Erste kicherten, aber alle lauschten gespannt. Dr. Schöller wand sich ernst an das Mädchen. „Das müssen wir Ihnen untersagen. Der Elternbeirat hat dieser Reise nur zugestimmt, wenn wir darauf achten, dass Sie alle sich von gefährlichen Lokalitäten fernhalten.

“ Sabrinas Gesicht wurde ganz weich und sie sah aus, wie ein kleines Mädchen. „Ich weiß das. Ich frage ja nur, weil Johannes Mindermann angekündigt hat, dorthin zu gehen. “ Das Kichern wurde lauter. Dr. Schöller wand sich um. „Herr Mindermann. Ich bin sehr erstaunt. Kommen Sie mal mit uns. “ Nun konnten sich die Mitschüler nicht mehr halten. Johannes lief knallrot an. Und zu allem Übel wollte Dr. Schöller seinen Beteuerungen, nie ähnliches gesagt oder vorgehabt zu haben, nicht recht glauben.

Gerne hätte er damals etwas zu Sabrina und Petra gesagt. Aber er fühlte sich unterlegen und war sich sicher, immer den Kürzeren zu ziehen.

Aber das alles hätte er nicht so schlimm gefunden. Nicht so schlimm wie das mit Patricia. Patricia war ein Mädchen aus der Nachbarklasse gewesen, die mit Ihnen nach Paris gefahren war. Johannes hatte sie zuvor mal hier, mal da auf den Schulfluren gesehen, ihr aber nie viel Aufmerksamkeit gewidmet.

Wie so viele. Weil sie einfach unauffällig war. Weder besonders hübsch noch hässlich. Weder besonders gut in der Schule noch schlecht. Einfach unauffällig. Ausgerechnet Patricia war es gewesen, die Johannes angesprochen hatte. Das er sich nicht grämen sollte, weil ihn die beiden immer hänseln würden. Die würden doch nur ihre Unsicherheit an ihm auslassen. „Toller Trost. Aber danke. „, hatte er geantwortet. Und war mit ihr ins Gespräch gekommen. Spätestens nachdem sie ihn mit der Aussage überrascht hatte, dass ihr manchmal lieber wäre, wie er Mittelpunkt des Gespötts zu seien, als immer nur übersehen zu werden, hatten beide einen Draht zueinander gefunden.

Johannes hatte sich sehr gefreut und die beiden fingen an, gemeinsam Paris zu entdecken. Unterhielten sich lange über Gott und die Welt. Dann kamen Sabrina und Petra. Schrieen quer durch die Jugendherberge „hey Ugly Jo, hasst Du einen Aufriss? Oho, Paris, die Stadt der Liebe. “ Oder quatschten Particia in der Mädchentoilette vor allen anderen an „Patricia, Du hast doch so was gar nicht nötig. Oder bezahlt dich Pickel Jo etwa?“ Zwei Tage später weckten sie Patricia mitten in der Nacht.

„Du, unten im Essensraum wartet Jo auf Dich. “ Eigentlich hatte sie den beiden nicht geglaubt, aber für alle Fälle nachgucken wollen. Als dann niemand im Essensraum war und sie zurück zu den Schlafräumen ging, war die Tür verschlossen. Keiner hörte ihr Klopfen, keiner bis auf Dr. Schöller. Alles, was er aus der tränenreichen, gestotterten Erklärung, was sie nachts auf den Fluren zu suchen habe, heraus hörte, war der Name Johannes. Wieder dieser Mindermann.

Es endete in einem sehr peinlichen Verhör in den frühen Morgenstunden, viel Getuschel und Gerüchten, und der Warnung von Dr. Schöller, sollte ihm noch einmal etwas rund um Johannes oder Patricia auffallen, beide schnell im Zuge nach Hause sitzen würden. Dann gab es nur noch ein kurzes Gespräch zwischen Patricia und Johannes. Ihr täte es sehr leid, aber sie würde das nicht aushalten. Sie hätte Angst, was die beiden noch alles anstellen würden und das Beste wäre, sie würden Abstand halten.

Zumindest in Paris. Johannes war sehr verletzt gewesen. Und wütend. Auf Sabrina. Auf Petra. Auf Dr. Schöller, der einfach unschuldig schauenden Mädchen mehr glaubte als ihm. Vor allem aber auf Patricia. Die sich so einschüchtern lies. Und auf seine Klassenkameraden. Die alle nicht halfen. Und auf sich. Das er ein solcher Waschlappen war, das er sich von zwei Mädchen terrorisieren lies.

Und wieder hatte er ein ängstliches Gefühl. Toller Einfall, in den Club zu kommen.

