Strafe 04: Straflager

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– Straflager

Steve war so lässig, wie man sich einen Amerikaner nur vorstellen konnte. Er wusste immer ganz genau, wo was los war und wo die coolsten Plätze waren.

Die beiden Trainees der Südostasien-Dependance eines großen deutschen Industrieunternehmens hatten sich ihm gerne angeschlossen: Er kannte sich in der Stadt aus. Mit ihm war immer was los, auch wenn seine heißen Tipps manchmal ziemliche Rohrkrepierer waren. Diesmal hatte er den allerheißesten Tipp auf Lager, den er aber erst kurz vor dem Ziel preisgeben wollte.

„Here we are!“, stellte er an einer ziemlich überraschenden Stelle fest: Sie standen vor einer hohen Mauer.

Tina und Ralf sahen ihn mit fragenden Augen an.

„Wir steigen jetzt da drüber!“, verkündete er lässig.

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„Und was befindet sich hinter dieser Mauer?“, fragte Ralf mit einem gewissen Unbehagen.

„Und wie kommen wir über die Mauer drüber?“, wollte Tina – schon deutlich abenteuerlustiger als Ralf — von ihm wissen.

„Stupids!“, kanzelte Steve die beiden deutschen Angsthasen und Nixblicker ab. „Da vorne ist ein Gittertor — da kommen wir ohne Probleme rüber. „

Sie schauten sich um, ob irgendjemand zu sehen war. Doch in der ruhigen Gasse lag alles dunkel und einsam. Steve und Tina ließen keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass sie den coolsten Platz der Stadt für sich erobern wollten und stiegen behände über das mit dicken Ketten verschlossene gusseiserne Tor.

Ralf kletterte ihnen mit mulmigem Gefühl hinterher.

Sie schlichen zwischen den wie ausgestorben daliegenden Pavillons, Ballustraden und Figuren hindurch und stiegen die Stufen des Pyramidentempels empor. Sie setzten sich knapp unterhalb der Spitze auf die Stufen und genossen den atemberaubenden Blick über die vieltausendfach erleuchtete Stadt. Selbst Ralf war hellauf begeistert und hatte sein komisches Gefühl fast schon wieder vergessen.

„Raucht ihr einen mit?“, lud sie Steve zu einem Joint ein.

„Oh, ja — geil!“, war Tina gleich dabei.

Ralf hatte noch nie geraucht. Doch wenn es einen Moment gab, der allgemeinen Euphorie nachzugeben, dann war es dieser. Er zog an dem dünnen handgerollten Glimmstängel, musste ein paar Mal heftig husten und spürte gleich die benebelnde Wirkung des ziemlich üblen Krauts. Ihm wurde sofort schlecht.

Er bekam fast nichts mehr mit von dem Chaos und dem Geschrei, das kurz darauf über sie hereinbrach.

Man zog und zerrte an ihm, man schrie ihn an, doch er war völlig weggedreht.

Steve und Susanne rannten sich die Lungen aus dem Leib und retteten sich mit einem Sprung über das nächstbeste Gitter ins Freie.

Er torkelte in Handschellen neben den beiden Gendarmen her, die ihn aus dem verbotenen Tempelbezirk abführten.

Er musste sich mitten vor dem zentralen Tempel übergeben.

Er wurde von Polizeistöcken traktiert und wurde äußerst unsanft zum Weitergehen gezwungen.

Als er mit heftigen Magenkrämpfen in der vergitterten Zelle des örtlichen Polizeireviers kauerte, wollte er nur noch eines: sterben…!

*

Sein Schädel war kurz vorm Explodieren. Er spürte schmerzhaft die Blutergüsse, die die Polizeiknüppel an seinen Seiten hinterlassen hatten. Er hätte jetzt alles für eine Aspirin gegeben!

Er wurde von zwei Polizisten unsanft aus der Zelle gezogen und in den Hof des Polizeireviers gebracht.

Seine Vernehmung fand unter freiem Himmel statt: Er stand, der Revierleiter saß hinter seinem Schreibtisch, auf dem ein Ventilator rauschte. Der Sergeant sprach ihn auf Englisch an: „Yu kno dat yu hav sirriosly violeted de dignity of e secrred plece?“

Er schaute den Polizisten mit großen Augen an.

„End even worrse forr yu: drrug abuse vil end yu in prrison!“

Nun erst wurde ihm bewusst, in welch dramatischer Lage er sich befand.

Nach der Aufnahme seiner Personalien wurde er gefragt, ob er sich bewusst gewesen sei, dass er in einen verbotenen heiligen Bezirk eingedrungen sei. – Er verneinte.

Er wurde befragt, ob er Drogen zu sich genommen hätte. – Er leugnete es.

Schließlich wurde er aufgefordert, seine „frrends“ zu verraten. Das würde seine Lage deutlich erleichtern. – Er schwieg.

Der Sergeant war sichtlich ungehalten über seine unkooperative Haltung.

„Yu tink dat yu cennot be punished as e Eurropean, dont yu?“ – Der Sergeant zeigte ihm seine blendend weißen Zähne: „I assurr‘ yu: yu vill!“

*

Das Verhör hatte ihn in eine zeitweilige Schockstarre versetzt. Die Worte, die der Revierpolizist verwendet hatte, purzelten ihm nur so durcheinander: „violated“, „sacred place“„drug abuse“, „punished“ und „prison“! Er dachte nur noch: „Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße…!“

Am frühen Nachmittag wurde er vom Polizeirevier — wieder in Handschellen — in das nahe Bezirksgericht gefahren.

Er wurde in eine Großraumzelle gesperrt, in der ein knappes Dutzend Delinquenten auf ihre Vernehmung oder auf ihren Prozess warteten.

Erst nach enervierenden Stunden in der stickigen, nach Schweiß und Exkrementen stinkenden Zelle wurde er herausgerufen und in einen kleinen fensterlosen Raum gebracht. An einem Tisch saßen zwei ältere Herren, die ihn mit ernster Miene anblickten.

„Setzen Sie sich! Ich bin Botschaftsrat Schmidt von der deutschen Vertretung und das ist Mr.

Yip“, machte ihn Herr Schmidt mit seinem chinesischstämmigen Anwalt bekannt. Herr Yip sprach ein erstaunlich gutes Deutsch und setzte ihm in kurzen, klaren Worten die Lage auseinander: „Ihr Prozess wird bereits morgen früh stattfinden. Die Anklage lautet auf Einbruch, Verletzung der Würde einer heiligen Stätte und auf Missbrauch leichter Drogen. „

Er schaute den Anwalt mit großen Augen an.

Dieser fuhr fort: „Ich rate ihnen, zu gestehen.

Der Einbruch in den Tempel lässt sich sowieso nicht leugnen und in Ihrem Blut wurden Spuren von Marihuana gefunden. Außerdem wurde zwei Meter von ihnen entfernt ein noch leicht nachglimmender Joint sichergestellt. „

In seinem bejammernswerten Zustand hatte er gar nicht bemerkt, dass ihm Blut abgenommen worden war.

Der Anwalt wurde nun ganz ernst: „Sie müssen mit einer Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe rechnen. Ich rate Ihnen dringend, die Identität der Mittäter offenzulegen.

Das könnte Ihnen zumindest die Prügelstrafe ersparen. „

Er wurde leichenblass.

„P-prügelstrafe…?“

„Yes, Sir. Auf Drogendelikte steht grundsätzlich die Prügelstrafe mit einem Rohrstock. – Äußerst schmerzhaft…!“, verzog der Anwalt sein Gesicht zu einer Grimasse.

Er blickte den Botschaftsrat hilfesuchend an.

Der zuckte mit den Achseln: „Wir werden alles Menschenmögliche versuchen, aber die Beweise sind eindeutig und die Tatvorwürfe sind alles andere als Bagatellen!“

Mr.

Yip schob ihm Zettel und Bleistift über den Tisch und forderte ihn auf: „Schreiben Sie die Namen der anderen Beteiligten auf das Papier. „

Er stotterte: „A-aber d-da war auch ein M-mädchen da-bei-bei!“

„Deutscher Nationalität?“, fragte Herr Schmidt.

„J-ja. „

„Sie müssen es sich gut überlegen, ob es das wert ist. Wahrscheinlich wird sie sich früher oder später sowieso selbst stellen.

Er blickte betroffen auf den weißen Zettel, der vor ihm auf dem Tisch lag. Dann schob er ihn mit zitternden Händen zu Herrn Yip zurück.

*

Er verbrachte eine schlaflose Nacht in der Gemeinschaftszelle. Außer einer versifften Toilettenschüssel, in der man vor aller Augen seine Notdurft verrichten musste, und einem winzigen Waschbecken gab es keinerlei hygienische Einrichtungen. Man schlief auf einer Bastmatte.

Er dachte die ganze Zeit verzweifelt darüber nach, ob er nicht einen ganz, ganz großen Fehler machte, wenn er hier den Helden spielte und Tina und Steve nicht verriet.

Die beiden hatten ihn schließlich einfach im Stich gelassen. – Nein, dass konnte nicht sein: In seinem Zustand hätten sie nie eine Chance gehabt, mit ihm zusammen zu flüchten. Aber hätten sie nicht einfach bei ihm bleiben können? – Wäre er denn geblieben, wenn sich ihm die Chance zu entkommen geboten hätte? Er könnte doch zumindest Steve verraten, der war schließlich an allem schuld!

Er zermartete sich das Gehirn und kam zu keiner Lösung.

Schon aus schierer Müdigkeit bleib er schließlich bei seinem einmal gefassten Entschluss.

*

Der Richter machte kurzen Prozess: Er verlas seine Personalien und verpflichtete ihn zu wahrheitsgemäßem Antworten (Mr. Yip übersetzte simultan). Er ließ die Staatsanwältin die drei Anklagepunkte verlesen und fragte ihn, ob er seine Schuld eingestehe. Er antwortete mit „Ja“. Der Richter fragte Staatsanwältin und Verteidiger, ob sie Fragen an den Angeklagten hätten oder ob sie Zeugen hören wollten.

Beide verneinten, und das Gericht zog sich zurück.

Nach knapp zehn Minuten erhob sich der gut gefüllte Gerichtssaal zur Verkündung seines Urteils: Er wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen.

Die Verkündung des Strafmaßes sollte in einer weiteren Sitzung um zwei Uhr nachmittags erfolgen.

Er wurde in Handschellen in die Zelle abgeführt. Die Wartezeit erschien ihm ewig. Mittags löffelte er ohne Appetit an einer dünnen Gemüsesuppe und stocherte in einem Schälchen Reis, während um ihn herum herzhaft geschmatzt und geschlürft wurde.

Ihm war eher nach Kotzen zumute…

Punkt 14:00 Uhr stand er vor der Gerichtsschranke und erwartete die Verkündung seines Strafmaßes.