Das war eindeutig eher das Terrain von Sabrina und Petra. Gerade wollte er möglichst unauffällig in eine andere Ecke schlendern, da schubste ihn eine Kellnerin an. „Du bist Baby Jo?“ Johannes war überrascht und irritiert. Und obwohl „Baby Jo“ ganz bestimmt nicht sein Name war, wusste er doch, dass er gemeint war und nickte unbewusst. „Das soll ich Dir bringen“, meinte die Kellnerin und drückte ihm ein Glas Milch in die Hand. Verdutzt hielt Johannes die Milch und drehte sich unwillkürlich zu Sabrina und Petra um.

Er sah die beiden, die ihn aufmerksam beobachteten und bei dem Anblick seines Gesichtes und der Milch laut los prusteten. Sie konnten sich kaum mehr einkriegen und klopften sich gegenseitig auf die Schenkel. Die Umstehenden schauten interessiert. „Prost, Stupid Jo“, rief Sabrina und hielt ihr Glas hoch. „Ja und pass auf, dass es Dir nicht zu Kopf steigt“, rief Petra und bekam vor Lachen fast keinen Ton heraus. Alle schauten. Auch Rol.

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Viele schmunzelten und führten dann ihre Gespräche fort.

Rol schmunzelte nicht. Er wirkte entspannt wie zuvor, aber aus den Augenwinkeln beobachtete er die Szenerie genau. Er sah einen schlaksigen Jungen. Unter 20. Nicht gerade ein optisches Highlight, unsicher. Ihm war anzusehen, dass er das ganze nicht lustig fand. Gar nicht. Und er sah zwei Mädchen, etwa gleiches Alter. Beide auffallend hübsch. Die eine hatte lange, blonde Haare, die weit über ihre Schultern hingen. Sie trug ein weißes T-Shirt, dass eine Schulter frei lies, und darüber ein schwarzes Netzshirt.

Soweit er es von seiner Entfernung beurteilen konnte, wies das Shirt auch deutliche Rundungen auf. Ihr Gesicht war schön, aber zu stark geschminkt. Das andere Mädchen hatte rotbraunes, schulterlanges gelocktes Haar. Sehr auffällige Augen und Wangen. Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Klein aber gefährlich“ passte zu Rol's Wahrnehmung, dass dieses Mädchen weniger kurvig, sondern eher der sportliche Typ war.

Rol hatte so ein dumpfes Gefühl. Ein vertrautes dumpfes Gefühl. Er beobachtete den Jungen, der unschlüssig mit dem Glas Milch in der Hand dar stand.

Dann setzte sich der Junge Richtung Theke in Bewegung. Rol sah, dass auch die beiden Mädchen den Jungen beobachteten. Da stupste die Blonde die Braunhaarige an, flüsterte ihr etwas ins Ohr und stand auf. Sie schien schnell dem Jungen zu folgen. Unauffällig erhob Rol sich.

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Johannes glühte innerlich. Wie peinlich! Alle hatten mitbekommen, dass er ein Glas Milch bekam. In der Disco! Er schaute sich um.

Wo konnte er nur das Glas abstellen? Er bewegte sich zur Theke und bemühte sich, einen Weg durch die vielen Menschen zu finden. Auf einmal spürte er, wie er nach vorne geschoben wurde, irgendetwas seine Füße behinderte und schon konnte er sich schon nicht mehr halten. Er stürzte nach vorne, verlor endgültig das Gleichgewicht und riss seine linke Hand nach vorne, um seinen Sturz abzufangen und klammerte mit der rechten das Milchglas fest. Er landete halber auf den Beinen eines Mädchens mit schwarzen Haaren.

Weiß-schwarzen Haaren. Bei dem Sturz hatte er das Milchglas schwungvoll ausgeschüttet. Und nun sah er, wo die Milch gelandet war. Sie lief dem Mädchen quer über das Gesicht. Auch ihr Gesprächspartner hatte einiges abbekommen. Der sprang gerade wütend auf. „Hey Du Looser, spinnst Du. Du hast uns voll eingesaut. “ Als Johannes versuchte, sich aufzurappeln, krallte der Typ sich seinen Kragen. Johannes rechnete mit dem Schlimmsten, da legte sich eine kräftige Hand auf die Schulter des Kerls.

„Mal ganz ruhig, war doch nur ein Unfall“, sprach ein großer, kräftiger Typ ihm zu. Auch wenn der Tonfall sehr freundlich war, hatte er was ganz bestimmtes. Lies keinen Widerspruch zu. „OK, ok“, meinte der Typ und lies Johannes los. „Wer aber noch nicht laufen kann, sollte in keine Disco gehen. “ Johannes wollte sich bei dem Mädchen entschuldigen, aber die stand einfach auf und verschwand Richtung Toiletten. Dann drehte sich Johannes um, um den unbekannten Helfer zu danken.

Aber der war nicht mehr zu sehen. Dafür hatte Johannes das Gefühl, viele der Gäste beobachteten ihn und tuschelten. Eine Kellnerin kam mit einen Eimer und Lappen und fing an, die Sauerei aufzuwischen. Ihr vorwurfsvoller Blick traf Johannes ins Mark. Jetzt langte es ihm. Er hatte hier nichts mehr zu suchen. Er machte sich auf den Weg zum Ausgang. Da stoppte die Musik. „Hey Leute, eine kurze Durchsage…“

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Rol kehrte an seinen Platz zurück und war dabei, sich zu setzen.

Hatte sein Gefühl wieder einmal gestimmt. Er hatte noch gesehen, wie sich das blonde Mädchen hinter den Jungen geschoben hatte. Eine Sekunde später war er gestürzt. Er hatte zwar die Sturzursache nicht sehen können, konnte aber eins und eins zusammenzählen. Er war zufrieden, dass er eine unschöne Auseinandersetzung hatte verhindern können. Den Jungen etwas beschützen konnte. Die beiden Mädchen hatten die Couch verlassen und standen nun weiter hinten bei dem DJ. Es störte ihn, sie dort fröhlich lachen zu sehen, aber das war nicht seine Baustelle.

Er hatte nur Mitleid mit dem Jungen. In der Erinnerung sah Rol einen kleinen, schmächtigen Jungen. Nicht auffälliger als andere. Nur das dieser Junge ein Handicap hatte. Was man nicht sah. Bis man ihn ansprach. Und dann das Stottern hörte. Niemand außer Betroffene konnte nachvollziehen, konnte auch nur ihm Entferntesten nachfühlen, wie eine solche Sprachstörung ein Kind und insbesondere einen Jugendlichen verunsicherte, einschränkte. Er hatte gelitten. Wie ein Hund. Immer gefürchtet, dass man aufgrund seines Stammelns ihn auslachte.

Nicht ernst nahm. Für dumm hielt. Ja, er war gehänselt worden. Belacht. Veräppelt. Es schien so weit weg. Aber wenn er mitbekam, wie andere in ähnliche Situationen steckten, war die Erinnerung so stark, so nah, dass er einfach wusste, dass sich diesen frühen Erfahrungen ganz tief in seine Seele gebrannt hatten. Aber genauso tief eingebrannt hatte sich sein Weg, sein Aufstieg aus diesen Tiefen. Und seine Dankbarkeit für George. George war Soldat bei der US Army gewesen und in Rols Heimatstadt stationiert.

Das Schicksal hatte es gewollt, das George gerade an der zentralen Busstation wartete, als eine Gruppe von älteren Schülern Rol hänselte. „Sasasasasag dododoch wawawawas Doodoodoofie“, riefen sie. George hatte ihn angesprochen. Er war es gewesen, der Rol gefragt hatte, ob ihm das gefällt. Und warum er nicht dagegen kämpfte. „You have to fight. For yourself. „, hatte er gesagt, immer wieder. Er hatte Rol überredet, es mit Bodybuilding zu probieren. Um Selbstbewusstsein aufzutanken. Er hatte ihn in einen Übungsraum der Army geholt.

Und mit ihm trainiert. Zwei Jahre lang. Dann musste er zurück in die USA. Er ging aber sehr zufrieden. Aus dem schüchternen kleinen Jungen war ein kräftiger Heranwachsender geworden. Mit kräftigen Oberarmen, für sein Alter breite Schultern und gute Statur. Und das Beste war gewesen, dass mit jedem Zentimeter Muskel, den er aufgebaut hatte, sein Selbstbewusstsein gestiegen war. Und sein Stottern schwächer wurde. Bis es völlig weg war.

Rol hatte viel gelernt in dieser Zeit.

Ein Faible für körperliche Arbeit, einfache Typen, einen starken Verhaltenskodex. Und ein Mitgefühl mit den Schwachen, Belächelten. Ebenso wie eine Abneigung gegen die, die sich auf Kosten der Schwachen amüsierten, aufplusterten, darstellten.

Das Aussetzen der Musik riss ihn aus seinen Gedanken. „Hey Leute, kurze Durchsage:“, ertönte es vom DJ. „Eine besorgte Mami“, Rol glaubte zu sehen, wie der DJ kurz seinen Kopf in Richtung der beiden Mädchen drehte, „bat mich herzlichst, eine kleine Suchdurchsage zu machen.