Der Richter sprach und Mr. Yip übersetzte: „Der Verurteilte Ralf D. wird zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zu zwölf Hieben mit dem Rohrstock verurteilt. „

Er wurde kreidebleich.

Der Richter fuhr fort: „Die Berufungsverhandlung ist auf heute Nachmittag, 16:30 Uhr angesetzt.

So schnell sein Prozess auch über die Bühne ging, so enervierend war doch das ausufernde Prozedere mit Verkündung des Urteils, Warten, Verkündung des Strafmaßes, Warten, Berufungsverhandlung – und dann…?

Die bittere Wahrheit rückte für ihn allmählich näher. Er konnte zwar hoffen, dass sein Strafmaß in der Berufungsverhandlung vielleicht sogar noch einmal deutlich vermindert würde, doch musste er definitiv damit rechnen, im Gefängnis zu landen und wahrscheinlich auch geprügelt zu werden.

Die Richterin eröffnete die Berufungsverhandlung mit zehn Minuten Verspätung. Von einer Verhandlung konnte allerdings nicht die Rede sein. Staatsanwältin und Verteidiger hatten wieder keinerlei Fragen. Er wurde gefragt, ob er seine Taten bereue, was er selbstverständlich bejahte. Wieder zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Mr. Yip flüsterte ihm in der kurzen Pause zu, dass sich Tina der Polizei gestellt und Steve dabei denunziert habe, dass der sich aber durch Flucht ins Ausland der Strafverfolgung entzogen habe.

Das sei immerhin schon einmal von Vorteil, dass seine Nichtaussage für das Gericht jetzt nicht mehr relevant sei.

Die Richterin verkündete das revidierte Strafmaß: „Sofern sich der Verurteilte Ralf D. einer freiwilligen Drogentherapie unterzieht, wird die Haftstrafe zur Hälfte auf Bewährung ausgesetzt. Die hälftig zu verbüßende Haftzeit wird in Form von Lagerhaft vollstreckt. Die Prügelstrafe von zwölf Hieben mit dem schweren Gefängnis-Rohrstock wird umgewandelt in 24 Hiebe mit dem leichten Lager-Rohrstock.

Die Vollstreckung der Haftstrafe erfolgt nach Beendigung der Drogenentzugstherapie. Diese ist unverzüglich anzutreten. „

Er war sich nicht sicher, ob er alles richtig verstanden hatte und ob er jetzt erleichtert oder erschüttert sein sollte.

Seine wirren Gedanken wurden von der Frage der Richterin abgeschnitten, ob er das Strafmaß annehme. Er schaute sich fragend zu seinem Anwalt um. Der nickte. Er antwortete: „Ich nehme die Strafe an. „

Er erfuhr später, dass das Aushandeln der Straferleichterung die Botschaft eine ordentliche Summe Geld gekostet hatte.

Der fünfstellige Betrag wurde schließlich von seinem Arbeitgeber übernommen.

*

Er wurde in das zentrale Eingangsgefängnis auf der Gefängnisinsel verbracht: Er saß mit zwei weiteren Mitgefangenen im vergitterten Laderaum eines Transporters, die Hände in Handschellen, die mit einem Karabinerhaken an einer Öse unterhalb des Sitzes zwischen ihren Beinen festgemacht waren.

Nach dem Passieren einer Sicherheitsschleuse mit Leibesvisitation wurden sie auf ein kleines Gefängnisboot verladen.

Auch dort wurden ihre Handschellen wieder an Sicherungsösen festgemacht. Nach zwanzigminütiger Fahrt um die halbe Insel herum landeten sie an und wurden wieder in einen Transporter verfrachtet. Schließlich gelangten sie im Aufnahmebereich des Eingangsgefängnisses an.

Nach dem Passieren einer weiteren Sicherheitsschleuse betraten sie einen Raum, in dem sie von vier Gefängniswärtern empfangen wurden. Zu beiden Seiten des Raumes standen je zwei schwerbewaffnete Gefängnispolizisten mit Gewehr im Anschlag.

Er musste schlucken.

Die Wärter öffneten die Handschellen und forderten die drei Männer auf sich auszuziehen (der ihm zugeordnete Wärter tat es auf Englisch). Sie mussten ihre Schuhe und Kleider in ein Plastikkörbchen, das jeweils zu ihren Füßen bereitgestanden hatte, hineinlegen. Sein Nebenmann wurde angeraunzt, weil er seine Klamotten nicht fein säuberlich zusammengelegt, sondern unsortiert in das Körbchen geworfen hatte. Sie mussten die Arme in den Nacken legen und ihre Beine breit machen.

Sie hatten ihren Mund zu öffnen und ihre Zunge herauszustrecken. Der Wärter fassten ihm mit Gummihandschuhen in den Mund um sicherzustellen, dass er unter der Zunge und in den Backentaschen nichts einschmuggeln würde. Dann fingerte er an seinem Geschlecht herum, schob seine Vorhaut zurück und hob seine Hoden an. Nun mussten sie sich nach vorne beugen, die Hände an den Knöcheln. Seine Arschbacken wurden auseinandergezogen und ein mit Vaseline eingeschmierter Finger drang langsam in seinen After ein und fingerte darin herum.

Schließlich mussten sie ihre Füße nach hinten anheben, sodass ihre Fußsohlen und die Zwischenräume zwischen ihren Zehen begutachtet werden konnten.

Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nicht so gedemütigt gefühlt wie bei diesem äußerst peinlichen Eingangs-Check auf der Gefängnisinsel!

*

Nächste Station war die Dusche, unter der sie sich kräftig einseifen mussten. Die Zeit zum Abduschen reichte gerade soeben aus, um den Seifenschaum wieder abzuspülen.

Hinter dem Duschraum erwartete sie die ärztliche Eingangsuntersuchung. Sie wurden entsprechend ihrer Eingangsnummer hintereinander aufgereiht, so dass die hinteren beiden der Untersuchung des ersten zuschauen mussten. Es folgten die üblichen Routineuntersuchungen, die rasch absolviert waren. Noch einmal ging es an den Intimbereich, als ihre Hoden abgetastet wurden und ihre Prostata untersucht wurde. Seh- und Hörtests wurden durchgeführt und schließlich begutachtete ein Zahnarzt ihre Zahnreihen. Der Anstaltspsychologe wartete mit Gleichgewichtsübungen und belanglosen Fragen auf, die dazu dienten, die psychische Belastbarkeit der Häftlinge zu bestätigen.

Noch unter ärztlicher Ägide wurden ringsum Ganzkörperfotografien von ihnen angefertigt, um im Zweifelsfall für jegliche Eventualität gewappnet zu sein und ihren exakten Körperzustand bei ihrer Einlieferung dokumentieren zu können.

Dann folgte der Barbier, der ihnen die Haare bis auf die Kopfhaut schor. Im Stehen, die Arme wieder im Nacken verschränkt, mussten sie schließlich auch noch eine Intimrasur mit dem elektrischen Rasierapparat über sich ergehen lassen. Auch ihre Achselhaare wurden ausrasiert.

Schließlich wurden sie zur Kleiderkammer geführt, wo jeder der Männer ein paar dunkelblaue Baumwollshorts, ein weißes ärmelloses Baumwollunterhemd, ein paar hellblaue Badelatschen, ein olivgrünes Handtuch, eine Zahnbürste sowie Plastikbecher, -schüssel und -löffel ausgehändigt bekam. Sie mussten den Empfang der Sachen quittieren und durften sich dann ihre Kleider anziehen.

Zum Abschluss wurden sie, einer nach dem anderen, dem Eingangsoffizier vorgeführt, vor dem man stramm zu stehen hatte.

Der Officer fragte ihn nach Namen, Alter und Familienstand, nach den verurteilten Straftaten und dem verhängten Strafmaß. Er öffnete ein Plastiketui, entnahm ihm seine Gefängnismarke und ließ sie vom Wärter an seinem Handgelenk befestigen.

Er trug die Nummer 920505003D.

*

Er wurde zusammen mit den beiden anderen Männern in den Zellentrakt verbracht, und sie wurden zu dritt in eine gemeinsame Zelle gesperrt. In der Zelle gab es nichts als ein Waschbecken, einen Abtritt (es war nicht einmal eine Kloschüssel vorhanden) und drei Bastmatten.

Ein einziges kleines vergittertes Fenster, das über Augenhöhe lag, ließ ein fahles gelbliches Licht hinein. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Ihre knurrenden Mägen mussten leer bleiben, da sie die Ausgabe der Abendverpflegung verpasst hatten. Nie war ihrer aller Beklommenheit größer als in dieser ersten Nacht im Gefängnis.

Früh morgens wurde der Zellentrakt mit Trillerpfeifen aus dem Schlaf gerissen. Die Zellentüren wurden aufgeschlossen und die Besatzungen hatten vor die Tür zu treten und stramm zu stehen.

Laute Befehle und Parolen, die er nicht verstand, hallten durch den Flur. Nach der Musterung durch den leitenden Aufseher hatten sie Becher und Schüssel herauszuholen, in die ein dünner Tee und eine Reissuppe eingefüllt wurden. Sie frühstückten im Schneidersitz auf ihren Bastmatten.

Nach dem Frühstück wurde er als einziger der drei aus der Zelle geholt und musste seine gesamte Habe mitnehmen. An der Kleiderkammer musste er Zahnbürste und Essgeschirr wieder abgeben.

Dann wurde er in den Ausgangstrakt geführt, wo er auf den nächsten Transport zum Bootsanleger warten musste. Vor dem Gang durch die Sicherheitsschleuse wurden ihm Handschellen angelegt.

Nach dem Transfer mit dem Boot, bestieg er als einziger einen Transporter, der ihn zu seiner nächsten Station brachte: der Drogenentzugstherapie.

*

Das „Zentrum für drogenabhängige männliche Jugendliche und junge Erwachsene“ lag am Rande der Stadt, abgeschirmt von hohen Mauern.

Die Mönche, die das Drogenzentrum mit staatlicher Unterstützung betrieben, bestanden darauf, dass keiner der Delinquenten ihr Anwesen in Handschellen betreten sollte. Die Gefängnispolizisten nahmen ihm noch im Wagen die Handschellen ab und eskortierten ihn hinaus auf die staubige Straße. Sie betätigten die altertümliche Glocke und warteten vor dem übermannshohen geschlossenen Metalltor, bis der in blass-orangefarbener Kutte gewandete Guardien herauskam und ihnen öffnete. Er wurde von den Wärtern noch bis zur Veranda des Haupthauses begleitet, wo sie mit dem Guardien Papiere und Unterschriften austauschten.

Einer der Wärter verabschiedete sich mit einem sarkastischem Grinsen im Gesicht und mit den Worten: „See yu soon egain, my frrend!“. Der Guardien ging ins Haus zurück und er blieb unbeachtet auf der Veranda zurück.

Er blickte sich um und war überrascht, wie akkurat gepflegt der Vorhof des Anwesens war. Er stand nun bestimmt schon eine halbe Stunde vor dem pavillonartigen eingeschossigen Haus, dessen Fenster und Türen ringsum offen standen, in dem sich aber rein gar nichts zu bewegen schien.

Er konnte durch eine geöffnete Innentür durch das ganze Haus hindurchschauen und im rückwärtigen Bereich einen großen Garten erahnen.

Einerseits war er heilfroh, bereits nach einer Nacht – zumindest vorübergehend – wieder aus dem schrecklichen Gefängnis draußen zu sein. Andererseits hatte er ein ziemlich mulmiges Gefühl, was ihn hier erwarten würde. Es war ihm jedenfalls klar, dass er als Schänder eines geweihten Ortes einen schweren Stand unter den Mönchen haben würde.

Tatsächlich war man von seiner Anwesenheit alles andere als begeistert. Als er nach mindestens eineinhalb Stunden Wartezeit vom leitenden Mönch empfangen wurde, verhehlte der ihm dies auch nicht. Da er zwei Jahre lang in einem Londoner Drogenzentrum gearbeitet hatte, hatte er ohnehin keine allzu hohe Meinung von der westlichen Gesellschaft und von deren Werten. Der Mönch sagte ihm klipp und klar ins Gesicht, dass er den von ihm begangenen Frevel aufs Schärfste missbillige, dass man aufgrund seiner gerichtlichen Einweisung aber keine andere Wahl habe, als ihn hier aufzunehmen.

Außerdem habe das große deutsche Unternehmen, für das er anscheinend arbeite, eine großzügige Spende für ihre wichtige Arbeit getätigt — was aber keineswegs bedeute, dass er hier eine Vorzugsbehandlung genießen werde.

Es war eine Überraschung für ihn, dass sich seine Firma offensichtlich um ihn bemühte, so gut sie konnte.

Der Leiter des Zentrums erläuterte ihm den Ablauf seiner Therapie, die auf vier Wochen angesetzt war: Die erste Woche, in der er konsequent isoliert werde, diene dazu, dass er sich seiner Situation bewusst werde, seine Gedanken und Gefühle wahrnehme und ordne und seine Ziele erkenne.

In seinem speziellen Fall erwarte er von ihm auch, dass er reuevoll erkenne, dass er die religiösen Gefühle zahlreicher Menschen verletzt habe, indem er einen ihnen heiligen Ort auf schändliche Weise entweiht habe.

Er war schockiert darüber zu hören, dass ihr Eindringen in den Tempel offensichtlich deutlich höhere Wellen schlug, als er das bislang vermutet hatte.

„Es tut mir wirklich sehr leid…“, nuschelte er mit gesenktem Kopf.

Der Mönch überging seine für ihn nicht ausreichende Entschuldigung und fuhr damit fort, ihm das Therapieprogramm zu erklären: „Die zweite Woche dient der körperlichen Reinigung, insbesondere der inneren Reinigung von all den giftigen Substanzen, die in deinem Körper stecken. In der dritten Woche wirst du mit Hilfe von Meditation deinen Geist reinigen und deine schlechten Gedanken von dir werfen. In der vierten Woche wirst du deine Seele reinigen und neue geistige und seelische Kräfte aufnehmen.

Reinigung von Körper, Geist und Seele — das klang ja gar nicht so dumm, dachte er sich. Auch wenn er für Esotherisches eigentlich wenig übrig hatte.

„Deine erste Station wirst du gleich jetzt antreten: Du wirst sieben Tage lang von der Außenwelt und von jeglichem Kontakt abgeschottet sein! Wenn du es nicht aushältst, wird deine Therapie unverzüglich abgebrochen. Wenn es dir gelingt, dich in dieser Zeit auf dich selbst zu besinnen, wirst du gestärkt daraus hervorgehen.

*

Er lag auf seiner Strohmatte und starrte Löcher in die Decke. Er war eingesperrt in einen winzigen Raum, der von einem nicht allzu großen Loch über der Tür erhellt wurde. Unter der Tür, von außen zugänglich durch eine Klappöffnung, stand eine Art Nachttopf, der mit einem Deckel versehen war, und ein Krug Wasser. Mehr gab es nicht.

Gegen Mittag als die Sonne in ihrem Zenit stand wurde es beinahe unerträglich stickig und heiß in seinem Verließ.

Zu essen gab es morgens, mittags und abends eine frisch zubereitete Gemüsesuppe und ein Schälchen Reis, das von Tag zu Tag immer karger gefüllt war.

Die einzigen Möglichkeiten zur Körperpflege bestanden darin, nach Verrichtung der Notdurft sich mit dem Wasser aus dem Krug (der gesammeltes Regenwasser enthielt) den Hintern abzuspülen, sich vor den Mahlzeiten in einer Schüssel die Hände zu waschen und nach dem Essen auf einem lakritzartigen Stäbchen herumzukauen.

Vom Herumliegen auf dem von der Strohmatte nur wenig gepolsterten Dielenboden taten ihm anfangs ziemlich schnell die Knochen weh, doch wurde dies von Tag zu Tag besser.

Er war, bevor er in die Isolationszelle gesperrt worden war, vom Guardien dazu angehalten worden, im Rhythmus des regelmäßigen Glockenschlages zu liegen, im Schneidersitz zu sitzen, zu stehen, in seiner Zelle auf und ab zu gehen und schließlich wieder zu liegen.

Er solle darüber hinaus keinerlei sportliche Übungen verrichten und – vor allem: er dürfe auf gar keinen Fall Hand an sich legen…!

Er machte alles brav, wie es ihm aufgegeben worden war, und die Zeit verging ihm schneller, als er dachte. Er merkte es meistens nicht einmal, wenn sich die Klappe in der Tür öffnete und sein Nachttopf ausgetauscht oder seine Suppenschüssel wieder abgeholt wurde.

Er wunderte sich, dass ihm, wenn er saß oder stand oder ging, ganz andere Gedanken kamen, als wenn er lag.

Die wildesten Purzelbäume schlugen seine Gedanken vor allem im Liegen und ganz besonders in der Dunkelheit. Dann erfasste ihn auch wieder die namenlose Angst vor dem Gefängnis oder vor dem Lager, das ihm bald bevorstand. Und ganz besonders panisch vor dem Rohrstock…!

*

Er verließ die Zelle ziemlich verwildert: Sein Gesicht war seit einer Woche unrasiert geblieben, seine Shorts und sein Hemdchen waren geschätzte zwei Dutzend Mal durchgeschwitzt worden, und er stank nach süßlichem und nach ranzigem Schweiß.

Er zog sich aus und durfte in einem großen altmodischen Holzzuber baden. Doch das Wasser war kühl und er durfte nicht länger als sieben Minuten im Wasser bleiben.

Er bekam neuer Kleider: ein weißes ärmelloses Baumwollhemdchen und diesmal weiße Shorts dazu. Als Schuhe bekam er Holzlatschen.

Er wurde einer Gruppe von fünf jungen Männern zugewiesen, in der jedoch absolutes Schweigegebot herrschte.

Die körperliche Reinigung war eine ziemliche Rosskur: Sie mussten über drei Tage verteilt sieben Mal Rizinusöl trinken, um ihre Därme zu entleeren und zu reinigen.

Sie saßen nebeneinander aufgereiht auf dem Donnerbalken, krümmten sich und stöhnten, ächzten und furzten und entließen spritzend ihre immer flüssiger werdenden Ausscheidungen. Anfangs stank es noch bestialisch, doch zeitigte ihre innere Reinigung allmählich auch ihre olfaktorische Wirkung.

Er fühlte sich erst furchtbar elend, doch je leerer er wurde, desto besser ging es ihm schließlich. Er bemerkte aber auch, dass einige der Jungs neben ihm ziemlich am Stock gingen: Sie hatten (was für ihn ja gar kein Thema war) gerade erst den kalten Entzug in der Isolationszelle hinter sich gebracht, und ihre gereizten Mägen und Gedärme mussten nun schon wieder neue Torturen auf sich nehmen.

Doch auch für ihn hielt das Arsenal der inneren Reinigung neue Torturen bereit: Die anschließende Wassertrinkkur brachte auch ihn an seine Grenzen.

Sie wurden gezwungen, so viel Wasser zu trinken wie nur irgend möglich war, ja es wurde ihnen förmlich eingeflößt. Anfangs lief das Wasser unten fast so schnell wieder heraus wie es oben nachgefüllt wurde. Ihre Mägen, Blasen, Prostata, Harnleiter und Harnröhren wurden kräftig durchgespült, und allmählich schien sich das Aufnahmevermögen ihrer Blasen zu steigern.

Doch dann mussten sie noch mehr trinken, bis sie sich an dem in sie eingetrichterten Wasser schließlich übergeben mussten. Auch diese Prozedur wiederholte sich über drei Tage sieben Mal, an deren Ende alle Fünf völlig durchgeschüttelt und erschöpft waren.

Während sie in den ersten sechs Tagen so gut wie gar nichts gegessen hatten, wurden sie am letzten Tag mit stärkender Hühnerbrühe wieder aufgepäppelt.

Er hatte sich noch nie in so rascher Abfolge wahlweise so elend und so vital gefühlt.

*

Ihr Alltag verlief nun wieder in ruhigeren Bahnen: Ihr Tagesablauf bestand zum größten Teil aus Atem- und Meditationsübungen und vor allem aus Dasitzen und Schweigen.

Er fragte sich, ob die Reinigung des Geistes und der Gedanken nicht die größere Tortur war als das Scheißen und das Pissen und das Kotzen der vergangenen Woche. Vor allem stand seinem Geist sein Körper im Weg: Das stundenlange Sitzen wurde ihm zur furchtbaren Qual – jede Muskelfaser, jede Sehne, jeder Nerv, jedes Stück Knochen an seinem Rücken schmerzte! Und nicht viel besser erging es seinen Hüften, seinen Knien und seinen Fußgelenken.

Doch während der körperliche Schmerz ganz allmählich nachließ, quälte ihn weiter der Strom seiner Gedanken, die ständig um irgendetwas kreisen mussten: mal um die allerbanalsten Dinge, mal um schon längst vergessen geglaubte Erlebnisse und immer wieder um seine verzweifelte Lage. Mehr als einmal musste er die Übungen heulend und am ganzen Körper bebend abbrechen. Nachts im Schlaf träumte er schlimme Träume und schrie sich dabei seine Angst aus dem Leib.

Es gelang ihm bestenfalls für fünf Minuten, seine Gedanken vollkommen auszuschalten, und das waren für ihn selige Momente der Ruhe.