Der kleine Joi soll schnell zur Tür kommen, es ist schon zehn und er muss dringend in die Heia. “ Lachen setzte ein. Rol beobachtete, wie die Leute sich umschauten. Die Mädchen schüttelten sich bereits wieder vor Lachen. Aber das schien ihnen noch nicht zu genügen. Eine rief „da vorne ist Joi“ und zeigte Richtung Ausgang. Der nächste rief „Joilein, Joilein. “ Immer mehr griffen den Ruf auf und aus allen Ecken klang es „Joilein“.

Sich an der Stuhllehne hochdrückend sah Rol, wie der Junge geradezu aus der Tür stürmte. Armer Kleiner, dachte er und drehte sich um. Da sah er die beiden Mädchen sich gegenseitig in die Hände klatschend. „Wuhu, wuhu. Yeah, Strike“, riefen sie. Indem Moment machte es in Rol klick. Genug ist genug. „You have to fight“, dachte er und beugte sich zu seinen Kumpels herab.

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Er lief.

Er rannte. Er musste schwer atmen. Zweihundert Meter vom Club 5 entfernt blieb Johannes keuchend an einer Litfasssäule stehen. Alles brannte in ihm. Nicht von den paar Metern laufen. Auch wenn er Null Kondition hatte. Nein, vor Scham. Alle hatten gelacht. Er sah sich schon in den nächsten Wochen durch die Stadt laufen und von unbekannten Menschen ein „Joilein“ entgegen gerufen bekommen. Oder voll Milch geschüttet zu werden. Sie hatten es wieder geschafft. Sabrina und Petra.

Er war fast zu schwach, um auf sie zu fluchen. Er fühlte sich vor allem elend. Daheim würde er sich in seinem Zimmer vergraben. Vergraben und nicht mehr rauskommen. „Hey Junge“, ertönte eine tiefe Stimme. Angsterfüllt schaute Johannes auf. Vor ihm stand ein großer, bärtiger Typ in Lederklamotten mit einem Tatoo auf der Wange. „Ich hab nichts getan“, stammelte Johannes, der sich der nächsten Bedrohung ausgesetzt sah. „Nur ruhig. Alles Roger“, antwortete der Typ.

„Rol schickt mich. Er will mit Dir reden. “ Wer ist Rol dachte Johannes panisch. „Kein Stress, Mann. Rol ist cool. Wenn Rol mit Dir sprechen will, ist das gut. Komm mit. “ Johannes folgte dem Mann. Was blieb ihm anderes übrig?

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Rols Gedanken waren ganz klar. Er hatte Pit zu dem Jungen rausgeschickt. Er würde ihn schon aufspüren. Nun fehlten noch die weiteren Gäste der kleinen Party, die er ihm Kopf hatte.

Angesichts der vielen Leute brauchten sie etwas Geduld. Alles Weitere sollte leicht sein. Sie warteten. Rol und Martin drinnen. Charly draußen. Zur Sicherheit.

Es dauerte fast zwei Stunden, bis sich etwas tat. Die beiden Mädchen hatten scheinbar genug und brachen auf. Unauffällig standen Rol und Martin auf und schlenderten zum Ausgang. Sie hielten Abstand zu den beiden. Dann waren diese draußen. Aber Charly würde sie ihm Auge haben. Als Rol an die frische Luft kam, nickte Charly von der anderen Straßenseite nach links.

Sie schlugen die Richtung ein. Dort konnte er die Mädchen sehen, die gerade auf einen Parkplatz eines Supermarktes gingen. Bestens. Großer Platz. Viele Autos. Aber keine Leute. Leise glitten Rol und Martin durch die Autoreihen. Die Mädchen hätten sie aber auch kaum gehört. Sie redeten und lachten laut. An einem blauen Golf angekommen, stoppten sie. Die Blonde stand an der Fahrertür, die Braunhaarige an der Beifahrertür. Als die Blonde die Tür aufgesperrt hatte, ging alles sehr schnell.

Rol und Martin tauchten auf wie aus dem Nichts. Martin presste seine Hand auf den Mund des braunhaarigen Mädchens und drückte sie gegen den Wagen. Rol hatte die Blonde fest im Griff. Charly kam hinzu. Er trat auf die Blonde zu und zog aus ihrer Hand den Autoschlüssel. Dann öffnete er die Hintertüren. Rol und Martin schoben die Mädchen auf die Rückbank. Rol stieg hinzu, Martin nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Charly hinterm Steuer.

Kaum waren die Türen geschlossen, lies Charly den Motor an und glitt von dem Parkplatz.

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[Im zweiten Teil geht es gleich weiter].

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