*

Seine letzte Woche in dem Drogencamp der Mönche sollte seiner körperlichen und mentalen Stärkung dienen: Er erhielt etwas reichhaltigeres Essen. Er lernte Übungen des Tai Chi und Chi Gong. Die Meditationen wurden nun kürzer und fokussierter. Es tat ihm gut, seinen Atem, seinen Herzschlag und Puls und jede Faser seines Körpers zu spüren.

Er lernte, die Energie in seinem ganzen Leib kreisen zu lassen — vor allem die überschüssige Energie in seinen Geschlechtsorganen.

Man schärfte ihm ein, dass er sich während seiner (jetzt kurz bevorstehenden) Haftstrafe auf diese einfachen Übungen besinnen müsse. Wenn er dabei bewusst und so tief wie möglich atme, könne er schließlich auch die schmerzhaften Schläge mit dem Rohrstock besser ertragen. Und natürlich auch seine Angst vor dem, was ihm bevorstand…

*

Der Schock hätte kaum größer sein können: Hier innere Reinigung, Selbstbesinnung und meditative Stille, da Hektik, Gebrüll und Brutalität!

Er durchlief nach Ablauf seiner Drogentherapie noch einmal alle Stationen seines ersten Aufenthalts auf der Gefängnisinsel.

Sein Aufenthalt in der Gefängniszelle verlängerte sich noch um zwei Tage, da man die Einlieferung eines weiteren zu Lagerhaft Verurteilten abwarten musste.

Zu dritt wurden sie schließlich mit dem Gefängnisboot wieder auf das Festland übergesetzt. Das Straflager lag etwa 30 km außerhalb der Stadt, sodass sie, da sie die ganze Stadt durchqueren mussten, gut eine Stunde unterwegs waren. Die Gefangenen wagten es nicht, während der Fahrt auch nur ein Wort miteinander zu sprechen, ja nicht einmal sich anzusehen.

Das „Straflager für junge männliche Erstdelinquenten mit ausreichend guten Wiedereingliederungsaussichten“, wie es im offiziellen Sprachgebrauch sperrig hieß, war am Rande des größten Strafgefängnisses des Landes eingerichtet worden. Sie hatten also tagtäglich vor Augen, was sie erwartete, wenn sie im Lager nicht spurten…!

Das Straflager nahm ausschließlich junge Erstverurteilte bis 25 Jahre auf. Die üblichen Straftaten, die Verurteilte in das Lager brachten, waren Randale, Besäufnisse, Schlägereien, kleinere Eigentums- und leichte Drogendelikte.

Die normale Aufenthaltsdauer betrug 6 Monate, die sich durch Disziplinarstrafen jedoch auf bis zu 9 Monate verlängern konnten.

Die Insassen stammten allesamt aus der Mittelschicht des Landes, da man sich die Vorzugsbehandlung, nicht zusammen mit gewöhnlichen Verbrechern hinter Gittern sitzen zu müssen und zudem noch ein Gutteil der Strafe auf Bewährung zu erhalten, finanziell auch leisten können musste. Es gab nicht wenige stramme Väter, die es geradezu darauf anlegten, ihre missratenen und verweichlichten Söhne in diese harte Schule zu schicken – vor allem dann, wenn es dem Sprössling gelungen war, sich um den obligatorischen Militärdienst zu drücken.

*

Sie wurden mit dem Gefangenentransporter in die äußere Sicherheitszone des Lagers hineingefahren. Erst nach Durchqueren der Sicherheitsschleuse, die in den inneren Lagerbereich hineinführte, wurden ihnen die Handschellen abgenommen. Sie hatten sich nebeneinander im Hof der Lagerkommandantur aufzustellen. Das Kommandogebäude war das einzige massive Gebäude im Lager. Links und rechts des Gebäudes lagen verschiedene Funktionsbaracken, jenseits des Exerzierplatzes waren die Unterkunftsbaracken für die Lagerinsassen aneinandergereiht.

Vor der Baracke, vor der sie sich aufstellen mussten, war ein improvisierter Aufnahmebereich eingerichtet worden: An drei nebeneinander aufgestellten Tischen saßen je ein Herr in militärischer Uniform, die ihre Lagereinweisung überwachten.

Zu allererst mussten sie sich vor den Herren nackt ausziehen und die Hände in den Nacken nehmen. Alle drei waren an Kopf, Achseln und Scham frisch getrimmt. Die Herren machten, worüber auch immer, ihre Notizen. Es wurden ihre Namen aufgerufen.

Er wurde auf Englisch angesprochen:

„Ralf D. , sechs Wochen und 24 Stockhiebe wegen Einbruchs, Verletzung der Würde einer heiligen Stätte und Missbrauchs leichter Drogen.

Er stand stramm und schrie: „Yes, Sir!“

Nun begann wieder die Prozedur der peinlichen Untersuchung: Finger in den Mund, Zurückschieben der Vorhaut und Anheben der Hoden, Bücken, Pobacken auseinanderziehen und Finger in den After und schließlich Begutachtung der Fußsohlen und der Zwischenräume zwischen den Zehen.

Es folgte eine weitere ärztliche Untersuchung und Befragung, obwohl die letzte für ihn gerade einmal 48 Stunden zurücklag.

Selbst Erkennungsfotos und Fingerabdrücke wurden nochmals von ihnen angefertigt, obwohl er schon zweimal im Eingangsgefängnis fotografiert und erkennungsdienstlich behandelt worden war.

In der Kleiderkammer wurden Ihnen Kleider und Ausrüstung übergeben: Wieder erhielt er blaue Shorts, ein weißes Trägerhemd, hellblaue Badelatschen und einfachen blauen Sneakern. Zur persönlichen Ausstattung gehörte ferner ein Handtuch, eine Zahnbürste, ein Essgeschirr aus Plastik, eine Trinkflasche aus Blech sowie eine Schlafmatte aus Bast und eine dünne Zudecke.

Dazu kam noch die militärische Ausrüstung bestehend aus schwarzen Stiefeln, grauen Socken, olivfarbener Hose, T-Shirt, Mütze und Rucksack, in den die Gebrauchsgegenstände verstaut wurden.

Endlich durften sie Shorts, Hemdchen und Badelatschen anziehen. Auf der Brust seines Shirts war sein neues Lager-Pseudonym „Muller“ aufgenäht. Er hatte sich fortan zu melden mit „Sir! Muller — 6 — 24 pending, Sir!“ – was soviel bedeutete wie: „Ich habe hier 6 Monate abzusitzen und die 24 Stockhiebe stehen mir noch bevor“.

(Es war übrigens verboten, sich vertraut beim Vornamen zu nennen. ) Seine korrekte Meldung war das erste, das er in der Landessprache sagen konnte.

*

Vor ihrer Baracke wurden sie von einem zackigen Armee-Sergeant in die zentralen Regeln eingewiesen.

Die obersten sechs Leitlinien lauteten:

– Gehorsam

– Disziplin

– Eifer

– Pünktlichkeit

– Sauberkeit

– Schweigen

Der Tagesablauf von Montag bis Samstag sah folgendermaßen aus:

04:55 Uhr Wecken

05:00 Uhr Musterung

05:15 Uhr Morgentoilette

05:30 Uhr Frühsport

06:30 Uhr Frühstück

07:00 Uhr Reinigung der Unterkunft

07:30 Uhr Morgenappell

08:00 Uhr Militärische Ausbildung

12:00 Uhr Mittagsverpflegung

17:00 Uhr Reinigung der Ausrüstung

17:30 Uhr Abendverpflegung

18:00 Uhr Abendappell

18:30 Uhr ggf.

Strafexerzieren

19:30 Uhr Abendtoilette

20:15 Uhr Musterung

20:30 Uhr Zapfenstreich (samstags 22:00 Uhr)

Der Tagesablauf für Sonntag war folgender:

07:00 Uhr Musterung

07:15 Uhr Morgentoilette

07:30 Uhr Frühstück

08:00 Uhr Reinigung der Unterkunft

09:00 Uhr Reinigung der Ausrüstung

10:00 Uhr Schulung

12:00 Uhr Mittagsverpflegung

13:00 Uhr Sport

15:00 Uhr Wochenappell

15:30 Uhr Vollstreckung von Disziplinarstrafen

16:30 Uhr Freizeit

19:30 Uhr Abendtoilette

20:15 Uhr Musterung

20:30 Uhr Zapfenstreich

Als Disziplinarstrafen konnten verhängt werden:

– Strafexerzieren wochenweise

– Körperstrafen in leichter Form: mit dem Riemen, mind.

12 / max. 36 Schläge

in schwerer Form: mit dem Rohrstock, mind. 6 / max. 24 Schläge

– Arrest 3 Tage bis 3 Wochen

Arrest und Körperstrafen waren grundsätzlich zusammen zu verhängen

– Strafverlängerung je Arresttag um 3 Tage

– Suspendierung Aufhebung der Bewährung und Überführung in ein reguläres Gefängnis

Arrest und Körperstrafen wurden insbesondere verhängt bei:

– Befehlsverweigerung

– Gewaltanwendung

– Selbstverstümmelung

– Unzucht

Masturbation

*

Wie auf Absprache sahen sie sich gegenseitig mit großen Augen an, als das Wort „Masturbation“ fiel.

Selbst er hatte es verstanden, bevor es einer seiner beiden Mitgefangenen für ihn ins Englische übersetzte.

Sie waren peinlich berührt, da man es selbstverständlich offiziell sowieso nicht tat. Es war aber allen klar, dass sechs Monate absoluter Enthaltsamkeit nahezu ein Ding der Unmöglichkeit war. Oder würde einem die Geilheit hier sowieso bald vergehen?

Bis die Mannschaft von der militärischen Ausbildung zurück war, mussten sie den Dielenboden der Baracke dreimal von hinten nach vorne und wieder zurück schrubben.

*

Fünf vor Fünf riss ihn der gellende Pfiff der Trillerpfeife aus seinem unruhigen Schlaf.

Um ihn herum sprangen alle sofort auf und stellten sich vor ihren Schlafmatten auf. Schwerfällig tat er es ihnen nach und nahm Haltung an. Der Sergeant schritt die Reihe der 30 mit nacktem Oberkörper und nur in ihren blauen Shorts dastehenden jungen Männer ab. Die Neuzugänge ließ er Meldung machen.

Er meldete als erster: „Sir! Muller — 6 — 24, Sir!“. Der Sergeant bellte ihn an: „10 Push-ups!“ Er machte seine Liegestützen und meldete sich noch einmal — diesmal beinahe schreiend: „Sir! Muller — 6 — 24, Sir!“. Der Sergeant brüllte ihm ins Gesicht: „20 Push-ups!“ Er warf sich wieder zu Boden und pumpte. Er verstand die Welt nicht mehr. Was hatte er nur falsch gemacht? Bei seiner dritten Meldung fiel ihm dann doch noch im allerletzten Moment ein, dass er den korrekten Status seiner Prügelstrafe nicht gemeldet hatte: Er stotterte gerade noch rechtzeitig ein „24 p-pending“ heraus.

Der Sergeant ließ es großzügig gelten.

Im Anschluss an die Musterung liefen sie im Gänsemarsch nach draußen und verteilten sich auf drei Stationen: Je einer zu beiden Seiten der sechs Waschtröge, sechs auf dem Donnerbalken, sechs weitere in der Warteschlange davor und sechs in Reih‘ und Glied bei der Rasur, die von einem Wärter im Halbminutentakt durchgeführt wurde. Der Ablauf war so gut eingespielt, dass die Morgentoilette von 30 Mann tatsächlich innerhalb von 15 Minuten erledigt war.

Er hatte zwar in der Hektik nicht daran gedacht, sein Handtuch mitzunehmen. Doch das war nach der Katzenwäsche, die mit Hilfe eines abgegriffenen Stücks Kernseife und eines Schüsselchens, das man in den Wassertrog tauchte und dessen Inhalt man über Kopf oder Oberkörper goss, auch nicht zwingend nötig.

Der Frühsport wurde ebenfalls mit nacktem Oberkörper absolviert und bestand aus 15 Minuten gymnastischen Übungen, zu denen man sich in Reih und Glied aufstellte.

Dann eine halbe Stunde lang um den Exerzierplatz Herumrennen und zum Abschluss nochmals 15 Minuten Gymnastik.

Er verstand nie ganz, warum die Morgentoilette vor und nicht nach dem selbst zu so früher Stunde schon ziemlich schweißtreibenden Sport stattfand. — Wahrscheinlich hatte das Scheißen und Pissen direkt nach dem Aufstehen Vorrang, und mehr Zeit für die Körperpflege wollte man ihnen wohl nicht zugestehen. So war jedenfalls klar, dass die ganz Mannschaft spätestens nach dem Morgenappell durch die Bank nach Achselschweiß roch.

Um halb Sieben hatten sie wieder vor ihren Bastmatten anzutreten, um eine Schale Reis und eine kräftige Suppe entgegen zu nehmen, die sie im Schneidersitz auf ihren Matten hockend schmatzend und schlürfend zu sich nahmen. Man trank Wasser aus einem Wasserhahn und füllte die Wasserflaschen für das Marschgepäck ab.

Nach dem Frühstück wurden die Matten ausgeschüttelt und abgewischt und der komplette Barackenboden sauber geschrubbt. Die Neuen wurden selbstverständlich zum Reinigen der Latrine eingeteilt, wo sie die stinkende offene Rinne mit einem Wassereimer ausspülen und den Balken davor mit dem Schrubber abschrubben mussten.

Punkt halb Acht hatte die gesamte Lagerbesatzung vor der Kommandantur zum Morgenappell anzutreten. Ein Leutnant gab die Befehle zum Ausrichten und Stillstehen. Zur Begrüßung des Kommandanten wurden aus fast 200 Männerkehlen die Worte „Guten Morgen, Herr Kommandant!“ herausgeschrien. Der Lagerkommandant im Range eines Majors gefiel sich darin, seine Häftlinge in langatmigen Ansprachen wortreich an ihre ehernen Pflichten zu erinnern, von denen ihm Gehorsam und Disziplin besonders am Herzen lagen. Er schaffte es grundsätzlich immer, die vorgesehene halb Stunde voll auszunutzen und versäumte es auch nie, seine Ansprache mit der herausgebellten Drohung abzuschließen, dass jeder, der sich nicht füge, mit schwersten Konsequenzen zu rechnen habe.

Er verstand in den ersten Wochen natürlich rein gar nichts von seinem Redeschwall. Nach einigen Wochen konnte er zwar schon ziemlich viele Worte verstehen, doch fand er die Auskunft der Mitgefangenen bestätigt, dass es egal sei, wenn er nichts davon verstehe: Das meiste sei auch für sie unverständlich und würde sich sowieso fast jeden Tag wiederholen. Die große Herausforderung bei den Appellen bestand also darin, eine halbe Stunde lang Haltung einzunehmen, ein bedeutungsvolles Gesicht zu machen und auf gar keinen Fall zu gähnen…

Die militärische Ausbildung nahm die längste Zeit des Tages ein und dauerte von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr abends — unterbrochen von einer halbstündigen Mittagspause und je einer viertelstündigen Trinkpause am Vormittag und Nachmittag.

Die Ausbildung fand getrennt nach Mannschaften, die aus einer Barackenbesetzung von rund 30 Mann bestanden, statt. Sie begann häufig mit mehreren Runden über die Hindernisbahn. Nicht selten wurden dabei die Zeiten der zu Vierergruppen zusammengestellten Männer gestoppt, und das langsamste Team musste eine weitere Ehrenrunde einlegen. In den ersten beiden Wochen erwischte es natürlich jedesmal die Gruppe mit den drei Neuen. Besonders schlimm war es, wenn am Ende eines Gewaltmarsches abends noch die Hindernisbahn wartete.

Das passierte immer dann, wenn die Mannschaft tagsüber nicht gespurt hatte. Er fürchtete das anstrengende Robben und Kriechen, Klettern und Hangeln, Rennen, Springen und in den Dreck Werfen. Spätestens bei der dritten Runde auf der Hindernisbahn begann es, richtig weh zu tun. Er hatte in den ersten Tagen an sämtlichen Gliedern den schlimmsten Muskelkater seines Lebens. Wenn er ein paar Wochen später einen gut durchtrainierten, muskulösen Körper besaß, dann kam es wohl von der Hindernisbahn…

Die zweite Säule ihrer Ausbildung bestand aus Geländemärschen, bei denen sie manchmal täglich um die 30 km marschieren mussten.

Häufig wurde ihnen zur Erschwernis Sand als Ballast in den Rucksack gefüllt. Immerhin hatte er das Glück, dass er zwar wenig appetitliche, dafür aber bereits gut eingelaufene gebrauchte Stiefel erhalten hatte und er deshalb nur einmal eine kleine Blase am kleinen Zeh bekam, während die beiden anderen Neuen nach dem ersten Gewaltmarsch schlimmste Blasen an den Füßen hatten und beim Ausziehen der Stiefel schrien, als würde man sie teeren, federn und vierteilen. Sie waren für den Rest der Woche krank auf Station und mussten die verpassten vier Tage am Ende ihrer sechs Monate zusätzlich nachdienen.

Unterbrochen wurden die Geländemärsche immer wieder von fingierten Angriffen, bei denen sie sich in Deckung begeben und kriechend fortbewegen mussten. Anfangs passierte es ihm, genauso wie den anderen noch untrainierten Neulingen, dass man ihn mit vereinten Kräften wieder hoch ziehen musste, da er unter dem schweren Rucksack nicht mehr hervorkam. Seltener mussten sie richtige taktische Übungen wie Marschieren in Formation, schnelle Fortbewegung in unwegsamem Gelände oder Heranpirschen an den Gegner üben, da es die Mannschaftsführer meist vorzogen, sich bei dem auch für sie harten 10- bis 12-Stunden-Dienst nicht mehr als nötig anzustrengen.

(Der Dienst im Straflager war auch für sie ein Strafdienst, den sie für begangene Dienstvergehen absolvieren mussten. ) Beliebt war es dagegen (besonders als disziplinierende Maßnahme), einzelne Häftlinge oder die gesamte Mannschaft durch Pfützen kriechen oder durch stinkende Schlammlöcher waten zu lassen — wahlweise gänzlich nackt oder in kompletter Ausrüstung.

Als Mittagsverpflegung gab es wie immer Reis und Suppe aus der Gulaschkanone, die an einer Sammelstelle im Gelände aufgebaut wurde.

Immerhin mussten sie kein mit dem Handkocher warm gemachtes Konservenfutter essen, sondern bekamen nahrhaftes Essen von ordentlicher Qualität, mittags täglich Obst und zwei- oder dreimal die Woche auch eine Fleischeinlage zur Suppe.

Nach der Rückkehr aus dem Gelände musste zuerst die Ausrüstung gereinigt werden. Das bedeutete vor allem die verdreckten Stiefel putzen und wienern, den Rücksack säubern und vor allem Hose, T-Shirt, Socken und Mütze waschen, die, wenn sie nicht sowieso über und über voll Dreck waren, zumindest komplett durchgeschwitzt waren.

Um halb Sechs gab es wieder Suppe und Reis, gefolgt von einem kleinen Abendappell, der vom Mannschaftsführer durchgeführt wurde. Der diente vor allem dazu, die Verletzten festzustellen und die Vergehen des Tages zu protokollieren.

Bei wiederholten kleineren Vergehen und grundsätzlich nach Verbüßung eines Arrests wurde man zum Strafexerzieren eingeteilt, das um halb sieben auf dem Exerzierplatz mit viel militärischem Gebrüll zu absolvieren war. Es konnte bis zu einer Stunde ausgedehnt werden und bestand aus Marschieren in Formation, Meldungen üben und dergleichen und vor allem aus Stillstehen.

— Er wurde wie die anderen beiden Neulinge wegen zahlreicher kleinerer Fehler und Nachlässigkeiten bereits in der dritten Woche zum Strafexerzieren verdonnert.

Schließlich durfte man sich um halb acht endlich an den Waschtrögen waschen, auch wenn es bald niemand mehr auffiel, wie sehr man am Ende eines strapazenreichen Tages nach Schweiß, Dreck und Erschöpfung stank.

Um Viertel nach Acht gab es ein letztes Antreten in der Baracke, das im Grunde genommen nur noch dazu diente, den bevorstehenden Zapfenstreich anzukündigen.

*

Er war bereits am dritten Tag dramatisch verzweifelt: Es war für ihn völlig klar, dass er dieses mörderische Programm nicht einmal bis zum Ende der Woche durchhalten würde — geschweige denn die nächsten sechs Monate!!!

Doch er musste durchhalten! Und er tat es auch — genauso wie (fast) alle anderen. Er stellte einmal mehr fest, dass man sich an alles gewöhnte, und bereits nach ein paar Wochen war er so durchtrainiert und abgehärtet, dass er die tagtäglichen Strapazen ordentlich überstehen konnte.

Während der ersten fünf, sechs Wochen dachte er keine Sekunde an all die Ratschläge, die ihm die Mönche am Ende seiner Drogentherapie gegeben hatten. Er war vollauf damit beschäftigt, den besonders morgens und abends hektisch durchgetakteten Lageralltag zu bewältigen, seinen sprachlichen Nachteil zu kompensieren und die körperlichen Strapazen zu überstehen. Abends fiel er todmüde auf seine Schlafmatte, so dass er gar keine Zeit zum Nachdenken hatte. Hin und wieder schlich sich jedoch der panische Gedanke an die 24 Stockhiebe ein, die ihm noch bevorstanden („24 pending!“).

Doch wann es bei ihm so weit sein würde, wusste er nicht, und konnte ihm auch niemand sagen.

Doch die Weisheit der Mönche sollte sich doch noch bewähren, als es für ihn hart auf hart kommen sollte…

*

Er hatte es ja befürchtet!

Doch hatte er gehofft, dass die körperlichen Strapazen jegliche Geilheit unterdrücken würden. Und so war es im Grunde ja auch: Er hatte während der letzten sechs Wochen nicht einen Moment lang das Bedürfnis gehabt, sich selbst zu befriedigen — er war nicht einmal auf den Gedanken gekommen!

Doch als sich sein Körper einigermaßen an die Strapazen der Lagerhaft gewöhnt hatte, wurde in seinen Hoden offensichtlich auch wieder die reguläre Samenproduktion angeworfen.

Kurz und gut: Er hatte einen feuchten Traum, in den zu allem Unglück Sekunden später auch noch der morgendliche Pfiff der Trillerpfeife hineinschrillte! Er geriet in Panik, reihte sich jedoch mechanisch in die Aufstellung zur bevorstehenden Musterung ein, fasste ungläubig an seine Shorts und hatte die ganze frische Soße an seiner Hand!

Der Sergeant schaute wie gebannt auf den weißen Fleck an seinen Shorts, blickte ihm entgeistert ins Gesicht, schaute dann wieder auf seine Shorts, fasste sich endlich und blies wie der Wilde in seine Trillerpfeife.

Er stand wie versteinert und roch seinen Angstschweiß.

Sekunden später kamen zwei bullige Wächter angerannt, berieten sich kurz mit dem Sergeant und zogen ihn schließlich brutal aus der Reihe. Man warf ihn zu Boden, riss ihm die Shorts herunter und schlug mit der besudelten Hose unbarmherzig auf seine Weichteile ein. Er schrie und krümmte sich vor Schmerz. Doch wenn er sein Geschlecht mit den Händen verbergen wollte, wurde auf sein Gesicht eingeschlagen.

Die Mannschaft, von der die allermeisten gar nicht mitbekommen hatten, um was es eigentlich ging, schaute dem Drama entgeistert zu. Nur wenige, die ihn nur deshalb nicht riechen konnten, weil er ein Europäer war, gönnten ihm sein Missgeschick.

Er konnte ja gar nichts dafür! Doch er hatte ejakuliert! Und Ejakulieren war im Grunde das selbe wie Masturbieren. Und Masturbieren war verboten! Auf Masturbieren standen Arrest und Prügel!

Er wurde an den Füßen aus der Baracke geschleift.

Auf dem Vorplatz ließ man ihn sich berappeln, dann prügelte man ihn mit Schlägen und Tritten vor sich her über den gesamten Exerzierplatz hinweg hinüber zur Kommandantur. Im Hof des Kommandantengebäudes band man ihn mit ledernen Riemen an einem (einer Teppichklopfstange ähnlichen) Metallgerüst fest. Dies war der Pranger für alle Wichser und für alle anderen Kandidaten, denen unehrenhafte Strafen bevorstanden!

Bis zum Morgenappell in zweieinhalb Stunden sollte über sein Schicksal entschieden sein.

So lange hing er hier nackt an der Stange…

Er hörte hin und wieder Befehle vom Exerzierplatz und von den Baracken zu ihm herüberwehen. Alles nahm offensichtlich seinen normalen Lauf, während er hier hing und ihm vermutlich Schlimmes bevorstand. Seine langgestreckten Arme und seine Schultern schmerzten ihn von Minute zu Minute stärker. Nach knapp zwei Stunden musste er sich auf die Lippe beißen, um nicht zu schreien.

Endlich war es soweit: Der Morgenappell nahm vor der Kommandantur Aufstellung — und er wurde vor der gesamten Lagerbesatzung als Entehrter nackt und gefesselt zur Schau gestellt.

Ausgerechnet er — der Europäer…!

Nach einer langatmigen Suada des Majors über Disziplin und Mannhaftigkeit einerseits und über moralische Zerrüttung, Sitten- und Ehrlosigkeit andererseits (von der er in seiner Trance überhaupt nichts mitbekam), wurde die fällige Disziplinarstrafe für unerlaubtes Masturbieren bekanntgegeben: Über ihn wurden zwei Wochen Arrest und 24 Schläge mit dem Riemen verhängt (was gleichzeitig mit einer Strafverlängerung von sechs Wochen einherging!). Die Strafe wurde zur sofortigen Vollstreckung ausgesprochen — und zwar öffentlich!

Er wurde an Ort und Stelle und vor aller Augen mit einem breiten Lederriemen ausgepeitscht.

Die Schläge wurden von einem Leutnant mit lauter Stimme und in gleichmäßigem Rhythmus heruntergezählt. Nach den ersten zehn Schlägen, die er jeweils mit einem Stöhnen begleitet hatte, wand sich sein Körper unter seinen Fesseln so stark, dass unter den gegebenen Umständen nicht mehr an eine reguläre Vollstreckung zu denken war. Der Leutnant unterbrach die Auspeitschung, die von einem kräftigen Sergeant vollzogen wurde. Man brachte nun den hölzernen Strafbock herbei, über den er mit dem Oberkörper gelegt und an den er mit Händen und Füßen festgebunden wurde.

Sein fixiertes Gesäß war nun unausweichlich der Vollstreckung der noch ausstehenden vierzehn Hiebe ausgesetzt.

Der Lederriemen sauste Hieb für Hieb in langsamem gleichmäßigem Rhythmus krachend auf seine Hinterbacken nieder, begleitet von seinem Stöhnen, Keuchen und gelegentlich auch Aufschreien. Er versuchte, trotz seines heftigen Keuchens so bewusst und tief wie möglich zu atmen – was zwar nichts daran änderte, dass er den scharfen Schmerz des Riemens auf seinem Hintern glasklar wahrnahm, doch er konnte jedem folgenden Schlag gefasst ins Auge sehen.

So überstand er alle 24 Hiebe mit dem Riemen.

Sein Hintern war über und über mit breiten, rot-geschwollenen Streifen übersät. An einigen Stellen war seine Haut entlang der scharfen Kante des Lederriemens auch aufgebrochen.

Er wurde vom Strafbock los- und wieder am Metallgerüst festgebunden. Dort hing er noch einmal zwei Stunden am Pranger, bis er in den Bunker verbracht wurde. Während dieser Zeit gingen immer wieder Funktionsträger, Wächter und niedere Angestellte an ihm vorbei und spuckten ihm ins Gesicht oder auf sein Geschlecht – einmal sogar eine Frau: Sie entschied sich für sein Geschlecht…

*

Er verbrachte die zwei Wochen im Bau genau auf die selbe Weise, wie er es bei seiner einwöchigen Isolation während der Drogentherapie gelernt hatte: Er gab sich selber einen regelmäßigen Rhythmus vor, bei dem er abwechselnd auf seiner Bastmatte lag (was ihm nicht verboten war), dann im Schneidersitz saß, dann stand, dann in seiner Zelle auf und ab ging und schließlich wieder lag.

Ein wesentlicher Unterschied bestand allerdings darin, dass er morgens und abends je drei Mal über die Hindernisbahn gejagt wurde. Und wenn er sich nicht genügend anstrengte, auch noch ein viertes Mal. Einmal musste er so lange über die zuvor gut gewässerte Matschpiste robben, bis er sich übergeben musste.

An manchen Tagen fühlte er sich tief deprimiert und heulte sich die Verzweiflung aus dem Leib. An anderen war er ganz klar und gefasst.

Er dachte öfter an Susanne und wie es ihr wohl ergangen war. War auch sie jetzt im Gefängnis oder gar wie er in einem Lager? Er konnte sich Susanne in einer Zelle eingesperrt überhaupt nicht vorstellen… (Sie war sehr wohl eingesperrt gewesen, allerdings nur für eine Nacht in Polizeigewahrsam. Sie war gegen eine hohe Kaution auf freien Fuß gesetzt worden und man hatte ihr durch die Blume deutlich gemacht, dass man sie am Flughafen nicht aufhalten würde.

Man hatte offensichtlich Hemmungen davor, eine junge europäische Frau genauso konsequent zu bestrafen wie einen Mann…)

*

Seine schwere Bestrafung vor aller Augen hatte ihm mehr Respekt verschafft als ihm der peinliche Zwischenfall an Häme eingebracht hatte. Erst jetzt wurde er mit zwei, drei Mitgefangenen etwas vertrauter — so gut das eben unter den gegebenen Umständen ging.

Doch über bestimmte Dinge sprach man nicht: Er fragte sich, warum unter fast 200 jungen Männern nur ihm so etwas passierte und warum zum Beispiel nicht den erst achtzehn oder neunzehn Jahre alten jungen Spritzern unter seinen Mitgefangenen.

Er hätte gerne gewusst, ob die anderen einen Trick hatten, um eine nächtliche Pollution, wie sie ihm widerfahren war, zu verhindern. Oder schafften sie es, so unauffällig zu wichsen, dass wirklich niemand etwas merkte? Oder war er einfach ein übergeiles Monster, während bei allen anderen, wie es sich in solch einer Situation gehörte, die Sexualfunktionen brav abgeschaltet wurden? Oder verfügten sie alle über das geheime Wissen der Mönche, ihre sexuellen Energien im Körper umzulenken, das Wissen, über das er selbst ja (zumindest im Ansatz) auch verfügte, es aber offensichtlich nicht einsetzen konnte.

Er setzte diese Meditationstechnik seitdem auch bewusst ein, doch hatte er immer noch panische Angst, dass ihm das gleiche nochmals passieren würde.

*

Der Botschaftsrat war positiv überrascht von seiner guten körperlichen und mentalen Verfassung. Er war zwar im Gesicht deutlich hagerer geworden, doch er war braun gebrannt und muskulös und einigermaßen aufgeräumt.

Herr Schmidt überbrachte ihm Grüße von den Eltern und der Familie, die sich große Sorgen um ihn machten.

Er flehte den Botschaftsrat förmlich an, ihnen auszurichten, dass es ihm hier sehr gut gehe und dass er jetzt eben einfach seine Strafe absitze und danach sei alles gut. Der Botschaftsrat schaute skeptisch, zumal er wusste, dass ihm die Prügel erst noch bevorstanden.

Weitere Grüße kamen von seiner Firma, die sich in vorbildlicher Weise um ihn bemüht habe und die ihm ausrichten ließ, dass man selbstverständlich zu ihm stehe. Er wusste, was er an seinem Arbeitgeber und vor allem an seinem Chef in der Südostasien-Niederlassung hatte, und gab seinen artigsten Dank zurück.

Schließlich hatte Herr Schmidt auch noch Grüße von Susanne im Gepäck: Sie denke Tag und Nacht an ihn und es tue ihr unendlich leid, dass er jetzt ganz alleine für sie alle bestraft werde, und sie bitte ihn um Verzeihung. Er freute sich sehr über Susannes Grüße und war beinahe beschämt von ihrer ihm übergroß erscheinenden Reue.

Der Botschaftsrat erkundigte sich nach dem Verlauf seiner Drogentherapie.

Er konnte eigentlich nur Gutes darüber berichten. Er hatte zwar zuerst nicht den Sinn erkennen können, warum er, der in seinem ganzen Leben nur diesen einzigen fatalen Zug an einem Joint gemacht hatte, unter Entzug gestellt wurde und sich aufwändigen Reinigungsprozeduren unterziehen sollte. Dann sei ihm aber klar geworden, dass es bei ihm eben um andere Dinge gegangen sei — vor allem eben auch um die Erkenntnis, wie gedankenlos und dumm er einfach gewesen sei, den verbotenen Tempelbezirk so zu entwürdigen.

Er bat Herrn Schmidt, den Mönchen Grüße und seinen herzlichen Dank zu überbringen. Er beachte alle ihre Ratschläge, es gehe ihm gut und er hoffe, man würde eines Tages auch seine Entschuldigung annehmen.

Die übrigen Fragen des Botschaftsrats zu seinem körperlichen und seelischen Zustand, zu seinen Haftbedingungen und zu seinen Rechten erfolgten im sichtlichen Bemühen, den Bericht an das Außenministerium in Bonn mit Stoff zu versorgen. Er fand Herrn Schmidt nicht übermäßig sympathisch aber er ahnte, dass er eine Menge für ihn und Susanne getan hatte.

Er fand dies bestätigt, als Herr Schmidt ihm eröffnete, dass man mit aller Macht daran arbeite, dass er vorzeitig hier raus komme — auch wenn er ihm hier und heute keinerlei voreilige Hoffnungen machen wolle. Er hätte nichts lieber getan, als jetzt gleich zusammen mit dem Botschaftsrat wieder in die Freiheit hinauszugehen, doch empfand er auch eine seltsame Verpflichtung, seine Strafe hier bis zum Schluss durchzustehen. Er sagte dem Botschaftsrat nichts davon, dass er erst kürzlich eine Strafverlängerung von sechs Wochen erhalten hatte…

*

Die Prügelstrafe.

Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie ihm bald bevorstehen würde.

Er hatte immer noch mächtig Respekt vor ihr. Aber nach seiner durchgestandenen ersten Züchtigung hatte er nicht mehr diese namenlose, ja panische Angst.

Etwa alle zwei Wochen wurde beim großen Appell die Vollstreckung von Prügelstrafen verkündet. Die Opfer mussten heraustreten und wurden zur ärztlichen Untersuchung und anschließenden Vollstreckung in die Kommandantur gebracht.

In der eigenen Baracke hatte es während seiner nun bereits gut zweieinhalbmonatigen Lagerhaft vier Fälle, davon zwei erst vor wenigen Wochen, gegeben. Alle hatten sie wie er die Höchstzahl der Schläge erhalten. Sie waren jeweils erst wieder nach ein, zwei Wochen zurück zur Mannschaft gestoßen.

Bei der Körperreinigung am Wassertrog, zu der sie sich alle nackt ausziehen mussten, konnte man die blutigen Striemen an ihren Hintern noch sehr gut erkennen.

Von den Arschbacken der Mitgefangenen, die ihre Prügel teils weit vor seiner Ankunft im Lager bezogen hatten, wusste er, dass die Wundmale nur langsam verheilten und verblassten. Er hatte sogar den Verdacht, dass unter Umständen mit bleibenden Narben zu rechnen war.

Die Männer, die von der Vollstreckung zurückkamen, versuchten zwar den Eindruck zu erwecken, dass sie alles ganz cool weggesteckt hatten. Man sah den allermeisten jedoch an, dass die Stockhiebe bei ihnen nicht nur körperliche Spuren hinterlassen hatte: Er bemerkte den gebrochenen Blick in ihren Augen und er beobachtete, dass sie, nachdem die Zeit ihrer Schonung vorbei war, ihren Dienst noch eifriger verrichteten als zuvor.

Ja, er nahm an ihnen eine gesteigerte Unterwürfigkeit wahr. Das hieß also, es war wirklich schlimm und man wollte unter gar keinen Umständen eine Wiederholung provozieren.

Es schauderte ihn bei dem Gedanken an seine eigene bevorstehende schwere Züchtigung…

*

Es war so weit!

Sein Name, der des „Hasen“ und die Namen zweier weiterer Männer aus anderen Baracken wurden beim sonntäglichen Appell ausgerufen.

Er stand unter Schock und er wäre vermutlich einfach stehen geblieben, hätte er nicht von hinten einen unsanften Stoß in die Rippen bekommen.

Er schrie ein letztes Mal die Meldung heraus: „Sir! Muller 6 -24 pending, Sir!“

Sie wurden von vier Wächtern in die Sanitätsbaracke eskortiert, wo sie sich ausziehen mussten und hintereinander aufgereiht ihren ärztlichen Check erwarteten. Ihre Reihenfolge war genau festgelegt: Die beiden anderen standen vorne, er war die Nummer drei, der Hase die vier.

Die Untersuchung beschränkte sich auf Zunge raus, das Abhören von Herz und Lunge, Blut- und Puls messen und auf die Frage, ob sie sich gesund fühlten. Sie wurden alle vier zur sofortigen Vollstreckung durchgewunken. Bevor es losging, mussten sie sich nochmals auf der Toilette (auf einer richtigen Toilette!) erleichtern und sich unter dem Strahl eines Wasserschlauchs ihre Hintern waschen.

Man führte sie die wenigen Schritte hinüber zur Kommandantur wo sie sich in der Halle des Eingangsbereichs nackt in Reihe aufzustellen hatten.

Ein Leutnant nahm ihre Meldungen entgegen, die nun zu lauten hatte: „Sir! Muller 6 -24 under execution, Sir!“ – Seine Stimme zitterte und brach sich sogar ein wenig (er sprach mittlerweile in der Landessprache).

Die Nummer Eins wurde abgeführt.

Der lange Gang durch die Katakomben zum Vollstreckungsraum dauerte ungefähr fünf Minuten. Meldung, nochmalige Ausrufung des zu vollstreckenden Strafmaßes und die Belehrung ebenfalls fünf Minuten. Nochmal so viel Zeit nahm das sorgfältige Festmachen des Körpers des Sträflings an dem A-förmigen Holzgerüst in Anspruch.

Und schließlich wurde die Strafe in einem gleichmäßigen Rhythmus von zwei Schlägen pro Minute exekutiert. Bei den allen vier Delinquenten bevorstehenden 24 Schlägen waren dies also zwölf Minuten reine Exekutionszeit. Die Lösung aus den Fesseln und die abschließende Meldung dauerten wieder fünf Minuten, ebenso der Gang des Wächters durch die Katakomben zur Abholung des nächsten Vollstreckungskandidaten. Alles in allem dauerte die Prozedur für jeden Einzelnen, sofern nichts Unvorhergesehenes dazwischen kam, also zwischen 35 und 40 Minuten.

Er hatte also weit über eine Stunde zu warten, bis er an der Reihe war. Der Hase sogar fast zwei Stunden!

Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ihre Angst war förmlich zu riechen. Sie lauschten in die Stille des Gebäudes hinein, ob von der Vollstreckung der anderen irgendetwas zu hören war. Hin und wieder meinte er, einen gedämpften Schrei zu hören, worauf er heftig zusammenzuckte. Er konnte sich aber auch getäuscht haben.

Der Hase nahm es in Kauf, dass er dafür bestraft wurde, dass er seinem Leidensgenossen Muller zuflüsterte: „Wenn wir das beide überleben, möchte ich, dass wir Freunde werden!“ Er antwortete nur flüsternd „OK“.

Dass sie beide für das Sprechen während des Stillstehens — zudem noch während der Exekution ihrer Prügelstrafe — mit drei Tagen Arrest (und noch einmal anderthalb Wochen Strafverlängerung) bestraft wurden, sollte sie nur noch stärker zusammenschweißen.

Die Zeit des Wartens wurde ihnen immer unerträglicher. Doch der Einschlag rückte immer näher: Die Nummer Zwei war bereits abgeholt worden. Sie waren nur froh, dass ihre Vorgänger nach der Vollstreckung nicht an ihnen vorbei geführt wurden.

*

„Muller!“

Er nahm Haltung an und rief „Sir! Muller 6 – 24 under execution, Sir!“

Der Wächter legte ihm die Hände auf die Schultern und leitete ihn durch die Gänge der Kommandantur.

Der Weg schien ihm beinahe endlos zu sein. Am Ende eines langen Flures gelangten sie schließlich an einer weit geöffneten schweren Stahltüre an, hinter der sich der von Neonlicht gleißend erleuchtete Vollstreckungsraum befand.

Es kam ihm ein Schwall drückend-feuchter Schwüle und heftigen Schweiß- und Angstgeruchs entgegen. Auch ihm schoss sogleich der Angstschweiß aus den Poren, der ihm in Perlen auf der Stirn stand. Die Stahltür fiel quietschend und laut scheppernd hinter ihm ins Schloss.

Am Ende des großen fensterlosen Raumes stach ihm sofort das A-Gestell ins Auge. Rechterhand waren Tische aufgestellt, an denen der leitende Disziplinarbeamte, der ärztliche Betreuer und der Protokollant saßen. Linkerhand stand der Vollstreckungsbeamte breitbeinig aufgestellt, den Rohrstock mit beiden Händen fest umfasst. An verschiedenen Stellen im Raum verteilt standen fünf, sechs Wärter, die entweder eine genau festgelegte Funktion hatten oder für den Notfall bereitstanden.

„Meldung!“

„Sir! Muller 6 – 24 under execution, Sir!“ – Seine Stimme brach sich jetzt vollends.

Der leitende Disziplinarbeamte im Range eines Hauptmanns rief das Strafmaß von 24 Hieben mit dem leichten Lager-Rohrstock (im Gegensatz zum noch schmerzhafteren schweren Rattan, wie er in den Gefängnissen verwendet wurde) auf das entblößte Gesäß aus. Dann klärte der Captain ihn in offiziöser Form über die bevorstehende Prozedur auf, wovon er in seiner adrenalingepuschten Trance aber schon nichts mehr mitbekam. Er wurde eindringlich gefragt, ob er bereit sei, was er mit heiserer Stimme bejahte.

„Fixing!“, rief der Disziplinarbeamte aus (das englische Vokabular stammte offensichtlich noch aus der Kolonialzeit).

Er wurde von zwei Sergeants an das Holzgestell geführt, an das er an Hand- und Fußgelenken mit Lederriemen festgemacht wurde. Seine Taille wurde mit einem breiten Ledergürtel fixiert, der zugleich die Grenze der Schlagzone bis unterhalb der Hüftknochen markierte.

Man rüttelte nochmals an dem Gestell und an seinem festgeschnallten Körper, bevor es um ihn herum beängstigend still wurde.

Er atmete so tief ein und aus, wie er nur konnte.

Noch einmal wurde er beruhigend und beinahe aufmunternd auf seinen Rücken getätschelt. Seine Wahrnehmung war in diesem Moment auf einmal wieder so klar, dass er sogar wahrnahm, dass die Person, die ihn berührte, Gummihandschuhe trug.

„Rready forr executien!“, rief der Disziplinarbeamte in seinem gebrochenen Englisch, um sicher zu gehen, dass Muller als Ausländer das Kommando auch verstand.

Der Vollstreckungsbeamte ließ den Rohrstock mehrere Male zischend durch die Luft sausen und stellte sich schließlich breitbeinig in Position.

Sein Unterleib versuchte unwillkürlich dem bevorstehenden ersten Hieb auszuweichen, doch er konnte sich unter seinen Fesseln kaum ein, zwei Zentimeter rühren.

Sein Puls raste!

Der Captain rief: „Rotan! – Erster Schlag!“

Der Rohrstock sauste pfeifend durch die Luft und traf zischend auf seinem Hinterteil auf.

Es durchströmte ihn ein brennend heißes Gefühl, dass sich über seinen ganzen Körper ausbreitete. Er stöhnte sofort nach dem Treffer, doch der eigentliche Schmerz kam erst jetzt. Er atmete heftig.

Bevor er richtig fassen konnte, was passiert war, kam bereits der zweite Befehl:

„Rotan! – Zweiter Schlag!“.

— Swusch…

Wieder durchfuhr ihn ein brennend scharfer Schmerz.

„Oh Gott“, dachte er.

„Das werde ich nicht überleben!“

„Rotan! – Dritter Schlag!“

— Swusch…

Sein Hinterteil zuckte heftig unter dem furchtbaren Treffer.

„Rotan! – Vierter Schlag!“

— Swusch…

Er schrie auf Deutsch: „Oh Gott! Ich sterbe!“

„Rotan! – Fünfter Schlag!“

— Swusch…

Der Schmerz breitete sich mittlerweile bis in die letzte Faser seines Körpers aus.

„Rotan! – Sechster Schlag!“

— Swusch…

Nein, jetzt erst hatte der Schmerz sein Innerstes erreicht: Er schlug direkt in seinem Gehirn ein!

„Rotan! – Siebter Schlag!“

— Swusch…

„Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Er war ja selbst von der Hälfte der Schläge noch so weit entfernt!

„Rotan! – Achter Schlag!“

— Swusch…

Erst jetzt stellte er sich allmählich auf Geschwindigkeit und Wirkung der Hiebe ein.

„Rotan! – Neunter Schlag!“

— Swusch…

Er stöhnte nun in gleichbleibender Intensität und schien den Rhythmus der Schläge mitzugehen.

„Rotan! – Zehnter Schlag!“

— Swusch…

„Rotan! – Elfter Schlag!“

— Swusch…

„Rotan! – Zwölfter Schlag!“

— Swusch…

„A-a-aaaaaah!“

Seine Haut begann nun richtiggehend aufzuplatzen!

Er brauchte wieder drei bis vier Schläge, bis er sich innerlich auf den neuen, noch brutaleren Schmerz eingestellt hatte.

„Rotan! – Dreizehnter Schlag!“

— Swusch…

„Aua, aua, aua, aua, aua, auaaaaaaaah!“

„Rotan! – Vierzehnter Schlag!“

— Swusch…

„Uhuhuhuhuuuuuuh!“, wimmerte er nun.

„Rotan! – Fünfzehnter Schlag!“

— Swusch…

Seine Hinterbacken zuckten jetzt wie wild, sein ganzer Körper schüttelte sich.

„Stopp executien!“, rief der Officer.

Der Arzt trat an ihn heran und begutachtete seinen Zustand. Er nickte.

Der Sergeant zog nochmals den Ledergürtel fest, bevor auch der dem Captain ein nickendes Zeichen gab.

„Continue executien!“

Der Vollstreckungsbeamte hatte sich zwischenzeitlich einen frischen Rohrstock aus dem Behälter herausgenommen, den er nochmals kurz durch die Luft surren ließ.

„Rotan! – Sechzehnter Schlag!“

— Swusch…

Noch einmal schrie er seinen unbändigen Schmerz aus voller Kehle heraus.

„Rotan! – Siebzehnter Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“ – Er hatte sich geschworen, sich für die letzten acht Hiebe das Schreien endlich zu verbeißen.

„Rotan! – Achtzehnter Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“

„Rotan! – Neunzehnter Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“

„Rotan! – Zwanzigster Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“

Obwohl sich der Rohrstock bei jedem Hieb tiefer in sein Fleisch schnitt und die Schmerzen immer höllischer wurden, blieb er weiter tapfer.

„Rotan! – Einundzwanzigster Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“

„Rotan! – Zweiundzwanzigster Schlag!“

— Swusch…

„A-a-arrrgh!“

Der Hieb saß besonders tief!

„Rotan! – Dreiundzwanzigster Schlag!“

— Swusch…

„Arrrgh!“

„Rotan! – Letzter Schlag!“

— Swusch…

„Mmmmmpf…“

„Executien complitid! – Unfasten!“

Oh, oh, oh, oh, oh, oh – er hatte es überstanden! Aber wie? – Es war ihm durch Mark und Bein gegangen und er war innerlich zutiefst erschüttert.

„Vell done!“, lobte ihn der Sergeant, der seine Fesseln löste.

Er stand auf seinen eigenen Füßen, doch seine Knie waren wie Pudding. Sein Kopf war hochrot, seine Gesichtszüge völlig aufgelöst. Sein ganzer Körper bebte und war mit dicken Schweißperlen überzogen, als käme er geradewegs aus der Sauna.

Der Vollstreckungsbeamte reichte ihm die Hand und nickte ihm anerkennend zu. Er versuchte sich an einem völlig missratenen Lächeln.

Der Arzt überzeugte sich davon, dass er selbständig gehen konnte.

Der Captain nahm seine neue Meldung ab, die er mit leiser, brüchiger Stimme vortrug: „S-sir! Muller 6 – 24 executed, S-sir!“

*

Man ließ ihn auf der Krankenstation in den Spiegel schauen. Er fiel beinahe in Ohnmacht von dem Massaker, das er an seinem Hintern sehen musste: Er sah leuchtend rote, tief in sein Fleisch geschnittene Striemen, die, einer am andern, akkurat nebeneinander gesetzt waren.

An seinem linken Oberschenkel rann eine dünnflüssige hellrote Blutspur hinunter. Er war schockiert von dem Ergebnis seiner Prügelstrafe.

Zitternd legte er sich neben die anderen beiden Delinquenten, deren malträtierte Hintern kaum besser aussahen als seiner, auf eine Matte. Seine Wunden wurden vorsichtig mit einer Tinktur betupft, was nochmals äußerst schmerzhaft war.

Alle drei versteckten ihre Gesichter unter ihren Armen, um bloß nicht ihre Schmerzen und Tränen offen zu zeigen.

Er dämmerte eine Zeitlang vor sich hin, bis er daran erwachte, dass der Hase jammernd neben ihm abgelegt wurde. Er blinzelte zu ihm hinüber, doch war der zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihn überhaupt wahrzunehmen. Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihnen, Blickkontakt aufzunehmen. Dem sonst so selbstsicher auftretenden Hasen lief eine dicke Träne über die Wangen. Wenn er hätte aufstehen können, wäre er zu ihm hinübergegangen und hätte ihn gestreichelt und getröstet.

Nach einer Weile fragte er ihn leise: „Warum eigentlich Hase? Hat das was zu bedeuten?“

Der Angesprochene antwortete mit zittriger Stimme: „Das ist hier der Spitznamen für alle, die aus meinem Land kommen. „

Er hatte gar nicht gewusst, dass der Hase auch Ausländer war.

Obwohl es allerstrengstens verboten war, tauschten sie ihre richtigen Vornamen aus, nahmen diese aber, solange sie hier eingesperrt waren, nicht ein einziges Mal in den Mund.

„Ich heiße eigentlich Mike!“ und er ergänzte nach einer kurzen Pause: „In Wirklichkeit heiße ich anders — aber das ist jetzt zu kompliziert…“

„Ich heiße Ralf. „

*

Nach Ablauf der anderthalbwöchigen Überwachung auf der Krankenstation wurden Mike und er direkt in die Arrestzellen verbracht, wo sie ihre drei Tage absitzen mussten.

Sie waren während der folgenden drei Wochen durchgängig zum Strafexerzieren eingeteilt.

*

Dann geschah etwas völlig Unvorhergesehenes.

Die Regierung des Landes wurde gestürzt. Man sprach von einem Militärputsch.

Das Leben im Straflager ging zunächst unverändert weiter. Doch es schienen immer weniger Wärter im Camp zu verbleiben. Wurden sie für Einsätze gegen Protestierer abgezogen? — Man hörte jetzt immer öfter von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Die Lage schien auch für sie allmählich brenzliger zu werden: Aus dem nahen Gefängnis waren Schüsse zu hören.

Hatte es womöglich Tote gegeben?

Anfangs der folgenden Woche fuhr schließlich eine Lastwagenkolonne vor, um sie abzutransportieren. Die einen waren fest entschlossen, die Mitfahrt zu verweigern, da man ja nicht wissen konnte, was mit einem passieren würde. Womöglich hielt man sie unterwegs für Militärs und man würde sie angreifen. Oder man geriet jetzt unter Rebellen und würde vom Militär angegriffen. Die anderen sahen es als das einzig Richtige an, hier so schnell wie möglich zu verschwinden.

Und zu diesen gehörten auch er und Mike. Am Ende blieb ihnen sowieso keine andere Wahl, denn man zwang sie mit vorgehaltener Waffe aufzusitzen. Die Lagerbesatzung hatte sich unterdessen vorsorglich aus dem Staub gemacht.

Es stellte sich heraus, dass man an eine Eliteeinheit geraten war, die im Auftrag einflussreicher Familien ihre missratenen Söhne, Neffen und Enkel aus dem Lager herausholen und außer Landes bringen sollten. Man fuhr sie tatsächlich bis zur Landesgrenze, die sie zu Fuß überquerten.

Auf der anderen Seite wartete bereits Mikes Vater und rief ihnen entgegen: „Willkommen zu Hause!“

**.

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